Catherine O'Flynn - Was mit Kate geschah

  • Klappentext:
    Birmingham, 1984. Die elfjährige Kate gründet gemeinsam mit ihrem Stoffaffen eine Privatdetektei. Bevorzugtes Beobachtungsobjekt: das im Bau befindliche Einkaufszentrum Green Oaks. Bewaffnet mit ihrem Notizbuch schleicht Kate hinter verdächtigen Personen her, notiert sich alles, was sie sieht. Auffällig erscheint ihr ein Mann, der sich stundenlang in der Nähe des Spielplatzes aufhält …
    2003. Kurt, Wachmann im Einkaufszentrum Green Oaks, traut seinen Augen nicht: Eines Nachts sieht er auf dem Monitor ein kleines Mädchen mit einem Stoffaffen im Arm durch die menschenleeren Gänge irren. Das Mädchen sieht genau aus wie die kleine Kate, die Kurt kannte und die vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden ist. Niemand glaubt Kurt, nur Lisa aus dem Plattenladen macht sich mit ihm auf die Suche durch die endlosen Weiten von Green Oaks.
    Ein aufsehenerregender Debütroman über Selbstentfremdung in einer konsumorientierten Welt, über Einsamkeit und über ein bemerkenswertes Mädchen.


    Die Autorin:
    Catherine O´Flynn, geboren 1970 in Birmingham, arbeitete u.a. im Plattenladen, bei der Post, als Lehrerin und als Testkäuferin, bevor sie ihren ersten Roman schrieb. Nach zunächst über 20 Ablehnungen von Agenturen und Verlagen gewann sie mit Was mit Kate geschah auf Anhieb den First Novel Prize beim Costa Book Award 2008 und andere wichtige Literaturpreise; ihr Buch wurde in zehn Sprachen übersetzt. Nach einigen Jahren in Barcelona lebt Catherine O´Flynn wieder in Birmingham.


    Meine Meinung:
    Im 1. Teil des Romans ist Kate, ein 10-jähriges Mädchen, die Protagonistin, welches bei ihrer Großmutter aufwächst. Kate ist viel allein. Nachdem ihre Mutter sie verlassen hat und ihr Vater, der viel Zeit mit ihr verbracht hat, gestorben ist, beschäftigt sich Kate mit Detektiv spielen. Dazu nimmt sie das Detektivbuch zur Hand, das ihr Vater ihr einmal geschenkt hat.
    Einzigster Begleiter ist ein Stofftier, Mickey genannt. Dabei hält sie sich viel in dem Einkaufszentrum auf. Kaum ist einem Kate ans Herz gewachsen, beginnt der 2. Teil.
    Es erfolgt ein Zeitsprung von 20 Jahren. In diesem 2. Teil wechselt die Perspektive und es wird von Kurt, einem Securityangestellten des Einkaufszentrums und von Lisa, einer Ladenangestellten, berichtet.
    Ausführlich wird auch über das Einkaufszentrum geschrieben; man erfährt, wie es dort um die Kundenbedürfnisse und die Arbeitsbedingungen bestellt ist.
    Sowohl Kurt als auch Lisa haben Kate einmal gekannt und wissen, dass diese seit 20 Jahren verschwunden ist. Als Kurt Kate auf einem Monitor entdeckt, geht er auf die Suche.
    Dies liest sich durchaus spannend und interessant.
    Für mich ist der Krimi aber kein typischer Krimi, auch wenn gegen Ende des Buches eine Ermittlerin auftritt.
    Themen des Romans sind durchaus auch Vernachlässigung und Vereinsamung, das Verlorengehen im eigenen Leben.
    Das Ende fand ich sehr überraschend.
    Der Schreibstil der Autorin ist ruhig und intensiv.
    Ich kann das Buch durchaus empfehlen

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Danke für die schöne Rezi :wave
    Das Buch wurde mir auch von einer Freundin empfohlen und dank der Rezi
    landet sie jetzt aufjedenfall mal auf der WL :-)

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • Zitat

    Original von Conor


    Für mich ist der Krimi aber kein typischer Krimi, auch wenn gegen Ende des Buches eine Ermittlerin auftritt.


    Wie kommst Du überhaupt darauf, dass es ein Krimi sein könnte?
    Ich habe das Buch kurz vor Erscheinen gelesen und kann mich Deiner positiven Meinung nur anschließen. Es ist eine wunderbare Geschichte, anders und in einem ganz eigenen Tempo erzählt, getragen von einer wirklich berührend-beklemmenden Atmosphäre.
    Es ist allerdings kein Krimi. Wer mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangeht, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht sein. Deshalb bin ich mit der Platzierung der Rezension bei Krimis/Thriller nicht glücklich. "Was mit Kate geschah" zählt für mich definitiv zur zeitgenössischen Literatur.

  • Zitat

    Original von Seestern


    Wie kommst Du überhaupt darauf, dass es ein Krimi sein könnte?
    Ich habe das Buch kurz vor Erscheinen gelesen und kann mich Deiner positiven Meinung nur anschließen. Es ist eine wunderbare Geschichte, anders und in einem ganz eigenen Tempo erzählt, getragen von einer wirklich berührend-beklemmenden Atmosphäre.
    Es ist allerdings kein Krimi. Wer mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangeht, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht sein. Deshalb bin ich mit der Platzierung der Rezension bei Krimis/Thriller nicht glücklich. "Was mit Kate geschah" zählt für mich definitiv zur zeitgenössischen Literatur.


    Seestern :
    Ich habe es so übernommen,sowohl bei amazon wird es als Krimi bezeichnet oder auch bei Elke Heidenreich:
    http://lesekreis.org/2009/07/0…hah-von-catherine-oflynn/
    wobei ich mit der Wahl auch nicht so glücklich war.
    Aber bei zeitgenössischer Literatur wäre es besser aufgehoben - da hast du recht. ;-)
    Vielleicht lässt es sich ja verschieben?


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Vielen Dank, Milla:-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Danke für die Rezension! :-)


    Kann mir jemand sagen, ob die "Geistererscheinung" der kleinen Kate (so habe ich das in der Rezension verstanden) weiter behandelt (und aufgeklärt) wird? Oder wird das nur so erwähnt und ist für die Handlung irrelevant?

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

  • Das hört sich alles extrem interessant an. Leider ist mein SUB viel zu hoch und ich faste daher bis weit in den September hinein. Falls ich es dann immer noch lesen mag, muss ich es mir wohl zulegen. ;-)

  • Zitat

    Original von Zimööönchen


    Kann mir jemand sagen, ob die "Geistererscheinung" der kleinen Kate (so habe ich das in der Rezension verstanden) weiter behandelt (und aufgeklärt) wird? Oder wird das nur so erwähnt und ist für die Handlung irrelevant?


    Am Ende klärt sich alles auf und der Leser erfährt, "Was mit Kate geschah". Es bleiben eigentlich keine Fragen offen, zumindest war das bei mir so.

  • Eine traurige Geschichte um Vereinsamung erzählt uns Catherine O'Flynn hier. Sie wählt den bösen Kniff, das wir viel über Kate erfahren, ihre Sicht der Dinge kennenlernen. Das macht es um so schlimmer, das sie plötzlich verschwunden ist.


    Ein düsteres, eindringliches Buch, das ich nicht jedem empfehlen würde. Es hebt sich durch seine Thematik und Sprache von der breiten Masse wohltuend ab. Aber es bedrückt auch. Mich hat es auf eine ganz eigene Art berührt. An Kate werde ich noch eine ganze Weile denken.

  • Ein tolles Buch, eines der besseren, die ich in diesem Jahr bisher gelesen habe! Die Sprache der Autorin ist ungemein erfrischend, originell, nicht bemüht oder anstrengend. Trotz der durchgängig beklemmenden Stimmung blitzt immer wieder ein herrlicher trockener Humor durch. Auch an Spannung mangelt es nicht, ich empfand ein paar Szenen als sehr fesselnd.


    Auch originell finde ich die Erzählweise. Es werden Geschehnisse, Erinnerungen und Gedanken aus den Perspektiven der Hauptfiguren erzählt, aber im zweiten Teil kommen auch viele anonyme Personen, die sich im und ums Einkaufszentrum aufhalten, zu Wort. Das ist dann kursiv gedruckt und mit Überschrift versehen, z.B. "Anonyme Frau, Sainsbury-Parkplatz". Es folgen die Gedanken der jeweiligen Person, die diese gerade hat, die mal skurril (der Testeinkäufer!), meistens aber sehr deprimierend sind. Fast alle diese Stimmen zeugen von großer Einsamkeit und Verzweiflung.


    Kate, dieses Außenseitermädchen, das "brennt" wie sonst niemand in ihrer Umgebung, wird nach fast zwanzig Jahren für mehrere Figuren in diesem Roman zum Anlass, das eigene Leben genauer anzuschauen, verdrängtes hervorzuholen, sich den eigenen Ängsten und Wünschen zu stellen - vor allem bei Lisa und Kurt kann man regelrecht von einem Aufwachen reden.


    9 Punkte von mir für dieses besondere Buch! Im Januar erschien ein weiteres von der Autorin, "Der vierte Versuch", wie Amazon mir verraten hat. Auch das spricht mich vom Thema her erstmal an. Jedenfalls ist es gut zu wissen, dass es von ihr noch etwas auf Deutsch gibt.

  • Gebundene Ausgabe: 270 Seiten
    Verlag: Atrium-Verlag, Hamburg (März 2009)
    Preis: variabel da bei Amazon nur noch über Marketplace erhältlich


    Autorin


    Catherine O'Flynn, geboren 1970 in Birmingham, arbeitete u.a. im Plattenladen, bei der Post, als Lehrerin und als Testkäuferin, bevor sie ihren ersten Roman schrieb. Für "Was mit Kate geschah" gewann sie 2008 auf Anhieb den Preis für das beste Debüt beim renommierten Costa Book Award. Es folgte zahlreiche weitere Literaturpreise. Der Roman wurde in 24 Sprachen übersetzt und von der Presse hymnisch besprochen. Nach einigen Jahren in Barcelona lebt Catherine O'Flynn heute wieder in Birmingham.


    Kurzbeschreibung


    Birmingham 1984: So oft sie kann, setzt sich die 10-jährige Kate mit Mickey, ihrem Stoffaffen, in den Bus und fährt hinaus in das große Einkaufszentrum Green Oaks. Als Detektivin spürt sie dort den dunklen Geheimnissen der Kunden nach und verfolgt »Verdächtige« bis in die letzten Winkel des Konsumtempels, der ihr mittlerweile vertrauter ist als ihr Zuhause. Doch dann verschwindet sie von einem Tag auf den anderen spurlos. Zwanzig Jahre später machen sich zwei ihrer mittlerweile erwachsenen Freunde von einst noch einmal auf die Suche, um herauszufinden, was damals wirklich geschah…


    Meine Meinung


    Gleich vorneweg damit es zu keinen Missverständnissen und falschen Erwartungen kommt: Dieses Buch ist alles andere als ein Krimi oder eine Geistergeschichte, obwohl der Klappentext dies suggeriert. Ich würde das Buch eher unter Belletristik oder Zeitgenössische Literatur einordnen und ja die Kurzbeschreibung stimmt erstaunlicherweise trotzdem!


    Da ist dieses ernste Mädchen mit den traurigen blauen Augen, die einem folgen, die immer beobachten. Kate Meaney, eine Detektivin die beinahe unsichtbar durch die Etagen des Shoppingcenters Green Oaks patrouilliert und Sachen sieht, die sonst niemand bemerkt. Gewissenhaft notiert sich die 10-jährige alles in ihrem streng geheimen Ermittlungsnotizbuch und bespricht die beobachteten Vorkommnisse mit ihrem Partner Mickey, ihrem Stoffaffen. Aber psssst, das mit Mickey ist höchst vertraulich und darf nicht weiterverbreitet werden. So verbringt Kate ganz in Gedanken versunken ihre gesamte Freizeit im Einkaufszentrum, beseelt von der Vorstellung ein Verbrechen das sich in jedem Moment ereignen könnte zu beobachten und der Polizei anschliessend als verlässliche Zeugin zu dienen.


    Der zweite Abschnitt des Romans spielt dann zwanzig Jahre später und wir verlassen auf einen Schlag Kates wundersame Welt. Für mich ein herber Verlust, ich hätte die sympathische Kate und ihre bemerkenswerten Gedankenspiele gerne noch viel viel länger begleitet. Noch immer spielt sich alles im Einkaufscenter Green Oaks ab und dieses nimmt als solches sogar die eigentliche Hauptrolle ein. Lisa, Kurt und Gavin stehen mit ihrem Lebensporträt stellvertretend für die Anonymisierung und Einsamkeit unserer konsumorientierten Gesellschaft. So wie Kate zu Beginn, erweist sich nun die Autorin als scharfe Beobachterin und sie weiss ihre Erkenntnisse brillant und eindringlich niederzuschreiben. Es wirkt sprachlich leicht aber sie dringt bis ganz tief ins Mark ein und bringt verdrängte Wahrheiten, geplatzte Träume und so manche Lebenslügen ans Licht.


    Im dritten Teil löst sich die Geschichte um die vor zwanzig Jahren verschollene Kate auf und ich weiss nun „Was mit Kate geschah“. Aber dies darf und werde ich hier natürlich nicht schreiben.


    Dieser Roman ist ganz anders ist als ich erwartet habe und er hat mich deutlich mehr berührt als ich ehrlicherweise zugeben möchte. Ich bin immer noch daran über das Gelesene nachzudenken und das ein oder andere will mir nicht aus dem Kopf gehen... Ein Buch das beim Leser etwas auslöst, ein grösseres Kompliment kann man einem Roman wohl nicht machen. Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt weiter und bin noch nicht ganz sicher ob ich 9 oder die vollen 10 Punkte vergeben soll.


    Edit: Schreibfehler korrigiert und kleinere Umformulierungen vorgenommen

  • Das Buch ist übrigens seit März 2011 auch als Taschenbuch erhältlich. Das Cover ist scheusslich und passt ganz und gar nicht zum Inhalt, mal abgesehen davon das ein Einkaufszentrum eine zentrale Rolle spielt. Derjenige vom btb Verlag der dieser wundervollen Geschichte dieses nichtssagende und banale Cover verpasst hat sollte sich schämen. Zum Glück habe ich die Gebundene Ausgabe vom Atrium Verlag.

  • Zitat

    Original von sapperlot
    Derjenige vom btb Verlag der dieser wundervollen Geschichte dieses nichtssagende und banale Cover verpasst hat sollte sich schämen.


    Dass die Verantwortlichen bei btb ein besonderes Talent für unpassende Covergestaltung haben, ist mir schon öfter aufgefallen ...


    Und danke für die tolle Rezi!
    Da kriege ich glatt Lust, das Buch nochmal zu lesen :gruebel

  • sapperlot, schön, dass Dir das Buch auch so sehr gefällt!


    Du schreibst:


    Zitat

    Original von sapperlot
    Ein Buch das beim Leser etwas auslöst, ein grösseres Kompliment kann man einem Roman wohl nicht machen.


    Es ist ja leider wirklich so, dass es Bücher gibt, die gar nichts bei einem auslösen, außer vielleicht Ungläubigkeit darüber, dass ein Verlag das veröffentlicht hat und Amnesie über den Inhalt einen Tag nach Lektüreende.


    Das Taschenbuchcover finde ich auch sehr hässlich - hatte mir deshalb auch lieber das gebundene gekauft, was ich zum Glück gebraucht bekommen habe.


    Obwohl mir "Was mit Kate geschah" sehr gefallen hat, bin ich bisher noch nicht allzu erpicht darauf, den zweiten Roman der Autorin zu lesen, weil der auch wieder sehr düster zu sein scheint.

  • Ich habe nun auch "Der vierte Versuch" gelesen - es ist wieder ein besonderes Buch, das einen nachdenklich und manchmal traurig macht, aber auch zum Lachen bringt. Insgesamt habe ich es als etwas deprimierend, aber gleichzeitig sehr schön empfunden - die Autorin hat einen wachen Geist und schreibt sehr menschenfreundlich. Zu einer Rezension kann ich mich zur Zeit nicht durchringen, daher nur diese kurze Äußerung. Ich empfehle das Buch und hoffe, dass Catherine O'Flynn weiterhin schreiben und vor allem veröffentlichen wird.


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