Unterwegs von Deutschland nach Deutschland – Günter Grass

  • Tagebuch 1990


    Steidl Verlag, 2009
    Gebunden, 258 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Ein sehr persönliches Dokument wird zur spannenden Zeitreise: Seit fast zwanzig Jahren bekommt Günter Grass von seinem Verleger Blindbände geschenkt, Bücher mit leeren Seiten, die er mit ersten Fassungen seiner Texte füllt. Und er nutzt sie als Tagebuch und damit als Nährboden für seine Ideen. Mit dem Jahr 1990 begann Grass sein bis heute anhaltendes intensives No tieren. Nach dem Mauerfall war Deutschland im Umbruch, und Günter Grass wollte nah dran sein an der Stimmung unter den Menschen und den politischen Debatten. Er war viel unterwegs in der Noch-DDR, war präsent, wo über die Zukunft und den Prozeß der Wiedervereinigung gesprochen wurde, pflegte einen regen Austausch mit seinen Kindern und Freunden. Das Tagebuch von Günter Grass gibt Einblicke in den Alltag eines Zeitgenossen, der im Bewußtsein des historischen Moments leidenschaftlich lebt und streitet. Es steckt voller Begegnungen, Beobachtungen und Gedanken; Ideen zu späteren Erzählwerken keimen hier auf und entfalten sich. Das Tagebuch ist ein erzählerisches Protokoll aus einer Zeit, da die Geschichte wieder mächtig in Bewegung geraten war.


    Über den Autor:
    Günter Grass, 1927 in Danzig geboren, Schriftsteller, Bildhauer, Grafiker, erhielt 1999 den Nobelpreis für Literatur. Zuletzt erschienen seine autobiographischen Bücher Beim Häuten der Zwiebel und Die Box.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch stellt zwar den Mauerfall und die Wende als Thema in den Vordergrund, doch da es sich um ein Tagebuch handelt, wird der Leser auch dem Menschen Günter Grass und dessen Werk in dieser Zeit begegnen.


    Unkenrufe ist das aktuelle literarische Werk, Totes Holz (Zeichnungen) sein künstlerisches Projekt. Er schreibt auch an einer Frankfurter Rede mit dem Titel Schreiben nach Auschwitz.


    Interessant zu lesen, dass er bei Unkenrufe zuerst mit dem Titel schwankte, auch an den Titel Krebsgang dachte, den er später für ein anderes Buch benutzte.


    Man erfährt von Grass Reisen, seinen Treffen mit anderen Schriftstellern wie Christoph Hein, Peter Bichsel, Peter Rühmkorf, Kenzaburó Oe, Peter Härtling oder Erich Loest und von seiner Lektüre, wie z.B. Philip Roth, dessen Buch Gegenleben er aber nicht schätzt, da es zu Ich-Bezogen ist. Tolstois Kreuzersonate, Amos Oz „Im Lande Israel“ oder Salman Rushdies Satanische Verse gefallen ihm deutlich besser, obwohl er später doch auch mit Rushdies Stil Probleme hat.


    Manchmal wird auch deutlich, dass Grass an die Vergangenheit in wehmütiger Form denkt.
    In Dobris treffen sich die Reste der Gruppe 47:
    Hans Werner Richter war schon da mit löcherigem Gedächtnis. Andere kamen: Jürgen Becker, Jochen Schädlich, Milo Dor … Bei mir reißt Melancholie ein. (Seite 104)


    Immer wieder reflektiert Grass auch die aktuelle politische Situation, stets aus seiner Sicht!
    Abschließend und global der Beginn des Golfkriegs.


    Interessante Abschnitte handeln von intensiven ersten Überlegungen von „Ein weites Feld“, sein großer Fontane/Tallhover-Roman.


    Das Tagebuch ist in einem angenehmen Stil gehalten, offensichtlich für die Veröffentlichung gut aufbereitet.


    Das Buch ist vom Steidl-Verlag und Günter Grass selbst wieder hervorragend gestaltet. Zum Beispiel sind 20 Zeichnungen von Grass in dem Buch enthalten.