The Power of the Dog spielt vor dem Hintergrund des lateinamerikanischen Drogenhandels mit Hauptabsatzmarkt USA und seiner Bekämpfung über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten. Der Amerikaner Art Keller war als Agent der CIA in Vietnam an Operation Phoenix beteiligt, 1975 wechselt er zur neu gegründeten DEA. War on Drugs, der Krieg gegen Drogen ist das neue politische Schlagwort. Mitte der siebziger Jahre nutzen die USA ihren Einfluss, um mexikanische Cannabis- und Schlafmohnfelder mit Pflanzengift zu zerstören. Damit schadet man aber nicht nur den Drogenbaronen, sondern auch den Campesinos, die mit der Bearbeitung der Felder ihren nicht üppigen Lebensunterhalt verdienen, als Nebeneffekt werden auch Lebensmittelfelder vergiftet.
Da sich die USA und Mexiko eine zweitausend Meilen lange Grenze teilen, hat Don Miguel Angel Barrera die geniale Idee, dass Mexiko sich aus dem Drogenanbau zurückzieht und sich ganz auf den Handel konzentriert. Mit einigen weiteren Drogenbaronen gründet er die Federación, das Mexikanische Staatsgebiet wird zwischen ihnen in Machtbereiche aufgeteilt, statt im Anbau zu konkurrieren, kooperieren sie nun beim Transport und Handel. Die neue Geschäftspolitik ist das Mexikanische Trampolin. Die in Kolumbien und weiteren südamerikanischen Ländern angebauten Drogen werden über Honduras und Mexiko in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Miguel Barreras Neffe, Adán Barrera, wird in den folgenden Jahren die Geschäftspolitik weiter verfeinern und die Gewinne weiterhin vergrößern, während dessen Bruder Raúl für Einschüchterung und Mord zuständig ist.
Plata o plomo - Silber oder Blei, vor diese Wahl werden alle Beteiligten gestellt, seien es Polizisten, Politiker oder alle Teile der Bevölkerung, die mit dem Drogenhandel und den Drogenhändlern in Berührung kommen. Sie haben die Wahl ein großzügiges Bestechungsgeld anzunehmen, andernfalls kommt Raúl Barrera mit seinen Sicarios zu Besuch. Ob als Folge der Brutalität der Kartelle, oder schon aus der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Historie - die mexikanische Gesellschaft ist zutiefst korrupt und Mord ist an der Tagesordnung.
Macht und Wohlstand in den lateinamerikanischen Ländern liegt seit Jahrhunderten in den Händen einer sehr kleinen Oberschicht, es gibt eine kleine Mittelschicht, während die Mehrheit der Bevölkerung Bauern oder Arbeiter sind. Linksgerichtete Politik zur Verbesserung der Lebensumstände der mittel- und lateinamerikanischen Bevölkerung durch Arbeiterparteien ist daher durchaus nachvollziehbar. Die USA wiederum haben panische Angst vor dem Kommunismus vor ihrer Haustür, nachdem sie sich schon mit Fidel Castro auf Kuba arrangieren müssen. The Power of the Dog behandelt auch die Einmischung der USA in die Innenpolitik lateinamerikanischer Länder, hauptsächlich in der 1970ern und 80ern.
In welchem Ausmaß die Verquickung der Politik in den Drogenhandel - der mexikanischen Politik ebenso wie der US-Amerikanischen - der Wahrheit entspricht, oder wo die künstlerische Freiheit des Autors in der Darstellung der Ereignisse beginnt oder endet, kann ich nicht beurteilen. Viele Stichworte und ihre historische Realität sind aber bekannt: Iran-Contra-Affäre, Contra-Krieg in Nicaragua, Todesschwadronen in El Salvador, Operation Condor.
Adán Barrera ist nicht unglücklich über den Umstand, dass die Drogenpolitik der westlichen Länder so restriktiv ist. Warum den Konsumenten nicht geben, was sie verlangen. Ein Teil-Verlust der Ware durch Zoll und Razzien ist durchaus zu verschmerzen, da das Drogenverbot die Preise eines Produktes, das auf Feldern wächst, so exorbitant in die Höhe treibt und den Kartellen Milliardengewinne bringt.
Art Keller versucht über drei Jahrzehnte das Barrera Kartell zu zerstören. Am Ende rekapituliert Keller recht zynisch, dass The War on Drugs eigentlich eine Farce ist. Solange die Nachfrage nach Drogen besteht, wird auch das Angebot bestehen und die Mittel zur Eindämmung des Drogenhandels sind nie ausreichend - oder richtig verteilt. Auch in der Politik wird War on Drugs inzwischen als gescheitert angesehen.
Auf mehr als fünfhundert Seiten bietet The Power of the Dog eine spannende und auch sehr informative Geschichte vor dem Hintergrund realer Ereignisse mit einer Vielzahl von Charakteren, zentrale Figuren sind Art Keller und Adán Barrera. Die oben genannten historischen Stichworte waren mir bekannt, allerdings nur oberflächlich. Don Winslow gelingt es mit seinem Plot, die Ereignisse in einen Kontext zu bringen. Das Ausmaß der Handlung und die geschickte Verknüpfung mit den realen Ereignissen innerhalb von mehreren Jahrzehnten ist schon episch zu nennen. Die Darstellung in The Power of the Dog ist oft ziemlich brutal, schockierend daran ist gerade, dass es realistisch ist.
The Power of the Dog ist das erste Buch, das ich von Don Winslow gelesen habe und sicherlich nicht das letzte. Vielleicht ist es sogar sein Meisterstück, denn diese Komplexität zu wiederholen wird schwer sein. Auch sein Schreibstil (in der amerikanischen Originalversion) hat mir sehr gut gefallen. Für mich ist das Buch ein starker Kandidat zum Jahreshighlight.
Zehn Punkte
Edit: Endlich gibt es auch die deutsche Übersetzung, unter dem Titel "Tage der Toten".
Ich habe den Link mit Titelbild zur englischen Ausgabe, die ich gelesen habe, hier mit dem Link zur deutschen Ausgabe ausgetauscht. Die englische Originalversion habe ich in meinem nächsten Post verlinkt.
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