Herr Mozart wacht auf - Eva Baronsky

  • Aufbau-Verlag
    Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
    Juli 2009


    Kurzbeschreibung:
    Der Mann, der sich nur daran erinnert, am Vorabend als Wolfgang Amadé Mozart auf dem Sterbebett gelegen zu haben, kann sich die bizarre Umgebung nicht erklären, in der er erwacht: Musik ohne Orchester, Fuhrwerke ohne Pferde, Licht ohne Kerzen. Ist er im Vorhof zur Hölle oder im Paradies? Nach und nach begreift Wolfgang, dass er sich nicht im Jahr 1791, sondern 2006 befindet, und er kann sich die Ungeheuerlichkeit seiner Zeitreise nur mit einem göttlichen Auftrag erklären: Er soll sein Requiem beenden. Als lebender Anachronismus versucht Wolfgang, sich im modernen Wien zurechtzufinden, und scheitert an U-Bahntüren und fehlenden Papieren. Einzig die Musik dient ihm als Kompass, mit dem er sich durch die erschreckend fremde Welt tastet. Zur Seite stehen ihm ein polnischer Stehgeiger, das Mädchen Anju und der Jazz. Und immer drängender wird die Frage, was Wolfgang erwartet, wenn er sein Requiem vollendet hat. Dieser Roman ist ein göttlicher Spaß, verblüffend, hintersinnig und tragikomisch, und am Ende fragt man sich, welche Zeit überhaupt die richtige ist für ein Genie.


    Über die Autorin:
    Eva Baronsky, 1968 geboren, studierte Innenarchitektur und Marketing-Kommunikation und war zuletzt selbständig als Beraterin für Kommunikation und Journalistin. Sie lebt im Taunus. "Herr Mozart wacht auf" ist ihr erster Roman.


    Meine Meinung
    Dieser Erstlingsroman ist ebenso präzise wie leicht geschrieben, dass das Lesen wirklich zur reinen Freude wird.
    Praktisch jede Seite steckt voller Wortwitz, überraschenden Wendungen und Situationskomik. Der Roman ist durchzogen von der Persönlichkeit und dem Esprit Mozarts.


    Mozart, der nach seinem Tod nicht im Jenseits sondern im Wien 2006 erwacht, erlebt die ihm sogleich bekannte wie fremde Umgebung voller Faszination und Verwunderung.


    Das besondere an dieser Ausgangsposition ist, dass der Leser Mozart begleitet und mit ihm diese merkwürdige Welt mit anderen Augen sieht.


    Mozart hat Glück und trifft in dieser zu modernen Zeit gute Freunde: den polnischen Geiger Ptor, der ihn aufnimmt und dann die WG-Bewohnerin Anju, in die er sich verliebt.
    Es ist ganz wunderbar, wie Mozart die Welt der Musik wahrnimmt, die Tatsache, so auch die Tatsache, dass er selbst noch so bedeutend ist, schließlich entdeckt er sogar den Jazz. Die ganze Zeit komponiert er, tritt im Blue Notes als Jazzmusiker auf und erhält auch als klassischer Pianist ein Engagement. Diese Musikalität durchdringt auch den Text.


    Mozart komponiert an seinem unvollendeten Meisterwerk Requiem weiter, diese Noten gehen erst verschollen und sorgen dann für Aufsehen in den Mozartfachkreisen.
    Für Mozart tun sich zeitgleich neue Schwierigkeiten auf, den er hat keinen Ausweis und das in der Bürokratie der heutigen Zeit ein unüberwindliches Problem.


    "Herr Mozart wacht auf" ist als Urlaubsbuch absolut geeignet, erst Recht, wenn die Fahrt nach Österreich gehen sollte.


    Nach diesem überzeugenden Debüt hofft man auf weitere Bücher von Eva Baronsky.

  • Mozart ist zwar eigentlich nicht so sehr mein Fall, aber das Buch werde ich mir wohl trotzdem zulegen und lesen müssen.


    Danke für die Rezi, das klingt genau nach einem Buch für mich. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Vom Titel her hätte ich nicht gedacht, dass das Buch was für mich ist - aber so wie du es schreibst, klingt es ja doch ganz interssant ... und wenn das Buch bei dir auch noch so einen guten Nachklang hinterlassen hat :gruebel


    Danke jedenfalls auch von meiner Seite für die Rezi! :wave

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Meine Rezension
    Herrn Palomars Rezi ist schuld daran, daß ich das Buch beinahe in einem Rutsch durch hatte.... und ich kann mich seiner Begeisterung über dieses nette Mozartbuch nur anschließen! :-]


    Eben war er noch so gut wie tot. Und plötzlich ist er doch wieder am Leben und im Leben. Doch in was für einem Leben? Und wann findet das statt? Es dauert, bis der „wiederauferstandene“ Mozart merkt, dass sich alles um ihn herum geändert hat und in welcher Zeit er nun lebt. Mit der Technik von heute hat er so seine Probleme, doch wo auch immer Musik gespielt wird, findet er sich zurecht, das ist seine Welt, egal in welchem Zeitalter. So lernt er den Straßenmusiker Piotr kennen und schätzen, mit dem er zusammen einige Engagements erhält, um sich über Wasser zu halten…


    Sein ganzes Leben und Denken kreist um die Musik – niedlich fand ich, wie er „heute“ seine damaligen Mitstreiter bewertet und interessiert studiert, wer sich auch nach 200 Jahren noch hält und wer zu Recht in der musikalischen Versenkung verschwunden ist.


    Das Buch besticht auch durch die nette verschrobene und altmodische Ausdrucksweise, so fühlt Mozart sich z.B. inkommod etc. Ich mag diese verstaubte Sprache.


    Ein sehr interessanter Erstling für alle, die Musik lieben und für alle, die Autoren mögen, die wiederum ihre Protagonisten mögen. Eine Autorin, die man sicher im Auge behalten sollte.


    Ein paar Stellen sind mir ein wenig zu lang geraten, aber da das Buch ansonsten rund ist, habe ich das der Autorin gerne verziehen und kann mich der Leseempfehlung nur anschließen. Bezaubernd.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ja, ich habe mich auch verführen lassen und das Buch auf meine Wunschliste gesetzt. :grin


    Danke für die schöne Rezension, Herr Palomar :-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Edit: Ich habe diesen Beitrag gelöscht, weil er doppelt war :-(



    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Zitat

    Original von Nachtgedanken
    da geht er hin, mein schwer erarbeiteter 25 €-Gutschein von amazon....


    :rofl
    Das Buch ist auch mein Beuteschema, würdest Du es vielleicht zu mir wandern lassen? *ganzliebguck*

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Meine Meinung:
    Ein schönes Buch ist es, das den Titel „Herr Mozart wacht auf“ trägt. Ein Buch, das mit dem mit spielt, was wir über Wolfgang Amadé Mozart wissen und was wir meinen, über ihn zu wissen. Ein Buch, das ein bisschen daherkommt wie eine Melodie des musikalischen Genies: ein gut Stück heiter, und doch ist da auch dieser dunkle Ton der Melancholie und jener der Bitterkeit. Ein Buch, dessen Sprache mich begeistert hat, auf der einen Seite die moderne Stimme für das Hier und Jetzt und auf der anderen Seite jene, die Mozart gehört, die vielleicht nicht so einfach zu lesen ist, aber sagt sie nicht viel schöner und eindeutiger, was zu sagen ist?


    Die Kapitelüberschriften stimmen mit denen der Sätze des Requiems überein, wobei die Sequenz und das Offertorium auch im Buch wieder unterteilt sind in „Dies irae“ etc. Wie viele Menschen haben sich wohl seit langer, langer Zeit gewünscht, Mozart hätte das Requiem zu Ende komponiert? Die Idee, ihn deshalb wieder „aufwachen“ zu lassen, hat etwas bezwingendes; auch der Gedanke, dass der Genius Mozarts zu allen Zeiten zum Tragen kommen würde, ist für mich ebenso tröstlich wie beruhigend.


    Ein paar Momente sind in dem Buch, die mir fast den Atem geraubt haben, so jene Aussage Piotrs, wenn er „Musik von Wolfgang“ höre, „denke ich, ist er kleine Bruder von liebe Gott“ (Seite 178). Kann man es besser auf den Punkt bringen? Welch berührenden Sätze im Lacrimosa, im Sanctus, im Benedictus, zeigen sie doch deutlich, wie ein Mensch zu leiden imstande ist, an der Liebe und am Leben, an jenen so besonderen Umständen, denen er ausgesetzt ist. Jene Passagen, in denen Mozart als Insasse eines „Tollhauses“ sein Leben fristen muss – besonders im Communio -, haben mir, ich gestehe es, die Augen feucht werden lassen. Wie gehen wir mit jenen um, die „anders“ sind, die scheinbar nicht „der Norm entsprechen“, die etwas an sich haben, was wir nicht verstehen? Was würde heute aus ihm gemacht, welche Maschinerie der Werbung, welcher Wettbewerb der Manager und Agenten, welchen Ansturm der Konzertveranstalter hätte er zu ertragen. Und ganz leise weht auch die Mahnung Dostojewskis (in „Der Großinquisitor“) zwar wie aus weiter Ferne, aber dennoch sehr präsent durch meine Gedanken.


    „Herr Mozart wacht auf“ hat mich oft lächeln lassen, nicht zuletzt anlässlich der leisen Kritik die CD-“Büchlein“ (Seite 74) betreffend oder auch bei Mozarts Gedanken, als er die Werke anderer, nach ihm geborener Komponisten anhört. Seinen Unwillen, was die verschiedenen Interpretationen bezüglich seiner F-Dur-Sonate betrifft, habe ich mit großer Sympathie gelesen. Wohl nicht nur ich frage mich hin und wieder bei manch Gehörtem und Gesehenem, wie viel vom Komponisten da wohl noch drinsteckt oder was da interpretiert bzw. inszeniert wird. Eine Frage aber bleibt für mich, einem Rätsel gleich werde ich ihr nachspüren müssen, nämlich: Wer ist sie, jene „Frau als Pianistin“ (Seite 242), die Gnade vor seinen Ohren gefunden hat – wobei ich ja nur hoffen kann, Eva Baronsky hätte diese „Kleinigkeit“ nicht als Kunstgriff gebraucht? Zwei fielen mir ein, Clara Haskil heißt die eine, Ingrid Haebler die andere.


    „Mir ist die Ehre widerfahren...“, das ist zwar nicht von Mozart, sondern von Richard Strauss und aus seinem Rosenkavalier, und „eine silberne Rose“ habe ich auch nicht, aber dafür zehn Punkte, die, so meine ich, dem Buch und seiner Autorin gut zu Gesicht stehen – denn ist es nicht „...wie ein Gruß vom Himmel...“.

  • Ich habe das Buch gestern in einem Rutsch verschlungen :-]
    Obwohl es mit einer Leichtigkeit geschrieben wurde, ist es auf keinem Fall seicht.
    Ich habe mich des öfteren köstlich amüsiert und mußte laut los lachen.
    Eigentlich ist unser Wolfgang Amadé Mozart ja eine arme Sau, denn er findet sich 200 Jahre später so gar nicht zurecht in seiner Stadt Wien.
    Steht er doch vor seinem Haus in dem er mit Constanze und den Kindern gewohnt hat und muss feststellen, dass es längst abgerissen ist. Man fühlt und leidet mit ihm mit und wie bei einem echten Musiker, wird auch die Liebe fanatisch ausgelebt :lache


    Meine absolute Lieblingsfigur war Piotr der polnische Geiger :anbet


    Wie schon Batcat treffend geäußert hat, besticht der Roman durch die nette verschrobene altmodische Ausdrucksweise, mit der Mozart unfreiwillig komisch von einem Fettnäpfchen in das nächste stapft.
    Der Roman ist bei weitem nicht nur komisch, er hat eine klare Aussage die streckenweise tragisch daherkommt und mich des öfteren nachdenklich zurückgelassen hat.


    Einmal angefangen mit lesen kann man sich schwer diesem Gefühl, das man beim Lesen entwickelt, enziehen und muss Seite um Seite atemlos umblättern.
    Sämtliche Personen im Buch waren facettenhaft & Liebevoll gezeichnet und absolut glaubhaft dargestellt.


    Um es mal österreichisch zu sagen: Es geht sich naus, dass dies mein Monatshighlight August werden wird.


    Diese Tragikkomödie hat die 10 Punkte mehr als verdient.

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    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Dieses Buch muss ich mir auch unbedingt kaufen. Ich hätte es schon getan, aber kein Buchhändler vor Ort hatte es in der letzten Woche im Sortiment. Da muss ich mich wohl an Amazon halten.


    Das Buch war übrigens aus irgendwelchen Gründen unter "unbekannter Autor" im Verzeichnis, ich habe das jetzt korrigiert.

  • Besonder schön ist es, beim Lesen das Requiem zu hören. Oder man hört es sich vorher ein paar Mal an, damit man es "im Ohr" hat.


    Eva schafft es, dass man Musik hört beim Lesen. Und allein sprachlich ist es ein Genuss.
    Natürlich gibt es auch ausgesprochen komische Momente. Klar, wenn jemand aus dem 18. Jahrhundert über unsere Welt stolpert.


    Kleine Warnung: Wenn man es in öffentlichen Verkehrsmitteln liest, wird man merkwürdig angeschaut.

  • Was für ein herrliches, leichtfüßiges Buch!
    Herr Mozart liegt auf dem Sterbebett, er wacht dort aber nicht im Jenseits auf, sondern im Jahre 2006. Selbstverständlich ist die Umgebung für ihn völlig fremd und bizarr -so macht er gleich am Anfang die Bekanntschaft mit einem Radio oder einer CD.
    Er kommt in eine für ihn bizarre Situation in die andere und muss feststellen, dass es besser ist, seine wahre Identität zu verbergen - schließlich ist er für die Gegenwart schon eine Weile tot.
    Mozart trifft auf gute Freunde: da ist der Geiger Pjotr, der sich illegal in Wien aufhält und ihn in seine Wohnung aufnimmt , sowie auch Anju, in die Mozart sich verliebt.
    Dabei kommt Mozarts Charakter durchaus zum Vorschein. Er kann nicht mit Geld umgehen, seinen oft derben Witz und seine Albernheit, aber auch, wie er die Welt durch die Musik sieht.
    Er komponiert, tritt in einem Jazzlokal auf und tritt auch bei einem Konzert als klassischer Pianist auf.
    Mozart trifft auch auf Schwierigkeiten, hat er doch keinen Pass.
    Der Roman ist einfach sehr amüsant geschrieben, ich musste sehr oft schmunzeln.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Und ich wollte doch meine Buchkäufe erst mal reduzieren....
    Aber da gestern meine Schwester unseren neuen Kanarienvogel "Amadeus" getauft hat, deute ich das einfach mal als Wink des Schickslas zum Kaufen.. .:grin Ich lass mich ja so gerne vom Schicksal überzeugen.

    Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte "Wo kämen wir hin" und niemand ginge, um zu sehen, wo wir hinkämen, wenn wir gingen.
    :fechten