Doris Lessing: Das fünfte Kind. (OT: The Fifth Child) TB, 220 S. btb/Goldmann 3.Aufl. 1997. ISBN: 3-442-72075-3; Preis: EUR[D] 8,50 / EUR[A] 8,80 / SFr 15,80.
Der Verlag über das Buch:
Harriet und David fühlen sich zu einem gemeinsamen Leben bestimmt. Heirat, möglichst viele Kinder und ein eigenes Haus, Mittelpunkt sein für eine große, glückliche Familie. Darin sehen die beiden ihre Erfüllung. Die turbulente Unstetigkeit der wilden Sechziger, in denen ihre Geschichte beginnt, lehnen sie aus tiefer Überzeugung ab.
Das Haus ist bald gefunden, und Jahr für Jahr bringt Harriet ein Kind zur Welt. Das Glück scheint vollkommen. Doch mit dem fünften Kind ziehen dunkle Wolken auf. Der kleine Ben ist mehr ein bösartiger und unberechenbarer Troll als ein menschliches Wesen. Er hat nichts Kindliches an sich und bleibt selbst für seine Mutter völlig unzugänglich.
Die Idylle zerbricht. Die weitläufige Verwandtschaft, die stets zu Weihnachten, Ostern und in den Sommerferien das große und gastliche Haus bevölkerte, bleibt immer öfter aus. Das Leben mit Ben wird zum Kampf mit dem Fremden und Animalischen im Menschen, mit der Unberechenbarkeit und Unbarmherzigkeit der Natur.
"Das fünfte Kind" ist mehr als die individuelle Geschichte Harriets und Davids, es ist eine hintergründige Fabel auf das Leben in der Gesellschaft, die oft das Dunkle und Abgründige in der Natur und im Menschen aus ihrem Selbstverständnis auszugrenzen sucht.
Über die Autorin:
Doris Lessing, 1919 im heutigen Iran geboren und auf einer Farm in Südrhodesien aufgewachsen, lebt seit 1949 in England. 1950 veröffentlichte sie dort ihren ersten Roman und kam 1953 mit „Eine afrikanische Tragödie“ zu Weltruhm. In Deutschland hatte sie ihren großen Durchbruch 1978 mit der Veröffentlichung von „Das goldene Notizbuch“, das seitdem zu ihrem Hauptwerk gezählt wird. Heute ist Doris Lessing eine der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart, ihr umfangreiches Werk umfaßt Lyrik, Prosa und autobiographische Schriften.
(Quelle)
Meine Meinung:
Sprachlich ist Das fünfte Kind ein sehr reifes Buch, geprägt von einer zurückhaltenden Lebensklugheit, die ihre Wirkung in der Schilderung der Ereignisse erzielt, nicht in schlauen Deutungen des Geschehens oder Urteilen über die Personen des Dramas.
Harriet und David, das Paar, das glaubte, in der bürgerlichen Idylle abseits des unberechenbaren Trubels seine Ideale verwirklichen zu können, muß das Eindringen des Anderen, Wilden, Störenden hinnehmen und sich damit auseinandersetzen, während sich all die, die zuvor in den Genuß dieses Idylls gekommen sind, sukzessive zurückziehen.
Geschickt entlarvt Doris Lessing nicht nur bürgerliche Ideale als zerbrechliche Konstrukte -- auch die antibürgerliche Arroganz, die die Erzählweise gelegentlich anklingen läßt, wird entlarvt; denn es ist Harriets unbedingter Wille, das Kind zu bändigen, der am Ende einen schmalen Weg zu Ben bahnt.
Sehr, sehr empfehlenswert