Eigentlich nichts eigenes von mir, aber ich wollte euch das nicht vorenthalten:
(Kurzerklärung: Hartmut El- Kurdi ist ein Braunschweiger Autor, der in dem Stadtmagazin "SUBWAY" einen besonderen Braunschweiger Bürger vorstellt- und zwar kein bißchen überzogen. Der beschriebene Typ steht mehrmals im Monat vor einem Einkaufszentrum und hält seine Reden )
Die aufgeschlagene Bibel in der Hand steht er im grauen Polyester-Anzug vor dem City Point, einem Einkauszentrum, die genau so aussieht, wie sie von der Bevölkerung ausgesprochen wird, vorne mit scharfem „Z“: Zitti Peunt.
Schon von weitem hört man seine schrille Predigt, so dass man vermuten möchte, er habe sich ein Gurkenhobel-Propagandisten-Mikrophon um den Hals gehängt und verstärke seine Stimme mit einem übersteuerten 15-Watt-Batterie-Gitarrenamp.
Aber der waschbetonerweichende Scheppersound kommt – technisch ist das nicht zu erklären – direkt aus seinem mit traurigen Ruinen gefüllten Prophetenmund, der einem spontan einen Song von Superpunk in den Kopf schließen lässt, in dem ein subproletarischer Entführer und Lösegelderpresser die Gründe für seine Tat erläutert: „Ich bin nicht böse geborn – Ich wollt nur neue Zähne für meinen Bruder und mich.“
Aber hier geht’s nicht um etwas so Oberflächliches wie neue Zähne, hier geht’s um ein neues Leben: „Kehrrret um! Kehrrret um zu Gott, ihr kleinen sexbesessenen Prostituierten!“, schnarrt er alttestamentarisch, und seine wie ein angebundener Hund neben ihm stehende Frau nickt stumm dazu. Sie sieht aus wie eine kasachische Großmutter und ist mit ihrem Kopftuch, dem Schürzenrock und den niedergeschlagenen Augen der Gegenentwurf zu den eben angesprochenen harmlos nuttig aussehenden, nabelgepiercten Teenies, die ob des aus heiterem Himmel auf sie hernieder regnenden verbalen Schwefelregens verstört stehen bleiben. Während zwei von ihnen nach Luft schnappen, wehrt sich die dritte empört: „Spinnen Sie? Gehense doch erstma zum Zahnarzt!“
Auf so was hat er nur gewartet: „Ihr eitlen Dinger, ihr seid so stolz auf eure schönen Zähnen, eure nackten Beine und eure...“ – er macht eine Pause und jetzt wird klar, wie seine assoziierende Predigttechnik funktioniert, sein wirrer Blick wandert suchend über die Backfisch-Körper, dann blecheimert er weiter – „...eure kleinen runden Popöchen, aber diese Eitelkeit ist Sünde! Ihr stellt eure Geschlechtsteile zur Schau wie läufige Hündinnen und wollt genommen werden, egal von wem...“
Pardon? Ja, genau das sagt er und man beginnt, das Problem des Predigers zu verstehen. Und man freut sich über so viel schamlose Eindeutigkeit in einer Welt, in der selbst die Nazis Kreide fressen und so tun, als bewürben sie sich um den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Eindeutig bleibend und immer noch auf die jungen Damen gezielt, macht er denn auch gleich sein zweitliebstes Fass auf: „Ihr seid wie die abartigen Homosexuellen, wegen denen auch schon das Römische Reich untergegangen ist, die sich auf den Straßen küssen und in der Öffentlichkeit kopulieren...“ – „Hast duse noch alle?“, brüllt ihm ein augenscheinlich schwuler Passant dazwischen. Aber auch die Anwesenheit des Satans beeindruckt den Prediger nicht: „Die Homosexuellen... diese von hinten aufgezäumten Pferde ... dieser Abschaum auf der Schleimsuppe des Lebens...“ – man kann nicht umhin, von den offensichtlich extemporierten, wirren, fast dadaesken Wortschöpfungen zumindest formal kurz beeindruckt zu sein – „...dieser Rückwärtsgang der Natur ... die gehören alle atomar ausgerottet!“
Für genau diese christlich-faschistischen Ausrottungsfantasien ist der gut siebzigjährige Gotteskrieger schon einmal als Volksverhetzer verurteilt worden, aber nichts könnte ihm wurschter sein. Und da man das weiß, erwischt man sich bei dem lächerlichen Gedanken, rüberzugehen und ihm wenigsten einmal, ganz unaufgeregt, nur so aus Anstandsgründen, eine symbolische Backpfeife zu geben, locker aus dem Handgelenk, gentlemanlike – doch da fühlt sich auch schon ein kurzbehoster Bierproll von der gegenüberliegenden Abfüllstation berufen, das auf seine Art zu erledigen.
Er torkelt auf den Prediger zu, mumpft etwas von „Scheiße reden“ und „Fresse halten“ und als Moses sich davon nicht beeindrucken lässt, rempelt der Saufkopf ihn an und schüttet ihm den Inhalt seines Bierglases ins Gesicht. Die das Schauspiel beobachtenden Menge erschrickt mit einem lauten kollektiven Einatmer. Und es ist klar, jetzt muss man dazwischen gehen, denn auch bei Auseinandersetzungen zwischen Arschlöchern gilt die alte Westernregel: Menschen, die sich offensichtlich nicht wehren können oder wollen, sind zu schützen.
In diesem Moment jedoch erscheint die wohl schon zuvor gerufene Polizei und der Angreifer verschwindet schnell und feige.
Die Polizisten gehen nur kurz auf das biernasse Gesicht des Predigers ein, vor allem bitten sie ihn, seine Beschimpfungen zu unterlassen, es habe Beschwerden gegeben. Der Prediger trocknet sein Gesicht mit einem Taschentuch und sagt, er tue nur das, was Gott ihm befehle und setzt erneut an. Die Polizisten bitten ihn in ihren Wagen. Bereitwillig lässt er sich samt Gattin abführen. Noch lieber wäre es ihm allerdings, das ist seinem nur halbzufriedenen Gesicht anzusehen, er würde hier direkt vor dem City-Point ans Kreuz geschlagen. Mit langen rostigen Nägeln. Am liebsten von schwulen Römern.
Hartmut El- Kurdi
P.S.
Ich wurde gestern aufgrund meiner engen Hose plus Schuhe mit etwas höheren Absätzen von ihm als "Pornoartistin der Hölle" bezeichnet hahaha
Ich dachte ich höre nie wieder auf zu lachen.
Allerdings muss man dazu sagen, dass er wirklich massivst beleidigend ist, und wer ernsthaft die atomare Ausrottung der Schwulen fordert und damit eine zu Recht schon äußerst empfindliche Randgruppe angreift, der sollte sich nicht wundern, wenn er irgendwann mal richtig Ärger bekommt.