Alles eine Frage vom Stil ...

  • Guten Morgen!


    Sicher, Stil ist immer auch etwas, das mit persönlichen Gewohnheiten zu tun hat, mit Vorlieben und Geschmäckern. Was der eine gut findet, findet der andere schlecht und umgekehrt.


    Dennoch fiel mir heute früh beim Online-Zeitunglesen ein Artikel vor die Augen, wo ich dachte, meine Güte ... wie verantworten die das? Gibt es da keinen Redakteur, der die Journalistin mal ein bissl ausbremst?


    Diese Zeitung lese ich, weil sie mir täglich das "Neueste" aus meiner eigentlichen Heimat bringt. Ich werde sie auch weiterhin lesen, aber mir möglicherweise in Zukunft die Namen der Autoren ansehen, ehe ich die Artikel ausklappe, und ggf. vom Lesen Abstand nehmen ...


    Bin mal gespannt, ob jemand liest und merkt, auf welches Merkmal des "schlechten Stils" ich hinauswill. (Das Thema ist ein sehr aktuelles und leider auch schon bildzeitungsmäßig breitgelatschtes, sorry ...)


    Hier klicken für den Artikel, um den es geht


    Liebe Grüße
    Corinna

  • Weia. Das ist nicht schlechter Stil, sondern eine Komplettkatastrophe. Ich bin ja auch nicht unbedingt für verschwurbelten Satzbau, aber dieser Artikel ist durch seine abgehackten Minimalsätze unlesbar. *kopfschüttel*

  • Ja, zum Einen sinds die lakonischen Sätze, aber damit könnte ich vielleicht noch leben, wenns mir um den Inhalt ginge.


    Aber diese Formulierungen... :nerv



    Zitat

    "Ich habe gar nichts Ungewöhnliches gemerkt", ist sie fassungslos.


    Zitat

    "Ich habe gesehen, wie der Infopunkt und der große Baum auf dem Aussichtspunkt in die Tiefe gerutscht sind", konnte sie in dem Moment das Ausmaß der Tragödie nicht begreifen, "das hat keiner realisiert".


    Da hätte man doch wenigstens


    "Als sie gesehen habe, 'wie der Infopunkt und der große Baum auf dem Aussichtspunkt in die Tiefe gerutscht' seien, konnte sie das Ausmaß der Tragödie noch nicht begreifen. 'Das hat keiner realisiert.'"


    Ich bin kein Autor oder so, aber das könnte vermutlich sogar ich besser :chen

  • Auch als Nichtautorin verstört mich dieser Text.
    Der Artikel ist nicht harmonisch; beim Lautlesen will sich kein Rhythmus einstellen. Was mich am meisten irritiert, ist die Stellung der Verben nach den Zitaten. Beispielsweise 3.Absatz, 2.Zeile.
    Wahrscheinlich muss der Autorin zu Gute gehalten werden, dass ihr Schreibstil sich an das Mündliche ihrer Heimat angepasst hat. Ob das grundsätzlich druckreif ist, steht auf einem anderen Blatt.

  • Ich weiß nicht, aber im Allgemeinen benutzt man in der Umgangssprache doch ziemlich häufig das Verb "sagen".


    Was ich mir gut vorstellen kann ist, dass das irgendeine Praktikantin ist, der man vorher mitgeteilt hat, dass "sagen" zu ordinär für einen Zeitungsartikel ist.

  • Salonlöwin, das muss ich bestreiten - ich stamm ja auch von da, und so spricht da kein Mensch!


    Ich vermute auch, sie will einfach originell und eben NICHT im Slang der Heimat daherkommen - und fährt mit Vollgas an den Baum. Praktikantin, gut und schön - aber in welcher Ecke hat denn da der Redakteur gepennt????


    PS: Es gibt, ebenfalls heute, von derselben Autorin zum selben Thema noch einen weiteren Artikel - da geht es ETWAS besser, aber ich lass das mal lieber ;-)

  • Nein, das ist schon richtig, der Stil ist nicht originell. Er versucht krampfhaft, originell herüberzukommen. Sie verweigert alles, was "gewöhnlich" klingt, und ersetzt es durch, ihrer Meinung nach, "intelligente" Phrasen und Satzkonstruktionen.


    Ich würde den Text auch nicht als "lieblos" einstufen. Eher im Gegenteil. Der Text klingt für mich viel eher so, als sei er in stundenlanger Kleinstarbeit "totüberarbeitet" worden. Jede Leichtigkeit wurde ihm genommen, weil Leichtigkeit simpel und bäurisch klingt, und das wollte die Autorin nicht. Also hat sie alles, was beim Tippen vielleicht mal locker aus den Fingern lief, totgeschlagen und durch Stolpersteine ersetzt, die ihrem Text ein "intelligentes" Gesicht geben sollen. Und hat danebengehauen.

  • Ja, das denke ich auch. In der Schulzeit ist mir das auch ein paar mal passiert, wenns ganz besonders toll werden sollte.


    Ich hab immer gedacht, Texte werden gegengelesen... prinzipiell müsste die Zeitung für die Artikel haften. Wenn jemand da was rassistisches veröffentlichen würde, könnte das böse enden und wie man hier sieht, prüfen sie ja nicht.


    Ich weiß nicht, ob man sich sowas erlauben kann. :gruebel

  • Zitat

    Original von Erbsnuesschen


    "Ich habe vor lauter Entsetzen gar nicht mitbekommen, worum es in diesem Artikel überhaupt geht", bin ich fassungslos.


    :rofl :rofl :rofl


    Und nur für dich die beste Stilblüte aus dem zweiten Artikel von derselben Autorin zum selben Thema:


    Zitat

    Dort wollte er am kommenden Wochenende eigentlich das Neptunfest organisieren. "Deswegen habe ich mein Akkordeon und Keyboard neulich mit nach Gernrode genommen", sind ihm wenigstens seine Instrumente geblieben.


    Erkennen wir ein Schema? :gruebel

  • Zitat

    Original von CorinnaV


    :rofl :cry :anbet *GRÖHL* :cry :rofl :anbet

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

  • Zitat

    Original von Erbsnuesschen
    "Irgendwie find ich das fast erfrischend", macht sich die Begeisterung in mir breit. "Es ist mal was anderes", bin ich das findend.



    Hallöchen!


    Auf die Gefahr hin, dass ich hier quer schlage: Ich finde es eigentlich witzig. Sie spielt mit der Sprache und dem Stil. Es mag vielleicht nicht ganz geglückt sein, aber ich denke, daran ließe sich arbeiten. Warum auch nicht? Das einzige, was man ihr ankreiden kann, ist die Tatsache, dass ein Zeitungsartikel für ein solches Sprachexperiment das falsche Medium ist.


    Die missglückten Formulierungen entstanden nicht aus Mangel an Respekt vor der Sprache. Im Gegenteil. Daher glaube ich sogar an das Talent der jungen Dame. :-) Sie sollte sich in Kurzgeschichten versuchen. Könnte interessant werden. Das ist ehrlich und nicht ironisch gemeint.


    Der Stil ist von Erbsnuesschen doch prima umgesetzt. "bin ich das findend" Klingt fast lyrisch! Ergo: Die Verfasserin hat beflügelt. Ist es nicht das, was wir als Autoren letztlich anstreben?


    Lieben Gruß,


    Miriam