Until I was about ten years old, I did not know that people died except by violence.*
(James Kaywaykla, Warm Springs Aopache)
Das Buch ist auch unter dem Titel „The Wild Girl“ erhältlich
436 Seiten, kartoniert, Literaturverzeichnis
Verlag: Pan Books (Pan Macmillan), London 2006
ISBN-10: 0-330-44585-5
ISBN-13: 978-0-330-44585-6
Kurzinhalt (Eigene sinngemäße Übersetzung des Klappentextes mit ergänzenden Angaben)
Als Ned Giles im Teenageralter ein Vollwaise wird, zieht es ihn nach Südwesten. Er hofft, dort seine Probleme hinter sich lassen zu können. Er nimmt an der Großen Apache Expedition 1932 teil, die den Auftrag hat, einen Jungen, den Sohn eines reichen mexikanischen Landbesitzers, zu suchen, welcher von Apachen entführt wurde. Neben Ned und einer Reihe von Freiwilligen, denen es vor allem auf die Jagd auf die Apachen ankommt, sowie einigen „Offiziellen“ und Militärs, welchen es vor allem um Erfolge für Wahlen sowie Ruhm geht, nehmen noch als Scouts die Apachen Joseph und sein Enkel Albert sowie die Ethnologiestudentin Margaret teil. Doch die Sache wird kompliziert, als sie ein Apachenmädchen, La Niña Bronka, in einer mexikanischen Gefängniszelle finden. Sie ist das verwaiste Opfer eines mexikanischen Massakers an ihrem Stamm. Völlig verängstigt und unfähig zu essen oder zu sprechen. Sie nehmen das Mädchen mit, um sie zu ihrem Stamm zurückzubringen und so einen Tausch gegen den entführten Jungen arrangieren zu können. Aber so einfach ist das nicht, nachdem sich das Mädchen erholt hat und selbst zu ihrem Stamm zurückgekehrt ist.
Das Buch beruht teilweise auf tatsächlichen Ereignissen. The Last Apache Girl ist ein kraftvoller Roman von Heroismus und herzzerreißender Konsequenz, angesiedelt in der Landschaft von Arizona und dem mexikanischen Grenzgebiet. Er bringt die letzten Reste des einstigen mythischen Westens zum Vorschein.
Über den Autor
Über den Autor habe ich nicht sehr viel gefunden. Jim Fergus wurde 1950 in Chicago geboren. Das College hat er 1971 abgeschlossen. Er ist viel gereist, hat u. a. als Tennislehrer gearbeitet. Seit 1980 ist er als (freischaffender) Journalist tätig und hat für verschiedene Zeitungen und Magazine (u. a. Newsweek) geschrieben. Sein erster Roman „ One Thousand White Women: The Journals of May Dodd“ erschien 1998. Ein Jahr später gewann er damit den Fiction of the Year Award from the Mountains & Plains Booksellers Association. Im Jahre 2005 erschien sein zweites Buch The Wild Girl: The Notebooks of Ned Giles (bzw. eben „The Last Apache Girl“). Derzeit arbeitet er an seinem dritten Roman. Er lebt in Montana und Arizona.
- < Klick > - die Website des Autors (in englischer Sprache)
- < Klick > - hier ein Interview mit dem Autor auf der Website von Barnes & Nobles (in englischer Sprache)
- < Klick > - die Seite zum Buch bei Readinggroupguides.com mit Discussion Guides sowie einer Leseprobe (in englischer Sprache)
Zum historischen Hintergrund und der Einordnung (Alle Verweise in englischer Sprache)
Ich habe lange überlegt, in welche Rubrik dieses Buch gehört. Es paßt sowohl in „Belletristik“ als auch „Historische Romane“. Und zwar, weil der Autor im Nachwort ausdrücklich ausführt, daß es ein Werk der Fiktion ist, aber darin drei historisch belegte Ereignisse verarbeitet sind:
Da ist zum einen die Gefangennahme eines „wilden Apachenmädchens“ in Mexiko 1932, das man gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes im Gefängnis bestaunen durfte. „La Niña Bronka“ wird sie genannt.
Da ist die Entführung des dreijährigen Ranchersohnes von Francisco Fimbres. >Hier< ist etwas darüber nachzulesen).
Und da ist die Entführung von Charlie McComas im Jahre 1883. (Siehe auch >hier<.)
Ich hatte beim Lesen in der Tat das Gefühl, im Jahre 1932 zu sein. Deshalb habe ich das Buch unter „Historische Romane“ einsortiert.
Meine Meinung
Über die Apachen habe ich kein allzu großes Wissen. Zwei, drei Namen vielleicht. Geronimo. Und natürlich ist mir der große Häuptling der Apachen, Winnetou, ein Begriff Und damit sind wir beim Thema: so edel überhöht wie Winnetou und „seine“ Apachen waren die wirklichen nicht. Nach all dem jahrhundertelang erlittenen Leid konnten sie dies wohl auch gar nicht sein.
Selten habe ich ein englischsprachiges Buch so schnell durchgelesen, fast im gleichen Tempo wie eines auf Deutsch, wie dieses. Es sollte also auch für „Anfänger“ im Englischlesen geeignet sein.
Das Buch selbst ist aus mehreren Sichtweisen geschrieben. Da sind die Teile, die sich mit La Niña Bronka beschäftigen, teils in auktorialer Perspektive, teils aus ihrer Sicht geschrieben. Dann haben wir die Teile, die von Ned Giles handeln. Bitte nicht gleich abblocken wenn ich erwähne, daß die in Ich-Perspektive gehalten sind. Schließlich wird die Zeitspanne, von der Ned nichts berichten kann, von Margaret (ebenfalls in Ich-Perspektive) erzählt.
Am Anfang ist nur eines sicher: Ned überlebt. Denn er ist ein alter Mann, sterbenskrank, und hat seine Tagebücher von 1932 für die „interessierte Nachwelt“ aufbereitet. Diese bekommen wir zu lesen. So erfahren wir, weshalb er mit 17 Jahren zum Vollwaisen wurde und seine Heimatstadt Chicago verlassen mußte. Wir lesen, wie er mitten in der Depression durch die USA fährt, erste Erfahrungen sammelt und schließlich als Pressefotograf bei der Apache-Expedition nach Mexiko unterkommt. Diese hat das offizielle Ziel, einen gefangenen Jungen zu befreien. Daß der Bürgermeister eher an eine Ausschlachtung für seine politischen Zwecke und der Polizeichef an seine Macht denkt, sei nur am Rande erwähnt. Und so startet für Ned Giles, den 17-jährigen, unerfahrenen Jungen das Abenteuer, das ihn für immer verändern wird. Das er als Kind beginnen und einige Wochen später als reifer Mann beenden wird.
Vor dem geistigen Auge entstehen zwei Welten: die der White Eyes und die der Apachen. Wobei die White Eyes die Wahrheit und absolute Gültigkeit für sich gepachtet haben. Auf Seite 350 findet sich die Problematik, die den ganzen Roman durchzieht, explizit ausgesprochen:
How many Apache babies habe been slaughtered by our soldiers? Yet only the atrocities of the conquered are referred to as criminal acts; those of the conqueror are justified as necessary, heroic, and, even worse, as the fulfillment of God’s will. What difference, finally, between the civilized man and the savage?**
Genau diese Frage muß man sich im Verlaufe der Handlung immer wieder stellen.
Oder noch deutlicher:
The Sheriff shrugged as if he didn’t particularly care. „She is without monetary value alive,“ he said.*** (Seite 141) Lebendig ist ein Apache nichts wert, nur der Skalp des Toten läßt sich in Pesos aufwiegen. So ist die herrschende Mentalität.
Man sollte an manchen Stellen des Buches nicht zu zartbesaitet sein; etwa wenn erzählt wird, wie Charlie zu den Apachen kam. Oder wenn Margaret aus ihrer Kindheit berichtet. Die Kampfhandlungen sind hinreichend deutlich beschrieben, ohne daß jedoch unnötig „Blut aus dem Buch fließt“.
Der Autor schafft es, einen ungeheuren Sog zu entwickeln. Ich konnte das Buch kaum aus den Hand legen; selbst beim Essen oder Teeaufbrühen las ich weiter. Das ist mir seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr passiert. Dabei behandelt Fergus so viel mehr, als sich hier mit wenigen Worten sagen läßt. Und das Ganze ist so rund, so in sich schlüssig, daß es mir schwer fällt, etwas davon besonders herauszugreifen ohne das viele andere wegzulassen.
Jetzt, da ich mit dem Buch fertig bin, habe ich das Gefühl, als ob ich die wirklichen Journale eine Menschen, der bei jenen Ereignissen dabei gewesen ist, gelesen hätte. Die Beschreibungen waren so genau, die Menschen so lebendig, daß es nur schwer zu glauben ist, daß Charlie, Joseph, Albert, Ned, Tolley, Margaret oder La Niña Bronka nicht gelebt haben sollen. Gut, für einige von ihnen gibt es historische Vorbilder, dennoch sind sie mir so über die 420 Seiten so vertraut geworden, daß es mir schwer fällt, mich von ihnen zu verabschieden.
Lachen und Weinen, Freud und Leid, Wut und Trauer, Rache und Vergebung, Hoffen und Bangen - alles bisweilen dicht beisammen. Über allem eine leise Melancholie, das Wissen, daß hier Menschen um den Erhalt ihrer Lebensweise, ums nackte Überleben kämpfen. Irgendwo da draußen in den Bergen der Sierra Madre. Wer weiß, vielleicht ist es ihr gelungen, den Soldaten und den Jägern zu entkommen: dem Last Apache Girl.
We had both changed; neither one of us was any longer a kid, and it seemed like those days were another lifetime ago.**** (Seite 421)
Kurzfassung:
Um historisch belegte Ereignisse herum die Geschichte von Ned Giles und La Niña Bronka. Den beiden, die aus verschiedenen Welten kamen und für kurze Zeit glücklich sein konnten. Eines meiner Jahreshighlights.
Sinngemäße Übersetzungen:
* = Bis zum Alter von zehn Jahren wußte ich nicht, daß Menschen auch anders als durch Gewalt sterben.
** = Wie viele Apachenbabies wurden durch unsere Soldaten abgeschlachtet? Jedoch werden nur die Greueltaten der Eroberten als kriminelle bezeichnet; diejenigen der Eroberer werden als gerechtfertigt, heroisch, und - viel schlimmer - als Erfüllung des Willens Gottes angesehen. Was besteht also für ein Unterschied zwischen dem zivilisierten Menschen und dem Wilden?
*** = Der Sheriff zuckte mit den Achseln, als ob es ihn nicht interessierte. „Lebend ist sie ohne jeglichen finanziellen Wert,“ sagte er.
**** = Wir hatten uns beide verändert; keiner von uns war länger ein Kind und es schien, als ob diese (unbeschwerten) Tage mehr als eine Lebensspanne zurück lägen.
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