Zum Wiedersehen der Sterne - Dinaw Mengestu

  • # Gebundene Ausgabe: 250 Seiten
    # Verlag: Claassen Verlag GmbH (1. April 2009)
    # Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Was ist Glück? Ein Gefühl von Heimat, Freundschaft, Familie, Liebe? Mit feiner Komik, aber auch voller Melancholie lotet Dinaw Mengestu das Dasein eines äthiopischen Einwanderers aus, der auch nach Jahren in den USA nicht angekommen ist. Seine kraftvolle und farbenreiche Sprache zieht den Leser magisch in ihren Bann.


    Über den Autor
    Dinaw Mengestu wurde 1978 in Äthiopien geboren, mit zwei Jahren kam er mit seiner Familie in die USA, wohin der Vater aus politischen Gründen geflohen war. Er studierte Literatur und erhielt 2006 ein Schreibstipendium von der New York Foundation for the Arts. Dinaw Mengestu hat Kurzgeschichten in Zeitschriften veröffentlicht, mit seinem ersten Roman Zum Wiedersehen der Sterne feierte er bereits Erfolge in den USA, Großbritannien und Frankreich. Dinaw Mengestu lebt in New York.


    Meine Meinung
    "Dieses Land ist wie ein Adoptivkind. Du darfst es ihm nicht übelnehmen, wenn es dir nicht gibt, was du dir wünschst."


    Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch im Literaturclub von Iris Radisch, wo alle Teilnehmer sehr angetan davon waren und auch ich wurde nicht enttäuscht.
    Mengestu beschreibt das Leben von Sepha Stephanos, der ohne seine Familie aus Äthiopien in die USA geflüchtet ist. Er führt dort zwar einen kleinen Laden, aber wirklich angekommen ist er in Amerika noch nicht.
    Bei seiner Arbeit als Page im Capitol Hotel hat er Joe und Kenneth kennengelernt, die auch nach Amerika eingewandert sind und mit ihnen zusammen verbringt er seine Abende in seinem Laden. Sie trinken Alkohol und spielen jeden Abend dasselbe Spiel: einer der drei nennt den Namen eines afrikanischen Diktators und die anderen müssen raten, in welchem Land und zu welcher Zeit er reagiert hat. Eines Tages lernt Sepha dann Judith und Naomi kennen, die in seiner Nachbarschaft einziehen und von denen er in seinem Laden besucht wird und die seine Sehnsucht wecken, auch noch mal etwas anderes in seinem Leben erleben zu können.


    Das Buch ist wunderschön geschrieben und Mengestu gelingt es mit häufig einfachen und simplen - aber sehr berührenden - Worten eine ergreifende Geschichte zu erzählen. Seine Sprache ist sehr lyrisch und konnte mich schon von den ersten Seiten des Buches an gefangen nehmen, da ich die Schwierigkeiten die Sepha mit seinem neuen Leben hat, nachvollziehen konnte. Kritisieren würde ich lediglich, dass Mengestu teilweise etwas hin und her springt bei den zeitlichen Ereignissen und ich zum Teil manchmal Sachen zwei Mal lesen musste um mich zu vergewissern, wo ich mich gerade befinde.


    Ich erinnere mich, dass im Literaturclub der etwas schwülstige Titel des Buches kritisiert wird, doch beim Lesen des Buches wird an einer Stelle erklärt, dass sich der Titel auf einen Ausschnitt aus Dantes Göttlicher Komödie bezieht.


    "Dante verlässt endlich die Hölle, und was sieht er als Erstes? Das! Den schönen Himmel, die Sterne! Ich sage euch, das ist genial. Einfach genial. Ich habe zu meinem Dozenten gesagt, niemand versteht diese Zeilen besser als ein Afrikaner, denn genau das haben wir durchgemacht. Jeden Tag die Hölle, und zwischendurch ein Blick hinauf in den Himmel."


    Nachdem Lesen des Buches könnte ich mir mittlerweile keinen besseren Titel vorstellen. Ein toller Debütroman und ein tolles Lesererlebnis - ich vergebe 9 von 10 Punkten.

  • Hätte ich doch nur nicht gelesen, dass dieses Buch dein Monatshighlight ist, buzzaldrin - jetzt habe ich ein Buch mehr auf der WL :grin
    danke für die schöne Rezi :-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Das ist schön. :-) "Zum Wiedersehen der Sterne" ist ein Buch, dem ich wirklich viele Leser wünschen würde.


    Gut dass meine WL so dehnbar ist :lache

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • In der Zwischenzeit ist die TB-Ausgabe bei List erschienen und diese habe ich jetzt gelesen.
    Die Geschichte von Sepha Stephanos hat mich sehr berührt, über seinem ganzen Empfinden in dem fremden Land, obwohl er da schon seit 17 Jahren lebt, hängt so eine greifbare Wehmut und Sehnsucht die man beim Lesen beinahe körperlich spüren kann. Aber nie beschwert er sich, nie macht er andere für sein Schicksal, sein Demütigungen die er erdulden muss, verantwortlich.


    "Jeder von uns hatte schon soviel Spott und Erniedrigung über sich ergehen lassen müssen, dass es für mehr als ein Menschenleben reichte, und wenn mir jetzt die Rolle zufiel, ihn als blind ergebener Cheerleader bei allen Prüfungen, die uns erwarteten, zum Sieg anzufeuern, war ich aus ganzem Herzen dazu bereit."


    Es ging mir wie buzzaldrin, ich könnte mir keinen schöneren Titel für das Buch vorstellen, das in einer teilweisen sehr poetischen Spraache gehalten ist, die aber nie kitschig wirkt, und stellenweise mitten ins Herz trifft.


    Auch das Spiel der drei befreundeten Männer sich gegenseitig immer wieder die Namen von afrikanischen Diktatoren und deren Greueltaten zu nennen bzw. zu erraten bleibt nicht ohne Eindruck.


    Danke buzz für deine Rezi und das Neugierigmachen auf dieses Buch, wenn´s auch letztendlich ein paar Monate gedauert hat bis ich es nun gelesen habe. Jede Seite war ein Genuss und ich schließe mich deinem Wunsch viele Menschen mögen dieses Buch lesen, mit Nachdruck an.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • literarische Weltreise: Äthiopien


    Irgendwie weiß ich gar nicht so genau, wie ich an dieses Buch geraten bin, sind doch poetische Titel für mich in der Regel eher abschreckend. Sei's drum, zum Glück habe ich dieses Buch trotzdem gelesen.


    Eigentlich kann ich mich meinen Vorrednerinnen (die mal wieder die üblichen Verdächtigen sind :grin) nur anschließen: ein leises Buch über Heimat und Heimatverlust, Mitmenschlichkeit und Vergänglichkeit. Sehr schön!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Kenneth ist Kenianer und arbeitet als Ingenieur. Er will wirken, als sei er erfolgreich, und deshalb trägt er Anzüge und tritt so auf, wie ein erfolreicher Mann seiner Meinung nach auftritt.


    Joseph stammt aus dem Kongo und ist Kellner im Colonial Grill, wo Washingtons Elite speist. Er will einen Gedichtzyklus über die Geschichte des Kongo schreiben und arbeitet seit Jahren daran.


    Und was will Ich-Erzähler Sepha Stephanos? Er flüchtete vor 17 Jahren aus Äthiopien nach Amerika und lässt sich treiben. Sein Laden am Logan Square läuft schlecht; vielleicht, weil er ihn unregelmäßig öffnet, vielleicht, weil er heruntergekommen ist und hinten in den Regalen Lebensmittel verderben. Vielleicht aber auch, weil Sepha am liebsten hinterm Tresen Romane liest, um seinem Alltag zu entfliehen.


    Die drei Einwanderer treffen sich in ihrer Stammkneipe, trinken, schwafeln und philosophieren über Afrika. Jeder hat schmerzhafte Erinnerungen an die Heimat, begrabene Träume und Einsamkeit im Gepäck.


    Eines Tages zieht Judith mit ihrer Tochter Naomi ins Stadtviertel. Sie ist die erste Weiße, die sich dort niederlässt und hat eines der heruntergekommenen Häuser am Logan Square gekauft. Mit dem Haus geschieht ein Wunder: es wird geschmackvoll saniert und erstrahlt in neuem alten Glanz. Sepha lernt Naomi kennen und schließlich auch Judith und nach einem flüchtigen Kuss macht er sich Hoffnungen auf mehr als Freundschaft. Doch auch Judith ist letztendlich eine Vertriebene. Die Unterschicht-Anwohner des Logan Square wehren sich dagegen, ein "besseres" Viertel zu werden.


    Sepha irrt weiter durch sein Leben, durch seine Erinnerungen und durch die Stadt - aber auch er hat endlich ein Ziel: Er will stolz auf sich sein können.


    Den Rezensionen, die das Buch ergreifend finden, kann ich mich nicht anschließen. Es ist zwar gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Die Erinnerungen an Äthiopien und die Zustände dort scheinen mir jedoch eher vage; Sephas Erinnerungen an seinen Vater hingegen sind voller Gefühl und für mich glaubwürdig. Mehr als einmal hätte ich Sepha gerne gerüttelt und ihm gesagt, dass er endlich etwas aus seinem Leben machen muss.


    Alles in allem ein leises, nettes Buch.

  • Ich schließe mich, wie Draper Doyle so schön gesagt hat, den üblichen Verdächtigen an. Ein wunderbares Buch, dass ich nur jeden ans Herz legen kann.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Das ist schön. :-) "Zum Wiedersehen der Sterne" ist ein Buch, dem ich wirklich viele Leser wünschen würde.


    Na dann landet es zumindest mal auf meiner Wunschliste :wave


    (Ich muss unbedingt aufhören hier rumzustöbern) :grin

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Viel Zeit zu lesen hatte ich in den letzten Tagen nicht, zu dem Buch passte das sehr gut. Für mein Empfinden las es sich ziemlich zäh und war nur in kleinen Abschnitten erträglich.


    Der Erzähler hat es als Flüchtlich aus Äthiopien in Amerika nicht leicht. Er trägt aber auch seinen Teil dazu bei, dass er, trotz zweier treuer Freunde, einsam und nicht wirklich bindungsfähig ist.
    Ein Sprichwort seines Vaters, für dessen Tod er aus jugendlichem Leichtsinn indirekt verantwortlich ist, lautete: "Ein Mann, der zwischen zwei Welten hängt, lebt und stirbt allein."
    Ich zitiere das hier, weil es die ganze Hoffnungslosigkeit der Hauptfigur ausdrückt. Einem Mann, der fast alles inklusive seiner Heimat verloren hat und dem nun droht, sich komplett zu verlieren.


    Ein schwer zu verdauendes Buch. Aber es ist purer Realismus und spiegelt das wahre Leben sehr deutlich.


    Das Cover finde ich sehr gelungen.


    Trotzdem komme ich nur auf 6,5 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“