Koch-Hillebrecht ist Psychologe. Hitler tot. Der Weg, zu relevanten Informationen über den Charakter Hitlers zu kommen geht durch die Archive und Augenzeugenberichte. Die Fülle an Exzerpten und Fotos ist beeindruckend.
Die Methode, einer indirekten Charakterstudie, gibt Koch-Hillebrecht selbst recht früh auf, verfällt in den Konjunktiv ("so ist es gut möglich, dass", "könnte" usw.). Auch sein Versuch, der indirekten Charakterbeschreibung über einen ähnlich veranlagten russischen Eidetiker, ändert nichts am Konjunktiv.
Koch-Hillebrecht verbeißt sich in Details über die Rolle Richard Wagners und seiner Nachkommen, bei der Entstehung des hitlerschen Antisemitismus, in eine ziselierte Unterscheidung zwischen Homoerotik als Neigung und praktizierter Homosexualität, und er vergißt auch nicht Hitlers Vegetariertum ("Verdauungsprobleme") anhand politischer Einzelentscheidungen oder seine beginnende Schüttellähmung als charakterprägend mit heranzuziehen. Methodisch lässt sich der Autor eine Menge einfallen. Allerdings auch hier: Kein Entkommen aus dem Konjunktiv.
Dabei hülfe kurzes Zurückblättern: Er zieht einen ähnlich gelagerten Fall eines Menschen mit fotografischem Gedächtnis heran.
Stellt sich die Frage: Muss man Hitler als so einmalig und alleinentscheidend betrachten? (Für sich allein: Koch-Hillebrecht zitiert Speer "Unter anderen historischen Umständen wäre Hitler nur ein querulierender Kleinbürger geblieben, der allenfalls seinen Nachbarn auf die Nerven gegangen wäre" (sinngem.))
Allein das beantwortet schon mal eine zentrale Frage: Hitler kann nicht losgelöst von Zeit und Raum, historischer Umwelt, betrachtet werden.
Und ich behaupte darüber hinaus: Er war und ist nicht einmalig. Diese Sorte bedingungsloser Fanatiker gelangt immer wieder in entscheidende Positionen und veranlasst bedenkenlos Massaker.
Also sind wir wieder beim Historikerstreit - in Polen schon lange durchgefochten und entschieden ("Ja, man muss Hitler und Stalin, Hitlerismus und Stalinismus, vergleichen. Aaaaber wir Polen haben uns den geringsten Rucksack an Schuld aufgeladen...")- in Deutschland immer noch ein Kampf gegen Windmühlen.
Der Versuch dieser Crux durch eine Charakterstudie auszuweichen, ist weitgehend gescheitert, weil die dargelegten biografischen Hintergründe einfach nicht griffig sind (Wagneropern als Antisemitismus-Schule etc.).