'Der Name der Rose' - Erster Tag

  • Demosthenes : IKEA-Werber hätten sich kürzer gefasst und viel Wort durch Bild ersetzt ;-)


    Nachteule : Ein Plan des Klosters befindet sich auch in der dtv-Ausgabe. Er hilft mir aber bisher auch nicht sooo sehr. Vielleicht fehlt mir da ein wenig Vorstellungsvermögen. :rolleyes (Dieses Kloster existiert tatsächlich? wo denn genau?)
    Über die lateinischen Übersetzungen bin ich dagegen auch sehr erfreut. Ohne sie wäre ich echt aufgeschmissen. Wahrscheinlich kann man das Buch auch lesen, ohne die entsprechenden Passagen zu verstehen, aber für die entprechenden Texabschnitte finde ich sie schon wichtig und bin daher über den Anhang sehr froh.



    Die Beschreibungen des Klosters finde ich im Augenblick nicht so sehr interessant, Formulierungen die sich auf das Wesen und das Verhalten des William von Baskerville beziehen, dagegen sehr. Solche Sätze wie: "Man mochte meinen, er könne nur mit den Händen denken. ..." finde ich genauso faszinierend, wie die Gedankengänge, die er seinem Begleiter darlegt, als dieser nicht nachvollziehen kann, wie William zu den Schlussfolgerungen über das Pferd gelangte. (Ich würde sicher genauso mit offenem Mund lauschen, da ich zugegebenermaßen eher blind für viele Dinge durch die Gegend laufe.)


    Auch der verbale Schlagabtausch mit dem Abt des Klosters ist total Klasse. Wie die beiden sich "umtänzeln", sich gegenseitig schmeicheln und klar machen, was sie wollen, ohne gewisse Regeln der Wortwahl oder ihres Standes zu versetzen und beide anscheinend versuchen, dem anderen überlegen zu sein. Das ist mir ein Genuss, solch eine Szene zu lesen. (... und irgendwie kommt mir da ein feines, wissendes Lächeln auf einem väterlichen Gesicht in den Sinn.) :-)


    Viel weiter gelesen habe ich ja nun noch nicht. ... bin genau dort, wo ich gestern schon war. Morgen werde ich mir wohl etwas Zeit zum Lesen nehmen können. :-] *gespanntbin*

  • Hallo


    Ich denke auch, dass Eco den guten Sherlock übertragen hat, aber die Namenssymbiose war mir nicht so präsent, interessant.


    Wie etwa Thomas Mann oder James Joyce übernimmt Eco Vorbilder (Sherlock Holmes) und Textvorlagen (z.B. lange wortwörtliche Passagen aus der biblischen Apokalypse des Johannes, bei meiner dtv-Ausgabe Seite 65), eine Collage-Technik, welche den Roman zu einem Verlinkungsportal macht. Allerdings sind die Urheberlinks nicht immer angegeben. Wer die Quellen nicht kennt, könnte glauben, es wäre von Eco selbst.


    Das macht mich etwas unsicher, denn natürlich kann ich nur einen Bruchteil der Quellen eruieren. Deshalb frage ich mich unwillkürlich, ob nun dieser oder jene schöne Satz wirklich von Eco erdacht, ersonnen, allein geboren wurde, oder ob er es irgendwo gelesen und übernommen hat.


    Auf der anderen Seite: Die Szenen sind schön aufgebaut, die Handlungsbögen spannend und die Szenerie anschaulich, das nun zeigt den wirklichen Eco in seinem Erzählelement.


    Mein genauer Lesestand könnt Ihr auf meiner Site sehen (Reading List), im Moment auf Seite 118 (Erster Tag/Vesper).


    Bye, Ivy :-)

  • das mit Sherlock Holmes ist ganz nett, habe ich aber nicht sofort kapiert :-)



    sagt mal, William gerät ja richtig in Rage während der ersten Begegnung mit Salvatore, weil dieser ein Wort benutzt... ist mir gerade entfallen, es fing mit "p" an und scheint italienisch zu sein. Kann mir jmd. sagen was es bedeutet ?

  • Ich stehe noch am Anfang, aber ich lese das Buch ja nicht zum ersten Mal...


    Bei der Namenswahl ist Eco sehr gezielt vorgegangen, speziell bei William von Baskerville. William ist die Hommage an William von Ockham, dem mit der "Rasierklinge" (Ockham's razor), und selbstverständlich bezieht sich Baskerville auf Arthur Conan Doyles Romanfigur Sherlock Holmes (The Hound of the Baskervilles, 1901/02).
    Und "Adson" klingt nicht umsonst nach "Watson". :grin
    Der ev. Theologe Andreas Mertin hat einen schönen Aufsatz über Adson von Melks Rolle in Der Name der Rose ins Netz gestellt: Über Gänge - mit Adson von Melk die Welt erkunden


    Während Melk eines der bedeutendsten Benediktinerklöster war (zur Geschichte, weitere Infos auf der Website des Stifts Melk), ist das Kloster mit der achteckigen Bibliothek eine Erfindung Ecos! Natürlich angelehnt an die damals übliche klosterarchitektur -- abgesehen von der Bibliothek! Deren Vorbild ist ein achteckiger Burgbau in Norditalien -- mir fällt bloß grade der Ort nicht ein, ich suche nach einem Bild.
    Die innere Struktur des von Eco bechriebenen Baus fand übrigens Eingang in Joanne K. Rowlings Vorstellung von Hogwarths -- und über die Verfilmung des Namens der Rose wiederum in die Harry-Potter-Verfilmungen! :grin


    Die Brille ist im 14.Jh. keine neue Erfindung, obwohl sie sehr häufig in diese Zeit datiert wird. Schon in der Antike wurde Beryll (daher "Brille"), ein Edelstein, der in reiner Form farblos, aber durch Metalleinlagerungen farbig werden kann, zu Linsen geschliffen, teils als Sehhilfe (wird bei Plinius, Historia naturalium, als bekannt vorausgesetzt), teils als modische Marotte; Nero soll Gladiatorenspiele durch farbige "Brillen" (eher eine Art Lorgnon) betrachtet haben.


    Ecos Text ist durchsetzt mit Zitaten, Parodien, Anspielungen auf damalige und zeitgenössische Ereignisse. Das sind leider zuviele, um sie alle einzeln aufzuführen, aber wer die Bibel kennt und wenigstens einige Schrifen aus der Scholastik, der "stolpert" unentwegt und grinst sich eins. :grin


    Wundervoll finde ich die Brechung, anhand derer Eco deutlich macht, wie "Geschichte" und "Überlieferung" eigentlich funktionieren. "Natürlich, eine alte Handschrift" lautet das "Motto", und diese "alte Handschrift" stilisiert er -- wie Katharina schon zitierte -- als "deutsche Übersetzung meiner italienischen Fassung einer obskuren neugotisch-französischen Version einer im 17. Jh. gedruckten Ausgabe eines im 14. Jh. von einem deutschen Mönch auf lateinisch verfassten Textes".
    Der fiktiv zugrundegelegte Text sei also nicht nur in der landessprachlich eingefärbten Version der damaligen lingua franca Mittellatein abgefaßt, sondern möglicherweise auch bei den aufeinander fußenden Herausgaben durch mehrere Bearbeitungen verfremdet worden - dazu die italienische und eine von dieser angefertigte deutsche Übersetzung! Das sind eine Menge "Schichten" (so nennt's der Philologe), durch die die (vorgebliche) ursprüngliche Geschichte eingefärbt wurde -- wie Williams "Brille" hätte eingefärbt werden können.


    Hinzukommen noch die "Brillen", durch die wir Leser die Geschichte lesen: unsere (historisch bedingten) Vorstellungen von Mittelalter, Klosterleben etc.
    Eco ist Semiotiker, d.h. von Haus aus beschäftigt er sich mit Deutung und Interpretation, und genau das ist das Hauptthema aller seiner Bücher, ob es nun Fachveröffentlichungen, Glossen oder Romane sind. In jedem seiner Bücher verweist er auf die Bedeutung des Lector in fabula, der neben dem Autor der zweite Schöpfer einer jeden Geschichte ist.


    Und ich kann ihm da aus meiner Erfahrung nur zustimmen!


    So, genug geschwafelt! Ich dackele euch jetzt mal wieder lesend nach durch diese alte Klosteranlage ...

  • Halihallo


    Eco nennt seine Romane nicht von ungefähr "offen". Er rechnet wohl wirklich mit der nachträglichen Sekundärliteratur, welche die einzelnen Quellen nachtragen wird, sodass er selbst es lockerer handhaben kann. Auch eine Art, neue Arbeitsplätze zu schaffen! :lache


    Doch gleich kapitelweise aus der Bibel abschreiben, ohne die genaue Stelle zu zitieren, ist mir etwas aufgestossen. Bei den lateinischen Sätzen ist es klar, dass es Zitate sein könnten, doch hier war mir die Einbettung in Ecos Werk etwas zu nahtlos, wie ein kostenloses Wallpaper. Ist ja praktisch, seinen Text mit fremden Materialien aufzupeppen, auch wenn ich natürlich sehe, wie er sich darüber lustig macht (und vielleicht gerade deshalb von einer genauen Quellenangabe absieht).


    Gleich danach wird Salvatore beschrieben, erinnert mich sehr stark an Victor Hugos Glöckner von Notre-Dame, den ich gerade in einer anderen Leserunde durchnehme. Gibt es zu der Parallele Salvatore-Quasimodo ebenfalls Sekundärliteratur?


    Bye, Ivy

  • Zitat

    Original von Evelyne Marti
    Auch eine Art, neue Arbeitsplätze zu schaffen! :lache


    Und Themen für allerlei philologische und kulturwissenschaftliche Dissertationen! :lache


    Zitat

    Doch gleich kapitelweise aus der Bibel abschreiben, ohne die genaue Stelle zu zitieren, ist mir etwas aufgestossen.


    Du meinst z.B. ein Ereignis, das sich am dritten Tag nach Komplet ereignet? :lache
    Eco zitiert nicht einfach: Er übersetzt selbst -- übrigens aus der Septuaginta anstatt wie üblich aus der Vulgata (zum Glück hat es sich Burkhart Kroeber nicht so leicht gemacht die - vom philologischen Standpunkt katastrophale - Luther-Übersetzung abzuschreiben, sondern Ecos Version ins Deutsche zu übertragen).
    Außerdem kombiniert Eco scheinbar willkürlich verschiedene Kapitel und Bücher, parodiert, persifliert. Er zeigt deutlich, wie sehr das unentwegte Bibelstudium Adsons Denken (also das Denken eines mittelalterlichen Mönches mittleren Bildungsstandes) den Text der Bibel geradezu assimiliert hat und zugleich sein Weltverständnis vollständig durchdringt.


    Ich für meinen Teil finde es so viel besser, als wenn überall Fußnoten oder an jedem Kapitel ein Rattenschwanz von Anmerkungen hinge ... dafür sind ein Anhang und Sekundärliteratur da! :grin


    Zitat

    Ist ja auch praktisch, seinen Text mit fremden Materialien aufzupeppen, auch wenn ich natürlich sehe, wie er sich darüber lustig macht (und vielleicht gerade deshalb von einer genauen Quellenangabe absieht).


    Sicherlich weder noch! Das ist eine arg "säkulare" Interpretation. :grin


    Zitat

    Gleich danach wird Salvatore beschrieben, erinnert mich sehr stark an Victor Hugos Glöckner von Notre-Dame, den ich gerade in einer anderen Leserunde durchnehme. Gibt es zu der Parallele Salvatore-Quasimodo auch Sekundärliteratur?


    Habe ich nicht überprüft, wäre aber naheliegend --- wo doch im Baudolino sogar Mike Tyson vorkommt ... :lache

  • Zitat

    sagt mal, William gerät ja richtig in Rage während der ersten Begegnung mit Salvatore, weil dieser ein Wort benutzt... ist mir gerade entfallen, es fing mit "p" an und scheint italienisch zu sein. Kann mir jmd. sagen was es bedeutet ?


    Das Wort war wohl: penitenziagite
    Mich würde auch interessieren, was es bedeutet, konnte es leider nicht herausfinden.


    Beim Recherchieren habe ich das Buch übrigens als pdf-Datei gefunden.


    edit: den Link habe ich also gelöscht :wow

  • Zitat

    Original von katharina
    Das Wort war wohl: penitenziagite
    Mich würde auch interessieren, was es bedeutet, konnte es leider nicht herausfinden.


    Das ist eine Ausdruck, den die umherziehenden "Büßer" als Motto bzw. Slogan verwendeten und stamm aus dem Mittellateinischen: "paenitentiam agite" bedeutet "Tut Buße!" und wurde (mangels Lateinkenntnissen bei diesen Gruppen) in verschiedener Form verballhornt.


    Warum William so in Rage gerät, klärt sich auch noch ... :grin


    BTW: Eine PDF von Der Name der Rose kann urheberrechtlich eigentlich nicht legal sein ...

  • Iris : Danke für die Übersetzung :-)


    Zitat

    BTW: Eine PDF von Der Name der Rose kann urheberrechtlich eigentlich nicht legal sein ...


    Heißt das, dass auch der Hinweis auf die Existenz dieses Dokuments strafrechtlich verfolgt werden kann? :wow

  • Zitat

    Original von Iris


    Und? Keine Fragen? Keine Meinung über den Roman bis jetzt?


    Ich bin mir noch nicht sicher, was ich von dem Buch halten soll. Da ich derzeit auch sehr viel umdie Ohren habe (Ende Oktober ist Abgabetermin) komme ich auch nicht so gut zum Lesen und darüber nachdenken ;-(

  • Zitat

    Original von Tanzmaus
    Ich bin mir noch nicht sicher, was ich von dem Buch halten soll. Da ich derzeit auch sehr viel umdie Ohren habe (Ende Oktober ist Abgabetermin) komme ich auch nicht so gut zum Lesen und darüber nachdenken ;-(


    Dafür hast du dir in den letzten Wochen aber ein Mords-RUB zugelegt -- Hut ab! :wow

  • Zitat

    Original von Tanzmaus
    Ich ziele auf bessere (Lese-)Zeiten ab


    Außerdem weißt du ja, wo du fragen kannst. :lache Oder reden wir etwa nicht darüber? Hab ich da was verpasst? :gruebel

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.