Tagsüber dieses strahlende Blau - Stefan Mühldorfer

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    239 Seiten


    Kurzbeschreibung
    Verunsicherung eines Versicherungsmaklers Robert Ames ist 37 und Versicherungsmakler. Er lebt mit seiner Frau Kala und seinem Sohn Jonathan in einem kleinen Haus in Hamilton, Ontario. An einem Freitagmorgen bricht er auf in einen ganz normalen Arbeitstag - und doch wird alles anders sein als sonst. Robert, der es gewohnt ist, das Leben anderer Menschen zu versichern, gerät selbst Schritt für Schritt ins Wanken. Am Abend steht plötzlich seine Ehe auf dem Spiel und er muss sich fragen, wo im Leben er eigentlich steht. Stefan Mühldorfer hat einen grandiosen, mit verblüffender Leichtigkeit und Eleganz geschriebenen Roman verfasst. Souverän zeichnet er das Porträt eines Mannes, der als feinsinniger Beobachter sein Leben in den Blick nimmt und doch nicht verhindern kann, dass es ihm zu entgleiten droht.


    Über den Autor
    Stefan Mühldorfer, geboren 1962, Studium der Neueren Deutschen Literatur, Redakteur für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Public-Relations-Studium, freiberufliche Tätigkeit als Filmredakteur (Dokumentationen zu sozialen Themenstellungen) und in der PR-Beratung. Stefan Mühldorfer lebt in München.


    Meine Meinung
    Robert Ames ist Versicherungsmakler und lebt mit Ehefrau Kala und Sohn Jonathan in Hamilton, Ontario.
    An einem normalen Freitag morgen steht Robert auf, um zur Arbeit zu gehen. Abends veranstaltet sein Chef Walter eine kleine Party in seinem Cottage in Port Dover. Dort trifft sich Walter auch regelmäßig mit seiner Geliebten, wie nicht nur Robert weiß.
    Der Leser begleitet Robert durch seinen Tag, sieht die alltäglichen Dinge um ihn mit seinen Augen. Robert macht sich um Vieles Gedanken, denkt an Vergangenes (Kennenlernen mit Kala, den Beginn seiner Ehe) und Zukünftiges. Viele „Was-wäre-wenn-gewesen“-Gedanken beflügeln seine Fantasien.
    Das dies kein gewöhnlicher Freitag ist, wird nach knapp 80 Seiten deutlich. Auf dem Weg zu einem Kunden beschließt Robert kurzerhand sich am Fußballspiel mehrerer Jungen zu beteiligen, verletzt dabei ein Kind versehentlich leicht. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um Sohn Mark seiner Kunden Janet und Pete Rutherford handelt.
    Später, in einem Café, trifft Robert unvermutet auf Kala, die dort mit Ken, einem Bekannten aus ihrem Yoga-Kurs, verabredet ist. Dieses Zusammentreffen lässt Konflikte zwischen Robert und Kala hoch kochen, die zuvor unter dem Mantel einer eigentlich doch glücklichen Ehe verdeckt waren.
    Doch dieser Freitag wartet mit noch mehr Überraschungen auf....


    Stefan Mühldorfer versetzt den Leser in eine Beobachterposition. Aber auch sein Hauptprotagonist Robert ist ein Beobachter. Er nimmt sein eigenes Leben in den Blick, analysiert und zerlegt es. Auch die Personen, die Robert unmittelbar umgeben, Ehefrau Kala, Chef Walter, Sekretärin Glandis, seine Schwiegereltern, die Rutherfords...., werden einer genaueren Analyse unterzogen.


    Sprachlich gut gelungen mit Sätzen, die es sich lohnt mehrfach zu lesen („Das Meiste von dem, was wir haben, ist etwas, das wir ursprünglich gar nicht haben wollten. Es ist uns nur zugefallen.“), konnte mich der Roman dennoch nicht wirklich überzeugen. Die Gedanken und Überlegungen Roberts wirken überzogen, zu vielen Kleinigkeiten wird zu viel Bedeutung gegeben und dadurch dem Wesentlichen vielleicht manchmal der Blick verstellt.



    Nach Schreiben meiner Rezi habe ich ein wenig gegoogelt. Mit meiner Meinung scheinen ich fast alleine dazustehen. Der Roman wird von vielen Seiten hochgelobt.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zum Inhalt


    Robert Ames führt ein ganz gewöhnliches Leben. Er arbeitet als Versicherungsmakler in Hamilton, Ontario, wohnt mit seiner kleinen Familie in einer ruhigen, gepflegten Gegend und ist im Allgemeinen ein sehr umgänglicher Mensch. Bisher gab es kein Problem, das nicht irgendwie gelöst werden konnte und durch Roberts diplomatische Art kommt er mit seinen Mitmenschen gut aus.
    Doch als er eines Freitagmorgens zur Arbeit aufbricht, ahnt er nicht, dass sein bisher so beschauliches Leben im Laufe des Tages eine drastische Wendung nehmen wird…


    Zur Umsetzung


    „Tagsüber dieses strahlende Blau“ startet langsam. Robert wacht auf, erzählt dem Leser von seinen Gedanken und kommt dabei manchmal auf recht umständliche Weise vom Hölzchen aufs Stöckchen. An die Schreibweise mit den vielen Einschüben muss man sich erstmal gewöhnen, damit man überhaupt in die Geschichte hineinfinden kann. Doch ist dies erstmal passiert, erschließt sich dem Leser die ganz persönliche Welt des Robert Ames. Und die ist gar nicht mal so dröge, wie sie auf den ersten Blick scheint!


    Zunächst lebt die Handlung in erster Linie von Roberts Alltagsbeobachtungen und Reflektionen. Er philosophiert über das Leben im Allgemeinen und wirft hier und da einen Blick auf seine Vergangenheit. Beiläufig erzählt er von der ersten Begegnung mit seiner Ehefrau und dem etwas angespannten Verhältnis zu seinen Schwiegereltern, aber auch von der Affäre seines Chefs und der Exbeziehung seiner Kollegin.
    Trotzdem kann man Roberts Ausführungen nicht als Plauderei bezeichnen, da seine Gedanken nicht bloß an der Oberfläche treiben, sondern zum Kern der Sache vordringen wollen. Dabei fallen Sätze, die auf den ersten Blick eher schlicht wirken, im Grunde jedoch genau ins Schwarze treffen!
    Gerade weil Robert so gewöhnlich ist, kommen einem seine Ausführungen nicht gestelzt vor. Sie gehen mit der Realität Hand in Hand, sodass man sich gut darin wieder finden kann oder zumindest immer weiß, wovon er spricht.


    Erst im Laufe der Handlung verlagert sich das Gewicht von Roberts Innenleben auf das, was um ihn herum passiert. Der Leser bleibt nicht länger nur in seinem Kopf, sondern kommt mit Menschen in Berührung, die Robert zunehmend irritieren. Ab dieser Wendung wird das Geschriebene durch Dialoge aufgelockert. Das Theoretische verliert an Schwere und der bisher sehr passiv wirkende Protagonist wird durch unvorhergesehene Umstände dazu gezwungen, aktiv Stellung zu beziehen.


    Diese Gegenüberstellung von innen und außen, von ausschweifenden Gedanken und der plötzlichen Aufforderung, endlich zu handeln, machen „Tagsüber dieses strahlende Blau“ so spannend. Während man sich zu Beginn noch fragt, ob sich Roberts Ausführungen wohl durch das ganze Buch ziehen und man hin und wieder über deren Umständlichkeit stolpert, vollzieht sich während des Lesens eine Wandlung, die einen gefangen nimmt.


    Eigentlich erzählt Stefan Mühldorfer eine ganz gewöhnliche Geschichte, doch dahinter stecken viele Denkanstöße, denen man sich nicht entziehen kann. Die Sätze treffen ins Schwarze und obwohl der Ausgang der Geschichte im Nachhinein vorhersehbar scheint, ist man während des Lesens genauso überrascht wie Robert. Alles, was zuvor so sicher schien, gleitet ihm aus den Händen und letztlich wird er zu einem von denen, die er vorher so spielend leicht analysieren konnte.


    „Tagsüber dieses strahlende Blau“ ist auf den ersten Blick ein ruhiger Roman. Doch wenn man sich erstmal darauf eingelassen hat, kann man sich dem Leben Roberts nicht mehr entziehen. Auf der letzten Seite findet man sich plötzlich an ganz anderer Stelle wieder, als man zu Beginn vermutet hat und genau diese Wendung ist der Clou der Geschichte.


    Das Buch ist sicherlich nichts für ungeduldige Menschen, doch aus meiner Sicht gehört es zu jenen Werken, die durchaus mehr Beachtung verdienen!