Fragen an Charlotte Lyne

  • Na ja- da wurde in Deutschland eben aufgepasst - nach der alten Regelung hätte Frau Köpf nach ihrer Heirat mit Herrn Bundeskanzler Köpf - Schröder heissen müssen, das wäre der CDU wahrscheinlich als Lacher des Jahres oder gar als Aufforderung dahergekommen, daher wurde diese Vorschrift aufgegeben.

  • Ich schreibe - denke ich - nie ueber voellig fiktive Personen, sondern versuche, sie Menschen, die gelebt haben, nachzuempfinden. Bei nicht dem Adel entstammenden Menschen des Mittelalters wird das Material natuerlich duenner, sodass ich eine Figur aus mehreren Elementen zusammensetzen muss. Aber soweit, dass ich die Figur als fiktiv empfinde, geht es nicht (das moegen natuerlich Leser voellig anders sehen).


    Ich bin kein phantasievoller Mensch. Ich brauche Dokumente, Exponate, Schauplaetze en masse, damit die Zahnraeder in meinem Kopf in Bewegung geraten. Wenn ich die Geschichte, die ich erzaehle, nicht sehen, anfassen, riechen, hoeren, auf die Zunge nehmen kann, wird's keine Geschichte.
    Eine Geschichte mir ausdenken, das ist mir nicht gegeben (frag mal meine Kinder).


    Je mehr ueber die jeweilige Figur gesichert auffindbar ist, desto leichter wird fuer mich das Schreiben. Somit war die praktisch 100%ig belegte Tudor-Geschichte (mit der ich zudem ueber zwanzig Jahre Sammelzeit verbracht hatte) fuer mich der Idealfall.


    Ich weiss von vielen Kollegen, dass es ihnen genau umgekehrt geht, dass die Luecken, die die Geschichtsschreibung laesst, ihre Phantasie und ihre Kombiniergabe zum Feuerwerk anregen. Auch letzteres ist bei mir schlecht ausgepraegt. Ich weiss im Krimi (zur Belustigung meiner Familie) NIE, wer der Moerder ist ...


    Ich schreibe jetzt wieder eine Geschichte mit (fast) ausschliesslich komplett verbuergten Personen und fahre damit gut. Eine andere, die ich wunderschoen fand, die aber eine extrem lueckenhafte Quellenlage bot, habe ich - traurig - verboten.
    Ich hatte den Spass schon einmal bei Vineta und hatte solche arge Not, die Luecken zu fuellen (obwohl ich jeden verstehen kann - gerade bei einer Sagen-Nacherzaehlung -, der diese Luecken fesselnd findet. Das sind sie in der Tat! Mir fehlt aber die Zutat, sie zu nutzen), dass ich mich daran nicht noch einmal wage.
    Ich erzaehle gern, was mir erzaehlt worden ist.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie
    Ich schreibe - denke ich - nie ueber voellig fiktive Personen, sondern versuche, sie Menschen, die gelebt haben, nachzuempfinden. Bei nicht dem Adel entstammenden Menschen des Mittelalters wird das Material natuerlich duenner, sodass ich eine Figur aus mehreren Elementen zusammensetzen muss. Aber soweit, dass ich die Figur als fiktiv empfinde, geht es nicht (das moegen natuerlich Leser voellig anders sehen).


    neinnein, dorothy, aimery "& co" wirken überaus lebendig und sehr "unfiktiv" :grin, aber du hast meine frage schon richtig verstanden und beantwortet. merkwürdig, ich hätte bei dir viel mehr phantasie vermutet als du hier zu haben jetzt eingestanden hast. (und ich weiß auch immer nicht, wer der mörder ist :grin).
    vielen dank für die ausführliche und interessante antwort und viel erfolg bei deinen fast komplett verbürgten hot-pants-trägern :grin :knuddel1 :anbet :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Du solltest mal meinen Mann fragen.
    Der mag ohne mich keinen Krimi sehen, weil er dann niemanden hat, ueber dessen Rateversuche in die voellig falsche Richtung er sich kaputt lachen kann.


    Vermutlich hat er mich geheiratet, weil er vor bald einem Vierteljahrhundert solche Freude mit mir hatte, der in "Psycho" der "arme Norman mit der gemeinen Mutter" so leid tat ...


    Krimis liebe ich trotzdem oder deshalb und wuerde ganz gern irgendwann nochmal einen schreiben.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Eine Frage habe ich auch. Hat eigentlich der Verlag keinen Lektor?
    Ronald ist bislang ja öfters zum Roland gemacht worden. :lache :fetch
    Oder hat Isemay 2 Männer? :gruebel


    Ist mir gar nicht aufgefallen! :yikes


    (Im Vergleich zu manch anderem Buch von großen Verlagen muss ich aber hier mal ein Lob aussprechen - eigentlich sind mir GAR KEINE Schreibfehler aufgefallen, was selten ist! Mir springen die Dinger gewöhnlich förmlich ins Gesicht!)

  • Mir ist das auch nicht aufgefallen.
    Das Buch hatte ein gruendliches Lektorat und ist von mir (das heisst nicht viel ... Betriebsblindheit ist mein zweiter Vorname) und zwei Korrektoren geprueft worden.
    Dass dennoch Fehler drin bleiben, laesst sich, denke ich, nicht vermeiden.
    Ich finde es im Vergleich sehr ordentlich, muss ich sagen.
    Merke es mir aber und bedanke mich - man weiss ja nie, vielleicht gibt es ja noch eine Auflage.


    Herzlich gruesst Charlie

  • Liebe Charlie,
    ich habe auch eine Frage, und zwar zum Thema "Liebe".
    Ich finde es nämlich bemerkenswert gut gelungen, wie du die romantische Liebe umschifft hast, indem du Dottie sich "das bisschen mehr" wünschen lässt und die Protagonisten sich auch niemals zu "ich liebe dich" versteigen, sondern sich mit "ich hab' dich lieb" begnügen.
    Ich bin keine Historikerin und habe auch nicht Literatur studiert, weshalb ich mit meinem Halbwissen bisher immer davon ausgegangen bin, dass die romantische Liebe gerade im Mittelalter eine sehr luxuriöse Angelegenheit war, die zwar von Minnesängern beschworen, aber im Grunde nicht gelebt wurde. Und nun meine Frage: wann, schätzt du, wurde dieses Gefühl zum Allgemeingut, zu etwas, nach dem man strebte? Ist die romantische Liebe eine Erfindung der Neuzeit, oder täusche ich mich da?
    Interessierte Grüße von
    SteffiB

  • Biene, ich fuerchte, ich verrrate es nicht mal mir selbst ...


    Deine Frage, Steffi, finde ich sehr spannend. Ich habe mein Leben lang viel darueber nachgedacht, gelesen und geschrieben. Nur den Begriff "romantische Liebe" muss ich hier wiederum umschiffen - meiner Ansicht nach, ist es nicht Liebe, sondern Romantik, die ins Mittelalter nicht gehoert - und die fuer mich auch bis heute - denk' ich - ein wenig unverstaendlich geblieben ist.
    Der Zeitknappheit geschuldet muss meine Antwort hier sehr oberflaechlich ausfallen und ich kann nur hoffen, dass wir spaeter noch einmal Gelegenheit erhalten, das zu vertiefen. In jedem Fall aber istes MEINE Ueberzeugung, dass Liebe zwischen Ehepartnern (nicht nur zwischen unverheirateten Menschen wie in der Minne, die dem Englaender sowieso eher fremd blieb) im Mittelalter selbstverstaendlich gegeben hat, dass man nur anderes von ihr erwartete. Mir persoenlich erscheinen die Liebesformen des Mittelalters durchaus solide, praktisch und auch beglueckend - was mir z.B. mit den Formen, die das 18. und 19. Jahrhundert (immer ausgehend von England und von dem, was sich aus der Literatur schliessen laesst), mir zeigt, nicht immer so geht.


    Wichtig scheint mir, sich darauf zu besinnen, dass das Individuum kein stark prasenter Begriff war, dass die Besinnung darauf eine "Entdeckung" der Renaissance ist - darin scheint mir persoenlich ein entscheidender Unterschied zwischen Liebenden z.B aus Jahrhundert Vierzehn und solchen aus der zweiten Haelfte von Jahrhundert Sechzehn zu bestehen.
    Spaetestens in der Renaissance aber wurde - was immer konkret darunter zu verstehen ist (und hier muessten uns Experten mehr erzaehlen - ich bin mit allem, was der Renaissance folgt, schlecht beschlagen) - durchaus auch "romantisch" geliebt:
    Ich weise nur daraufhin, dass wir bei Shakespeare zwar kein glueckliches Ehepaar, aber viele leidenschaftlich liebende Ehepaare finden, dass staendig Liebesheiraten angestrebt werden und dass mehrmals Ehefrauen eine Partnerschaft einklagen, die erstaunlich modern anmutet, wenn man solche Gefuehle allein der Moderne zuschreiben moechte.


    P.S.: Romantisch oder nicht - ich LIEB Dein Buch.


    Alles Liebe von Charlie

  • Liebe Charlie,
    herzlichen Dank für die Antwort – sie gibt mir erstmal Denkfutter. So hatte ich beispielsweise gar nicht an das Individualitätsempfinden gedacht, obwohl es natürlich untrennbar mit "Liebe" verbunden ist. Intuitiv habe ich es wahrscheinlich aber doch verinnerlicht, wird Liebe und Partnerschaft doch gerade in Asien eher von der pragmatischen Seite betrachtet. Auch dort gibt es hohe Ansprüche – aber andere ...


    Vielleicht sollten wir dieses Thema Diskussion tatsächlich im Hinterkopf behalten und aufleben lassen, wenn du wieder etwas mehr Zeit und Ruhe hast. Es gäbe bestimmt (jedenfalls für mich) eine Menge zu lernen.


    Ich hoffe,im Land der Männer mit den karierten Röcken und dem frittierten Essen steht alles zum Besten und du kommst gut voran!
    Ganz liebe Grüße von
    SteffiB (die gerade pink angelaufen ist vor Freude über dein postscriptum :schuechtern)

  • Ich esse unheimlich viel nicht frittierten Salat und Fisch, schreibe noch mehr, lese ein praechtiges Buch und freu mich an praechtigen Maennerbeinen - kann's einem Menschen besser gehen?


    Wuensche Euch das Gleiche!


    Alles Liebe von Charlie


    P.S.: WaterPixie, sorry, Deine Frage habe ich uebersehen! Ich schreibe auf Deutsch - bin zwar zweisprachig aufgewachsen, aber nicht mit Englisch und kann mir persoenlich nicht vorstellen, in einer Nicht-Elternsprache literarisch zu schreiben. Ein paar Leute, die das geschafft haben, gibt es zwar (Conrad, Nabokow fallen mir da ein, aber dann hakt's schon), aber das sind die ganz Grossen.