Ich verstehe da was nicht.......

  • Ich habe jetzt schon mehrfach ein Buch gelesen, das als Erstlingswerk beworben wurde. Und trotzdem sind in den Büchern mindestens eine Seite lang Danksagungen an Lektore, Kritiker, Fachleute usw.


    Meine Vorstellung vom Autor der im stillen Kämmerlein sein Buch verfasst, es dann einschickt stimmt also nicht.
    Irgendwie habe ich das Gefühl, das hier Ideen verkauft worden sind und das Buch erst NACH dem Vertrag wirklich geschrieben wurde.
    Wie sonst wäre es möglich, dass den Autoren ein Lektor beim schreiben begleitet?
    Oder habe ich da was falsch verstanden?


    lg Bea


    Ach ja, typisches Beispiel *Belladonna*

  • Ja, Wolke, das weiß ich auch. Die sollen ja auch Orthographie und ähnliche Fehler finden. Oder Unregelmäßigkeiten und Ungereimtheiten.


    Aber in den Danksagungen bekommt man den Eindruck, dass die Lektoren schon beim schreiben über die Schulter schauen. Vielleicht wird so ein Erstlingsroman auch erst einmal total überarbeitet, das kann natürlich auch sein!


    lg Bea

  • ein jedes Buch, das in einem vernünftigen verlag erscheint, wird lektoriert und hier kann das manuskript oft noch optimiert werden, wenn lektor und autor miteinander können, sonst kann es auch zum gegenteil führen. so ging es mir bei einem meiner ersten bücher und ich habe schon daran gedacht, den vertrag zu kündigen, aber dann hat der verleger einen anderen lektor beauftragt und das buch verkauft sich ganz gut.
    eine komplette überarbeitung, bei der nichts mehr an der stelle bleibt,wo es einmal war und die charaktere sich zu stark verändern, würde ich nicht mitmachen.


    bei sachbüchern ist es auch nicht selten, dass der autor gemeinsam mit verleger und lektor die grundkonzeption entwickelt und dass der autor dies dann umsetzt, wobei auch zwischendurch entsprechende kontakte bestehen können.


    im übrigen finde ich diese vielen danksagungen eigentlich mehr als albern, wenn eine person für das buch von herausragender bedeutung war, dann kommt es schon mal vor, dass ich den namen auch hervorhebe, aber nur einen.


    ist bisher bei meinem mehr als 10 büchern aber erst 2 mal vorgekommen

  • Also in USA ist es, soweit ich weiß so, dass ein Autor während des Schreibens schon von einem Verlagslektor (natürlich nur, wenn er bereits unter Vertrag steht) begleitet wird.
    So wird praktisch vom ersten Kapitel weg an notwendigen Veränderungen gearbeit, die dann nicht in den nachfolgenden nochmals geändert werden müssen.
    Der Lektor weist in diesem Fall auch auf unlogische oder ins Leere laufende Handlungsstränge usw. hin.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Mike hat es schon sehr gut dargestellt.


    Wenn ein Debüt unter Vertrag genommen wird, dann handelt es sich meistens um ein seitens des Autors fertiggestelltes Manuskript. Dieses Manuskript geht dann noch einmal ins Lektorat, d.h. ein Lektor geht mit dem Autor nochmals den Text vollständig durch, er werden Änderungen angeregt, manchmal wird sogar der Textbestand von Grund auf neu erstellt. Diese Maßnahmen werden in Absprache einvernehmlich zwischen Autor und Lektor vorgenommen.
    Danach wird ein Korrektorat vorgenommen, der Satzspiegel erstellt, den der Autor dann mit seinem Imprimatur (lat. imprimatur = dt. "es soll gedruckt werden") versieht - per Handzeichen auf jeder Seite des Satzspiegels (entspricht normalerweise einer Doppelseite im Buch). Diese Fassung geht dann in den Druck.


    • Das letzte Wort über den Textbestand liegt per Gesetz (Urheberrechtsgesetz) beim Verfasser -- nicht beim Verlag. Und zwar Wort für Wort! Ideen sind nicht schützbar, wohl aber die wortwörtliche Umsetzung! Das gilt auch für Übersetzungen!


    Das oben beschriebene Verfahren ist der Idealfall -- viele Lektoren halten sich daran.


    Häufig wird jedoch ein anderes Verfahren gewählt, daß aus der Handhabung von Übersetzungen und Auftragsarbeiten (Ghostwriting, "Sparte" u.ä.) stammt und keinesfalls dem Urheberrecht entspricht:
    Oft wird schon der Vertrag so gestaltet, daß auf den Autor massiv Druck ausgeübt werden kann, aber auch andere Maßnahmen zeigen das enorme Machtgefälle, z.B. durch eine zurückhaltende Zahlungsbereitschaft des Verlags, durch Lektoratstermine im Hause, die dem Lektor "Heimvorteil" verschaffen, durch Drohungen, die schlichtweg unwahr sind (z.B. daß der Verlag bestimme, was gedruckt wird u.ä.). Dem Autor werden bestimmte Änderungen abverlangt, bevor der Text eine Redaktion durchläuft, was nichts anderes heißt, als daß ein Außenlektor (freiberuflich arbeitende Lektoren, die vom Verlag beauftragt werden), nach Richtlinien, die mit dem Verlagslektor abgesprochen sind, oder nach eigenem Gutdünken ohne Einflußmöglichkeit des Autors Änderungen im Text vornimmt. Die dabei entstandene Fassung wird dann Korrektur gelesen und in den Satz gegeben. Der Autor hat danach Gelegenheit, den Satzspiegel einzusehen und noch minimale Änderungen vorzunehmen -- aber auch das ist nicht der Regelfall! Ich kenne Fälle, in denen Autoren das Resultat der Textredaktion nie zu Gesicht bekommen haben!
    Hier werden nicht selten unter dem Namen und damit mit vollem Risiko des Verfassers Texte publiziert, die nur noch herzlich wenig mit dem zu tun haben, was dieser eigentlich wollte!


    Um ein bißchen Verständnis zu wecken: Viele Lektoren müssen mehr Projekte gleichzeitig betreuen, als sie verkraften können, und darunter zahllose Projekte, die sie selbst nicht mit der Beißzange anfassen würden. Das hinterläßt Spuren, dabei fressen sich Verhaltensweisen ein, die einem einvernehmlichen Miteinander zwischen Autor und Lektor nicht gerade zuträglich wird. Da werden ziemlich krude Ansichten über die Leser -- vor allem über die Leserinnen! -- zu maßgeblichen Richtlinien bei allen Projekten: Schnell ist dann eines der seltenen ambitionierten Romanprojekte bis zur Unkenntlichkeit entstellt, und das Resultat - eine fade Schmonzette - verkauft sich nicht.
    Schlecht für den Autor, der keine Chance bekam und auch verlagsseitig als für die Pleite verantwortlich gestempelt ist -- Lektoren sind Angestellte des Verlags, sie sitzen auf wackeligen Stühlen und sind schon aus diesem Grund (bewußt oder unbewußt) erpicht darauf, bei voller Kontrolle über das Projekt die Verantwortung und vor allem die möglichen negativen Folgen weitestgehend auf den Autor abzuwälzen.


    Andererseits gibt es durchaus Autoren, die an jedem Wort, jeder Formulierung, jeder "Einstellung" und Szene kleben. Diese Autoren machen es Lektoren natürlich schwer. Diese eigentlich seltene Spezies wird dementsprechend an die große Glocke gehängt -- das wird munter verallgemeinert, und wenn ein Autor im Lektorat sich grundsätzlich "vernünftig" zeigt, aber an einzelnen Stellen beharrlich, wird ihm kein noch so sachliches Argument abgenommen, sondern kurzerhand mangelnde Kooperationsbereitschaft unterstellt.


    Lektoren schimpfen über Autoren, und Autoren schimpfen über Lektoren. Letztendlich ist alles eine Frage der Kommunikation und der "Chemie".
    Es ist ein schwieriges Verhältnis: Es geht um Herzensangelegenheiten, um "geistige Kinder" -- und auf der anderen Seite um ökonomische Sachzwänge und die Angst um den Arbeitsplatz.

  • Danke Euch für die Antworten, das war wirklich interessant!!!


    Ist scheint's ein hartes Brot, was man da essen muss. Da gehören ja Nerven wie Drahtseile dazu! Um so mehr Achtung habe ich jetzt vor denen, die es schaffen!


    lg Bea

  • Ja, diesen Einblick 'hinter die Kulissen' finde ich immer ganz spannend. Lieben Dank an alle, die ihr uns diesen Einblick gebt... :knuddel1

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • bin echt neugierig, denn am freitag lerne ich auf der buchmesse endlich mal die lektorin meiner beiden letzten sachbücher kennen. aber bisher hat sie nur wenig geändert und wenn, dann waren es verbesserungsvorschläge, die ich überwiegend akzeptiert habe und bei letzten war es sowieso für sie schwierig, da hier viele texte bewußt schwäbisch waren oder zumindest dahin tendierten