Herr Schmetterling

  • Herr Schmetterling


    Er war eine Raupe gewesen, daran erinnerte Mortimer sich gut, denn er träumte gern davon, wie er seinen immer weiter anschwellenden Leib über grüne Blätter geschoben hatte, hin zu den Kanten, dann an den Kanten entlang, die seine Kiefer immer weiter verkürzt hatten, bis es Zeit gewesen war, sich zur nächsten Speise aufzumachen, ruhig und bedächtig, wie Mortimer es mochte, auch jetzt noch, wo er so viel Gewicht verloren hatte im Inneren der sorgfältig gesponnenen Puppe, dem Ort der mysteriösen Verwandlung, die ihn zu etwas Anderem machte, zu etwas, dem er mit ein wenig Sorge entgegensah, hatte er doch nur eine vage Ahnung davon, wie sein neues Leben sich gestalten mochte, denn er spürte wohl die neuen Glieder, die ihm aus dem Rücken gesprossen waren und war in den langen Tagen, die hinter ihm lagen, zu dem Schluss gekommen, dass es sich wohl um Flügel handeln mochte, doch um gar merkwürdige, verglichen mit denen der Libellen, die Mortimer als Raupe so gern betrachtet hatte, denn sie fühlten sich wie nasse Klumpen an und solch breiige Masse vermochte doch wohl kaum, ihn in die Lüfte zu heben, ein Gedanke, der Mortimer ohnehin mit Sorge erfüllte, denn Schwindel hatte ihn schon ergriffen, wenn er von hohen Blättern in die Tiefe geschaut hatte und doch, so dachte Mortimer, wäre es schön, zu fliegen.

  • Lieber Bernard,
    wahrscheinlich findest Du es jetzt nicht so toll, dass ausgerechnet ein kleineres, unerfahrenes Mädchen antwortet, aber ich tue es.
    Vielleicht freust Du dich mehr, wenn dir ein Erwachsener, Gleichgesinnter, Lob ausspricht, aber ich muss es auch tun:
    Ich finde deine Geschichte sehr, sehr schön. Mit Gefühl und, meienr Meinung nach, auch mit tieferem Sinn. Auf jeden Fall gefällt mir die Geschichte.
    Man könnte es glatt in Tintenherz einschieben und keiner würde es merken, dass es nicht von C. Funke geschrieben wurde.
    Falls Deine Geschichte nicht darauf anspielen sollte, entschuldigung, aber es sollte ein Kompliment sein :-)
    Natürlich spielte sie nicht bewusst darauf an, aber 'Mortimer' erinnert mich eben an 'Zauberzunge'... Obwohl dieser Mortimer ein anderes Lebewesen ist.
    Nach dieser Geschichte geht es einem gleich wieder viel besser und man blickt mit einem Lächeln nach oben, weil man es so schön fände, fliegen zu können...


    Mach weiter so und beglück uns noch mit vielen solchen Geschichten!


    Lg BunteWelt

  • Ein schöner, anschaulicher Text: Die Metamorphose aus Sicht der Raupe, nachmals Schmetterlings. Stilistisch ansprechend, erinnert durch seine altmodisch angehauchte Sprache ein bisschen an eine Fabel.


    Erstaunlich, was sich alles in einem einzigen Satz unterbringen lässt.


    Gut gemacht.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Gefällt mir gut, schöne Idee =)


    Auch wenn es mir ab und an ein Hauuuch zu viele Kommata waren, die zwar durchaus da hin gehörten, aber den Lesefluss irgendwie störten.
    Ach keine Ahnung, wahrscheinlich finde ich einfach nur nichts zu meckern und suche mir krampfhaft etwas ;-)

  • Vielen Dank für das viele Lob.


    Zitat

    Original von Alice Thierry
    Erstaunlich, was sich alles in einem einzigen Satz unterbringen lässt.


    Der Text entstand als eine Schreibübung, bei der es darum ging, einen Satz mit einer bestimmten Anzahl von Wörtern zu schreiben. Ich habe mal das Buch angehängt, in dem die Übung vorgeschlagen wird.


    Zitat

    Original von Monella
    ab und an ein Hauuuch zu viele Kommata


    Hast Du vielleicht Lust, meinen Text zu zitieren und dabei die Kommas rauszuschmeißen, die Dir zu viel sind? Mich interessiert, was dabei herauskommen würde, insbesondere, ob diese "getrimmte" Version dann noch verständlich wäre.

  • Oh nein, sie wäre kein bisschen verständlich ;-) Das kann ich dir so schon sagen und es ist auch kein Fehler deinerseits, du hast dir die Regel mit den Nebensätzen und den Kommata ja nicht ausgedacht (falls doch, dann wende dich bitte an mich, ich würd da gern mal ein ernstes Wörtchen mit dir drüber reden ;-)).
    Nein, mal im Ernst. Der Text ist so total verständlich und es ist wahrscheinlich eine komplett subjektive Sicht, dass ich das als leseflussstörend empfinde.

  • Ich find es auch wunderschön. Grade der Name verleiht dem Ganzen etwas besonderes. Dass es nur ein Satz ist, ist mir gar nicht aufgefallen :wow Aber trotzdem: ein wenig altmodisch philosophisch aber absolut umwerfend, vllt auch ein wenig romantisch. Herrlich zum Träumen vom Fliegen...

  • Ganz ehrlich? Mich hat das genervt. So sehr genervt, dass ich nach 3 Leseversuchen abgebrochen habe. Trotz eines gewissen Faibles für lange Sätze sowohl beim Selbstschreiben als auch beim Lesen, war mir das hier entschieden zu mühsam. Schade, denn der Anfang klang lustig.
    Trotzdem Danke, rienchen! :knuddel1 :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Habe es grade nochmal gelesen- ich finde das brüllend komisch, weil ich nicht anders kann, als mir eine schnöselige, englische Vorlesestimme vorzustellen. :chen Bestimmt war das nicht Bernards Absicht. :wow Gefällt mir aber deshalb doch irgendwie, hihihi. :schnellweg

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Zitat

    Original von rienchen
    Habe es grade nochmal gelesen- ich finde das brüllend komisch, weil ich nicht anders kann, als mir eine schnöselige, englische Vorlesestimme vorzustellen. :chen Bestimmt war das nicht Bernards Absicht. :wow Gefällt mir aber deshalb doch irgendwie, hihihi. :schnellweg


    Ich habs noch einmal versucht, mit Evelyn Hamanns Stimme in dem Sketch, in dem sie eine Fernsehansagerin spielt und über die Tie-Äitsches stolpert.
    Gekommen bin ich bis: "er spürte wohl die neuen Glieder, die ihm aus dem Rücken gesprossen waren und war in den langen Tagen, die hinter ihm lagen, zu dem Schluss gekommen, dass es sich wohl um Flügel handeln mochte, doch um gar merkwürdige, verglichen mit denen der Libellen, die Mortimer als Raupe so gern betrachtet hatte, denn sie fühlten sich wie nasse Klumpen an und solch breiige Masse vermochte doch wohl kaum, ihn in die Lüfte zu heben" und da fragte meine eigene Stimme im Hinterkopf:
    Wie?
    Die Libellen fühlten sich an wie eine breiige Masse?
    Und aus wars wieder. :lache :knuddel1 :wave


    EDIT: Bernard : bitte auch mir nicht böse sein! :keks

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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