Kurzbeschreibung (laut Amazon)
Das Geschehen um die Kreuzigung Jesu aus einer völlig neuen Perspektive. Shoshanna wächst in einem Dorf bei Nazareth auf. Da sie als unrein gilt, wird sie von allen gemieden - nur nicht von Jeshua, von dem es heißt, dass er Wunder vollbringt. Bevor sie sich ihm anschließen kann, wird sie von Piraten entführt. Als Sklavin im fernen Griechenland träumt sie von Jeshua - und sie setzt alles daran, ihn wiederzusehen.
Der Autor (laut Buch)
Jonah Martin ist das Pseudonym zweiter Autoren, die sich vorgenommen haben, spannende historische Romane zu schreiben. Sie leben mit ihren Familien in Lübeck und Bad Oeynhausen. „Die Frau aus Nazareth“ ist ihr erster gemeinsamer Roman.
Wer mehr zu den beiden Autoren wissen möchte, dem empfehle ich einen Blick auf ihre Homepage.
Noch ein paar Worte zum Inhalt sowie meine Meinung
Dieser Roman spielt zu Zeiten und Wirken Jeshua, er nimmt seinen Ausgang in Nazareth und zeigt das Leben, wie es damals wohl gewesen ist. Shoshanna, die Hauptprotagonistin, hat allerlei Ungemach zu erdulden, es beginnt bereits, als sie als junges Mädchen sexueller Gewalt ausgesetzt ist. Sie muss erfahren, was es heißt, von der (Dorf- und Glaubens-)Gemeinschaft ausgeschlossen zu sein, sie muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, sie wird erneuter Gewalt ausgesetzt, bei der auch ihr jüngerer Bruder ermordet wird. Sie schließt sich für eine kurze Zeit der Gruppe um Jeshua an, erlebt seine Heilungen, seine Predigten, muss sich aber wegen familiärer Zwänge wieder von dieser Gruppe trennen. Sie wird verschleppt, wird in Korinth auf einem Sklavenmarkt verkauft, erlebt eine kurze, viel zu kurze Zeit des Glücks an der Seite des Mannes, der sie erworben hat. Nach dessen Tod schlägt das Schicksal erneut brutal zu: Shoshanna wird in ein Bordell verkauft. Durch einen kühnen Plan kann sie fliehen, gerät wieder in ihre Heimat und muss in Jeruschalajim die Kreuzigung Jeshuas miterleben. Fast ein wenig versöhnlich entlässt der Roman den Leser, indem er Shoshanna wieder an das Glück glauben lässt.
Vorangestellt ist diesem Buch ein Zitat aus der Bibel: Lukas 8, 1 – 3.
Ein wenig ungewohnt war es schon, die eigentlich vertrauten Namen auf eine so andere Art zu lesen: Shoshanna, Jeshua, Miriam, Jeruschalajim, Adonai und andere. Fremd schienen sie mir zu klingen, und waren doch nicht fremd.
Ich bin ein wenig zwiegespalten, wenn ich sagen soll, ob und wie mir dieser Roman gefallen hat. Die Figuren sind eindrücklich gezeichnet, sie standen mir gleich vor Augen, egal, ob sie nun „gut“ oder „böse“ waren. Die Beschreibungen des damaligen Lebens, der Arbeit, auch der Art und Weise, wie der Glaube in der Familie, in der Dorfgemeinschaft den Alltag beeinflusst, sind für mich schlüssig und nachvollziehbar. Beeindruckend gelungen empfinde ich, wie Jonah Martin die Szenen ausgestaltet hat, in denen Jeshua eine Rolle spielt: Wie zunächst die Menschen sich um ihn scharren, wie sie ihn fordern, immer wieder zu heilen, zu predigen – und wie sie sich dann abwenden, wie sie ihn verhöhnen. Für mich war die Kreuzigung die am schwersten zu ertragende Szene des ganzen Buches, fast spürte ich den Schmerz, als Nägel Haut und Knochen durchschlugen, liefen mir Shoshannas und Miriams Tränen die Wangen herunter.
Ich bin mir nicht sicher, ob man diesen Roman einen religiösen Roman nennen kann und soll. Zwar spielt Jeshua (oder Jesus) eine, wenn auch kleine, aber doch wichtige Rolle im Buch und im Leben Shoshannas. Der Glaube ist wichtig in ihrem Leben, wobei ich mich frage, ob er das nicht sowieso im Leben damals war, zumal in dem Land, das ja nicht frei, sondern unter römischer Herrschaft stand. Ist da der in diesem Fall so ganz andere Glauben als der der Herrschenden eine Art Rückzugsmöglichkeit, ein Sichbesinnen auf die eigene Identität? Ist er wie ein verlässlicher Mantel, dringend erwünscht in schlechten Zeiten? Und vielleicht sogar lässlich in besseren oder guten? Als durchaus sehr menschlich habe ich es empfunden, dass Shoshanna in ihrer vertrauten Umgebung, auch in ihrem vertrauten Glaubensumfeld, diesem Glauben nachgeht, ihn lebt, geprägt vermutlich durch die Eltern, später durch die Schwärmerei, vielleicht sogar Verliebtheit in Jeshua sich dieser Glauben vertieft, dass er ihr Schutz und Halt bietet in der ersten Zeit der Sklaverei. Menschlich finde ich auch, dass sie ihn in den wenigen glücklichen Tagen, die sie erleben darf, etwas weniger lebt, sich nicht mehr ständig an ihren Gott Adonai wendet. Und als zutiefst menschlich darf ich wohl ansehen, dass sie ihn verliert, als die Unglücke immer heftiger ausfallen, immer dichter aufeinander folgen. „Alles kommt von Gott“, das zu glauben, glauben zu müssen, glauben zu können, bedarf einer Stärke, die wohl nur wenige Menschen haben.
Und damit komme ich meinem Problem: Shoshanna ist eine sehr liebenswerte junge Frau, natürlich ist sie sehr schön – und ebenso natürlich wird sie geprüft in einer Art und Weise und in einer Häufigkeit, die ich als ein „zu viel“ empfinde. Die sexuellen Übergriffe auf sie, die Ausgrenzungen, die Versklavung, die Verschacherung an das Bordell und der Dienst dort, es war mir in der Gesamtheit ein bisschen arg viel Schicksal. Wie viel erträgt ein Mensch, bis er seinen Glauben verliert, bis er zerbricht? Wenn es ein klein bisschen Glück gibt, kommt der nächste Nackenschlag bestimmt und er kommt heftig? Ich hätte Jonah Martin die Geschichte auch geglaubt, hätte sie gerne gelesen, wenn es etwas weniger gewesen wäre, was Shoshanna zu erleiden gehabt hätte. Den leicht inflationären Gebrauch von Koseworten – während der glücklichen Zeiten – habe ich ein wenig irritiert zur Kenntnis genommen; dass sich Shoshanna und ihr griechischer Herr Dimetrios mehr als nur ein wenig gern hatten, war mir auch so klar.
Gut gelungen finde ich hingegen wieder die Beschreibungen dessen, was es heißt, versklavt zu sein, auf einmal nicht mehr ein menschliches Wesen, sondern Ware zu sein, welchen Übergriffen, welcher Härte, welcher Umbarmherzigkeit einige von ihnen ausgesetzt waren. Was Joel, „Pflegekind“ Shoshannas und meine Lieblingsfigur in diesem Roman, in Korinth erleben muss, reicht aus, um aus dem Kind ein völlig traumatisiertes Wesen zu machen.
Die Geschichte ist flüssig zu lesen, es wird viel vermittelt über die Sitten und Gebräuche, sei es des jüdischen Lebens und Glaubens, sei es des Lebens in Korinth. Es hätte für meinen Geschmack nur, wie schon erwähnt, etwas weniger an Unglück über Shoshanna hereinbrechen dürfen, es hätte auch etwas weniger an Erwähnungen von (strahlenden) Augen und Haut sein dürfen. Meiner Meinung nach sind Geschichte und Figuren stark genug, um ohne sie auszukommen. Und als das eigentlich wirklich glückliche Ende der Geschichte habe ich empfunden, dass Shoshanna nicht nur wieder an das Glück zu glauben lernt, sondern dass sie auch ihren Glauben wiederfindet, denn er scheint mir zu ihrer Identität zu gehören wie eine zweite Haut. Von mir gibt es sieben Punkte.