Gleichberechtigung im Beruf - Wie weit sind wir heute?

  • Ich habe mir eben im WDR um 20:15 die Dokumentation "Auf Schicht - Ein Leben für Stoff und Mode" angesehen.
    Es ging dabei um Näherinnen in den 60er bis hin zu den 80er Jahren.
    In den 70/80ern begannen die Firmen ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlegen, weil dort die Näherinnen zu einem geringeren Lohn arbeiteten und somit die Ware zu einem niedrigeren Preis angeboten werden konnte.


    Die Näherinnnen in Deutschland haben damals gestreikt und haben auch auf den Straßen demonstriert.
    Allerdings gingen diese Streiks - im Gegensatz zu den IG-Metall-Streiks oder ähnlichen typisch männlichen Berufszweigen - in den Nachrichten total unter.
    Auch ich habe damals eigentlich nichts von diesem "Näherinnen-Streik" mitbekommen.
    Woran liegt das eigentlich?


    Warum können Frauen auch heute noch nicht in den typischen Frauenberufen ihre Rechte (und Lohnforderungen) durchsetzen?
    Warum werden Menschen, die andere Menschen pflegen (vorzugsweise Frauen in Berufen wie Altenpflegerin, Krankenschwester, Erzieherin) schlechter bezahlt, als Menschen (vorzugweise Männer) in der Produktion?


    Ist die Produktion von Gütern wichtiger?
    Können Männer ihre Rechte besser durchsetzen?


    Oder woran liegt das eurer Meinung nach?


    Vielleicht sehe ich das auch ganz falsch und Frauen verdienen in sogenannten pflegerischen Berufen grundsätzlich nicht weniger als Männer in "schaffenden" Berufen. Ich habe nämlich keine Zahlen zur Hand, sondern berufe mich nur auf Erfahrungswerte in meinem persönlichen Umfeld.



    Ich bin sehr gespannt auf eure Ansichten und Meinungen.

  • Unsortierte Gedanken:


    Ich persönlich habe manchmal den Eindruck, das wir uns in Teilbereichen rückwärts bewegen.


    Zwar kann eine Frau heute weitgehend problemlos die gleichen Schulen und Ausbildungen durchlaufen wie ein Mann, aber die Anerkennung der Leistung ist nicht gleich.


    Wieviele gut ausgebildete Frauen kennt Ihr, die ohne soziale Absicherung auf 400 Euro Basis arbeiten? - und wieviele Männer tun das?


    2 Personen, 1 Mann und 1 Frau engagieren sich überdurchschnittlich auf gleichem Niveau in einer Abteilung - wer bekommt den frei werdenden Abteilungsleiterposten?


    Aus unerfindlichen Gründen wird Männern häufig unterstellt, das sie besser geeignet sind für Führungspostionen.


    Wer endet nach langen Familienzeiten (Kinder und Pflege der Eltern), Scheidung, Minijobs und sonstigen Unwägbarkeiten in der Altersarmut mangels vernünftiger Vorsorge?


    Gleichberechtigung: Ich kenne jede Menge Frauen, die TZ arbeiten, trotz oder wegen der Kinder. Ich kenne auch einige Hausmänner mit Kindern - die, die ich kenne, kommen nicht im Ansatz auf die Idee nebenher arbeiten zu gehen (das ist allerdings vielleicht nur hier in meiner kleinen Welt so).

  • Charlotte : Im textilen Bereich kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass Näher in manchen Ländern mehr verdienen als normale Arbeiter (teilweise das Dreifache) und Männer wie Frauen diesen Beruf zum gleichen Gehalt ausüben (grosse Ausnahme Maghreb und Türkei).


    In meiner Familie habe ich viele Frauen in Führungspositionen, die durchweg gute Gehälter bekommen (allerdings fällt in dem Bereich das Gehalt je nach Verhandlungsgeschick anders aus - man muss wissen, was man wert ist und dies auch einsetzen). Allerdings hat keine jemals nur halbtags gearbeitet, sondern aufgrund ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit grundsätzlich eine Vollzeitposition inklusive vieler Überstunden inne (gehabt).


    Die Berufe wie Erzieher, Krankenpfleger und dergleichen sind keine Berufe bei denen ein Studium Voraussetzung wäre, eine Entlohnung wie ein Facharbeiter ist daher wohl im Bereich des Normalen.


    Isjoeckel : Im Textil- bzw. Modebereich sind Frauen grundsätzlich den Männern ebenbürtig oder sogar besser gestellt. Im Industriebereich ist dies nicht der Fall - aber auch, weil es wenige hochqualifizierte Ingenieurinnen gibt.


    Abgesehen davon habe ich sowieso das Gefühl, dass D etwas hinter anderen europäischen Ländern steht, was Emanzipation angeht. Ich verstehe nicht, wieso Frauen überhaupt nur halbtags arbeiten wollen.
    Als ob sie sich auf das Gehalt des Ehemannes verlassen würden. Und was ist bei einer Scheidung? Wie sollen sie mit einem Halbtagsjob ihre Rente auf eine vernünftige Höhe bringen, geschweige denn Miete u.ä. bezahlen?

  • Zitat

    Original von Oryx


    Abgesehen davon habe ich sowieso das Gefühl, dass D etwas hinter anderen europäischen Ländern steht, was Emanzipation angeht.



    Schlußlicht bildet da aber eindeutig die Schweiz. Wenn Frauen Kinder bekommen und danach arbeiten gehen wollen, werden beide Elternteile zu mehr Steuern veranlagt, als beide ohne Kind zusammen. In der Schweiz wird überwiegend die Meinung vertreten, dass Frauen Kinder erziehen und Männer arbeiten. Ein Kollege meines Mannes hat eine Gehaltserhöhung bekommen, weil seine Frau mehr verdiente als er. :rolleyes
    Übrigens kostet ein Krippenplatz im Monat ungefähr 1650 € im Monat. Und Frauen haben hier 14 Wochen Mutterschaftsurlaub. Nach 14 Wochen sind die wenigsten bereit 1650 € im Monat auszugeben, sich 8 oder 9 Stunden den Buckel krum zu arbeiten und am Ende des Monats vielleicht 500 € mehr auf dem Konto zu haben. Da bleiben sie zu Hause und verbringen viel Zeit mit dem Kind.
    Versteht mich nicht falsch... ich arbeite Vollzeit und bezahle das Krippengeld, aber leicht wird es den Frauen nicht gemacht. Mein Chef meinte zu mir, dass ich nach der Schwangerschaft doch erstmal drei Jahre zu Hause bleiben könnte. :wow Nee, das ist nichts für mich. Aber so sehen die meisten Schweizer das eben.

  • Zitat

    Original von Bott
    Übrigens kostet ein Krippenplatz im Monat ungefähr 1650 € im Monat.


    :yikes Das ist ja echt viel. Wie hoch ist denn ein durchschnittliches Einkommen in der Schweiz?


    Ich behaupte mal, dass in Deutschland sogar eine Kinderfrau günstiger wäre. Die könntest du sogar noch nebenbei den Haushalt schmeißen lassen ;-).

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

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  • Ich sage nur eins:


    Über 90% aller Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Vorstände von Unternehmen sind männlich!


    Dabei eignen sich z.B. gerade Aufsichtsratstätigkeiten besonders gut für Frauen mit Familie, da diese Posten sich häufig in kleinem zeitlichem Rahmen halten (die Zahl der Sitzungen im Jahr ist überschaubar) und dafür sehr gut entlohnt werden.
    An der Qualifikation allein kann es nicht liegen, dass auch hier die Herren dominieren, denn ich habe erlebt, dass selbst ein Möbelpacker (gerade Mitte 20) zum Aufsichtsrat befördert wurde.
    - Er hatte die richtigen Kontakte hinter sich.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Zitat

    Original von Isjoeckel
    Wieviele gut ausgebildete Frauen kennt Ihr, die ohne soziale Absicherung auf 400 Euro Basis arbeiten? - und wieviele Männer tun das?


    Wenn Du meine ehrliche Antwort hören magst: ich kenne da deutlich mehr Männer als Frauen. Das mag aber sehr viele - auch regionale - Gründe haben.

  • Hallo zusammen,


    das ist eine interessante Diskussion - mit ein paar guten Fragen. Ich habe auch keine Statistiken zur Hand, hier aber mein Beitrag zur Sache:


    Ich persoenlich kenne geschlechtsbezogene Umgleichbehandlung im Uebrigen nicht, bin nie persoenlich damit in Beruehrung gekommen. Ich habe Industriedesign studiert, bin dann in die 3D Computergrafik gegangen (eine Maennerdomaene, ich wuerde schaetzen, dass der Frauenanteil unter 10% betraegt), habe die gleichen 16-Stunden-Tage wie meine Kollegen gearbeitet, die gleichen unbezahlten Wochenendschichten, und hatte ebenso wie andere Erfolg, bin irgendwann vom "Arbeiter" zum Manager aufgestiegen, und das Ganze zu vergleichbaren Gehaeltern - soweit ich das beurteilen kann.
    3D Computergrafik und Animation gehoert zu den eher hochbezahlten Technologiesparten.


    Ich frage mich oft, warum der Frauenanteil in meiner Branche so gering ist. Studiengaenge, die in dieses Berufsbild fuehren, sind recht ausgewogen von beiden Geschlechtern besetzt. Doch irgendwo auf dem Weg gehen all die Frauen verloren.
    Warum?


    Vielleicht, weil 16-Stunden-Tage und Wochenendschichten ohne lange Vorankuendigung Grunduebel der Branche sind (wer sie nicht mitmacht, hat keine Chance auf Aufstieg oder Weiterentwicklung, denn er gilt als unmotiviert und ein Teammitglied, das sich vor der Arbeit drueckt). Das vertraegt sich aber nicht mit Familie. Ich kenne nur wenige Frauen im Umfeld, die Kinder haben. Willst Du als Frau in dem Bereich Karriere machen, dann verzichtest Du entweder auf Kinder, oder Du hast einen Mann, der weitgehend die Betreuung uebernimmt, oder Du verdienst so viel, dass Du Dir eine Vollzeit-Kinderfrau leisten kannst und nimmst in Kauf, dass Deine Kinder quasi bei Fremden aufwachsen.
    Das ist sicher etwas, mit dem sich Maenner leichter abfinden als Frauen.


    Ein anderer Grund mag Technik-Affinitaet sein. Computergrafik hat einen kuenstlerische und eine sehr technische Seite. Wer ueber den Status einer austauschbaren Arbeitsbiene hinaufkommen will, muss sich fuer den technischen Aspekt begeistern koennen. Nun gibt es das Geruecht, unter Maennern faenden sich - bedingt durch was auch immer, vielleicht Erziehung? - mehr Technikbegeisterte als unter Frauen.
    Allerdings sei hier relativierend gesagt - es gibt auch einen anderen Aufstiegspfad, weg von der praktischen Seite des Jobs, naemlich Kundenbetreuung und Projektmanagement. Und da habe ich die Erfahrung gemacht, dass im Verhaeltnis Frauen mit einem Haendchen dafuer viel ehrgeiziger und aufstiegswilliger sind als Maenner. Wohlgemerkt, meine selektive Wahrnehmung. Das mag woanders ganz anders sein.



    Meine Schlussfolgerung daraus, was zumindest die mir bekannten Arbeitsumgebungen in Deutschland, Belgien und USA angeht (mehr kenne ich nicht):
    Ja, ich sehe das Phaenomen, dass viele Frauen weniger verdienen als Maenner, aber ich glaube nicht, dass es an gezielter Geschlechterdiskriminierung haengt. Sondern daran dass
    - sich in manchen Berufsgruppen mehr Maenner als Frauen und umgekehrt finden (sei es aufgrund persoenlicher Interessen oder Arbeitsbedingungen, die sich jemand antun will oder auch nicht) und dass bestimmte Berufe besser bezahlt werden als andere
    - dass moeglicherweise mehr Frauen als Maenner entscheiden, Kinder haben und diese dann auch betreuen zu wollen - und bedauerlicherweise wird in den meisten modernen Gesellschaften Kinderkriegen finanziell bestraft, zumindest wenn man zuvor einen hoeher bezahlten Job ausgeuebt hat
    - in der Tat etliche Frauen nicht gut im Verhandeln ihrer Gehaelter sind: Ich habe im Rahmen meiner eigenen Personalfuehrungserfahrungen festgestellt, dass Frauen vergleichsweise bescheidener auftreten als ihre maennlichen Kollegen (Ausnahmen bestaetigen die Regel) und weniger agressiv auf ihrer Position beharren - sofern der Arbeitgeber also nicht von sich aus Fairness walten laesst, kann es schon passieren, dass der, der besser verhandelt, dann auch mit mehr Geld fuer den gleichen Job nach Hause geht.




    Charlotte, Du fragst, warum Arbeiter(innen) in typischen Frauenberufen wie Pflege und Erziehung auch heute noch nicht ihre Gehaltsforderungen durchsetzen koennen.
    Das ist eine sehr gute Frage.
    Meine Theorie dazu ist, dass es mit Angebot und Nachfrage am Markt zusammenhaengt. Industriegewerkschaften sind sehr gut organisiert und sehr stark. Ich weiss nicht, ob es in der Pflege aehnlich ist. Meine Vermutung ist, dass der Leidensdruck, der durch Streik oder Arbeitsverweigerung von Pflegepersonal hervorgerufen wird, nicht hoch genug ist, weil es moeglicherweise genug arbeitswilligen Ersatz gibt, der sofort zur Stelle ist, um die schlechter bezahlte Position einzunehmen.


    Mein Aequivalent aus meiner eigenen Branche dazu ist die Computerspiele-Entwicklung, eine Multimilliardendollar-Industrie. Die Loehne in den unteren und mittleren Positionen, die ca. 80% der Stellen ausmachen - also die Leute, die all die praktische Arbeit ausfuehren, sind unter aller Kanone. Warum? Weil sich hunderttausende von idealistischen jungen Leuten darum reissen, einen Job in dieser Industrie zu bekommen (aufgrund ueberzogener Vorstellungen, was den Spassfaktor angeht, aufgrund von Maerchenstories ueber die Aufstiegschancen, aufgrund von Prestige etc.). Zahlreiche Firmen haben 5 Festangestellte (das sind die technischen Supercracks, die die Konzeption und Vorbereitung machen) und 30 unbezahlte Praktikanten, die hoffen, dass ihre Mitwirkung an dem potentiellen Spiele-Hit ihnen a) unsterblichen Ruhm in der Community und b) zahlreiche gutbezahlte Jobangebote von anderen Spieleentwicklungsstudios einbringen wird, da sie ja danach die grosse Industrieeerfahrung haben. Dafuer arbeiten sie gern 16 Stunden 7 Tage die Woche und bringen sogar noch ihren eigenen privat bezahlten Computer mit in die Firma, weil der Arbeitgeber ihnen keine anstaendige Ausruestung zur Verfuegung stellt.
    Alles Schall und Rauch und Illusion.
    Aber die Firmen muessen nichts an diesen Bedingungen wie auch der miesen Bezahlung aendern, denn draussen vor der Tuer stehen fuer jeden, der geht, ja schon dreissig andere, die laut "Hier!" schreien.


    Ich koennte mir vorstellen, dass die besagten Niedriglohnbranchen unter einem aehnlichen Phaenomen leiden. Da ist der Grund fuer die Flut an Arbeitskraeften zwar ein anderer, aber der Effekt ist der Gleiche.



    Liebe Gruesse,
    Andrea

  • Gleichberechtigung im Beruf? Davon wird bei uns in DK immer gesprochen. Hoffentlich gilt die Gleichberechtigung auch mal für die Bezahlung. Da hapert es noch gewaltig.


    Edit: Aber Bott, deine Ausführungen finde ich interessant. Mein Sohn ist im vergangenen Jahr zu seiner Freundin in die Schweiz gezogen. Bei uns in DK gibt es eine "Kinder-pass-Garantie", also die Kinder bekommen "garantiert" einen Platz in der Kinderkrippe....

  • Ich glaube, die Unterbezahlung im Pflegebereich liegt auch daran, dass der Arbeitnehmer /die Arbeitnehmerin nicht einfach so verschwinden kann, wenn noch kein Ersatz da ist. Das hätte dann noch nicht mal was mit den Geschlechtern zu tun.


    Aus welchem Grund sollte man Erzieherinnen und Krankenschwestern Überstunden bezahlen, wenn sie sowieso nicht einfach nach Dienstschluss abhauen können, wenn keine Ablösung da ist? Das wäre zumindest meine Theorie.

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

  • Zitat

    Original von Eddie Poe
    Ich glaube, die Unterbezahlung im Pflegebereich liegt auch daran, dass der Arbeitnehmer /die Arbeitnehmerin nicht einfach so verschwinden kann, wenn noch kein Ersatz da ist. Das hätte dann noch nicht mal was mit den Geschlechtern zu tun.
    Aus welchem Grund sollte man Erzieherinnen und Krankenschwestern Überstunden bezahlen, wenn sie sowieso nicht einfach nach Dienstschluss abhauen können, wenn keine Ablösung da ist? Das wäre zumindest meine Theorie.


    ... womit dann doch wieder Idealismus (oder die Ausnutzung desselben) eine Rolle spielen wuerde ... dann ist mein Spieleindustrievergleich vielleicht gar nicht so weit hergeholt :rolleyes.
    Denn warum bleibt man laenger? Weil einem das alles nicht ausreichend egal ist, als dass man einfach geht und sagt - dann pflegt euch doch selbst. Und schickt die Beschwerde an den Krankenhausbetreiber, wenn ihr beinahe gestorben waert, weil keiner auf die Notklingel reagiert hat. Um es mal ueberspitzt auszudruecken.


    - Andrea

  • Zitat

    In meiner Familie habe ich viele Frauen in Führungspositionen, die durchweg gute Gehälter bekommen (allerdings fällt in dem Bereich das Gehalt je nach Verhandlungsgeschick anders aus - man muss wissen, was man wert ist und dies auch einsetzen). Allerdings hat keine jemals nur halbtags gearbeitet, sondern aufgrund ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit grundsätzlich eine Vollzeitposition inklusive vieler Überstunden inne (gehabt).


    Genau das ist der springende Punkt: Eine berufstätige Mutter mit einem 16 Std Tag und wahrscheinlich dementsprechend vielen auswärtigen Aufenthalten hat zumindest in meinem Umfeld ein Problem. Als unser Sohn klein war teilte mir der KiGa häufig Montags mit: "Mittwoch machen wir einen Ausflug nach xy. Bring Deinen Sohn bitte um 9:30 (statt um 7:00) zum Bahnhof und hole ihn dort um 11:30 (statt 13:30) wieder ab. DAS hat mich wirklich auf die Palme gebracht! Geholfen hat es nicht. Der KiGa hatte sehr lange Wartezeiten, ich habe meinen Sohn angemeldet, als er 8 Wochen alt war und mit Mühe und Not ist er dann mit 3 1/2 an einen Vormittagsplatz gekommen. Vorher hatten wir das Tagesmutter-Drama. Die fielen immer dann wegen Krankheit aus, wenn man es gar nicht gebrauchen konnte.


    Ich habe bis 6 Wochen vor der Geburt (unerlaubterweise nach deutschen Gesetzen) jeden zweiten Tag von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr gearbeitet, den Tag dazwischen von 7:00-18:00 Uhr. Damals (oh Gott ist das lange her) habe ich zeitweise besser verdient als mein Mann. Das hilft zwar um später wenigstens einen vernünftien Job zu bekommen, aber mein Gehalt ist ins bodenlose gesunken, aufgrund der mangelnden zeitlichen Verfügbarkeit.


    Und ein anderer Aspekt wird meines Erachtens dabei komplett vernachlässigt: Ein Kind ist kein Spielzeug, dem ich mal Zeit opfere, wenn mein Job es mir erlaubt und das ansonsten irgendwo betreut wird. Mal abgesehen davon, das es nicht automatisch gesund ist und bleibt.


    Ich kann und will arbeiten und kann und will Mutter sein, aber es kostet mich 15 Jahre (Jahre, in denen ich noch dazu leistungsfähig und -willig bin) in denen ich nicht frei tun und lassen kann was ich will. Auf beiden Seiten reicht es in diesen Jahren in der Regel nur zu einem Kompromiss. Mütter bewegen sich dann häufig an der Erschöpfungsgrenze, gerade in den ersten Jahren.

  • Zitat

    Original von Alice Thierry:Ich sage nur eins: Über 90% aller Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Vorstände von Unternehmen sind männlich! Dabei eignen sich z.B. gerade Aufsichtsratstätigkeiten besonders gut für Frauen mit Familie, da diese Posten sich häufig in kleinem zeitlichem Rahmen halten (die Zahl der Sitzungen im Jahr ist überschaubar) und dafür sehr gut entlohnt werden. An der Qualifikation allein kann es nicht liegen, dass auch hier die Herren dominieren, denn ich habe erlebt, dass selbst ein Möbelpacker (gerade Mitte 20) zum Aufsichtsrat befördert wurde. - Er hatte die richtigen Kontakte hinter sich.


    Bei Aussagen, die die Begrifflichkeiten kleiner zeitlicher Rahmen und Aufsichtsratstätigkeit in einem Satz unterbringen, bekomme ich (Angst-)Zustände.
    Vielleicht magst Du diese Ansichten mal den Landesbanken schildern, die die Aufsichtsratsposten mit Landespolitikern besetzt haben, die bei geringem Aufwand die Lage jedenfalls nicht überblickt haben und dies leider auch noch öffentlich einräumen.
    Erwähnenswert wäre in diesem Zusammenhang vielleicht noch, dass es Aufsichtsratsposten nicht wie Sand am Meer gibt ;-).

  • Ich bin gerne Mutter und ich möchte gar nicht 16 Std. am Tag arbeiten um dann völlig fertig zu Hause ins Bett zu fallen und meine Kinder nur fremdbetreuen zu lassen...
    Heute morgen wurde ich zum Frühstück ausgeführt in ein 5 Sterne Hotel (Geburtstag) die Kinder haben gestaunt und ich habe zu meinem Mann gesagt (scherzhaft) ers olle doch endlich mal aufsteigen, damit wir in so einem schicken Hotel mal Urlaub machen können... Da hat er gesagt:Kann ich gerne machen mein Schatz, dann Frühstücke ich öfter in solchen Hotels, leider ohne Euch. Heißt, er wäre dann fast nicht mehr zu Hause. Das wollen wir auch nicht.
    Also ich denke, in vielen Berufen ist es möglich genauso viel zu verdienen. Es ist immer die Frage, was man will. Blöd ist halt, das man hier in Deutschland fast keine Möglichkeit hat sein Kind durchweg ohne Probleme betreuen zu lassen.
    Und die 400 €-Jobs machen die Sache leider auch nicht einfacher!

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Bei Aussagen, die die Begrifflichkeiten kleiner zeitlicher Rahmen und Aufsichtsratstätigkeit in einem Satz unterbringen, bekomme ich (Angst-)Zustände.
    Vielleicht magst Du diese Ansichten mal den Landesbanken schildern, die die Aufsichtsratsposten mit Landespolitikern besetzt haben, die bei geringem Aufwand die Lage jedenfalls nicht überblickt haben und dies leider auch noch öffentlich einräumen.
    Erwähnenswert wäre in diesem Zusammenhang vielleicht noch, dass es Aufsichtsratsposten nicht wie Sand am Meer gibt ;-).


    Die Idee eines Aufsichtsrats ist eigentlich, dass diese Leute aufgrund langjaehriger fundierter Wirtschaftserfahrung die Firma beraten, sie mit den richtigen Leuten in Verbindung bringen (Partner oder Investoren z.B.) und ggf. korrigierend in den Kurs eingreifen koennen (ich weiss, das ist die Theorie). Daraus resultiert aber, dass man, um sich fuer eine solche Position zu qualifizieren, erstmal seine 15 oder 20 Jahre in der Wirtschaft Karriere gemacht haben sollte. Denn wie anders sollte man sonst an die notwendige Erfahrung, Wissen und Kontakte kommen, die man dann in diese Rolle einbringt?
    Damit sind wir wieder beim Anfangsproblem: Denn diese 15 oder 20 Jahre sind die mit den 16-Stunden-Tagen und immer auf Reisen usw. usw.


    LG, Andrea

  • Zitat

    Original von träumerle
    Ich bin gerne Mutter und ich möchte gar nicht 16 Std. am Tag arbeiten um dann völlig fertig zu Hause ins Bett zu fallen und meine Kinder nur fremdbetreuen zu lassen...
    Heute morgen wurde ich zum Frühstück ausgeführt in ein 5 Sterne Hotel (Geburtstag) die Kinder haben gestaunt und ich habe zu meinem Mann gesagt (scherzhaft) er solle doch endlich mal aufsteigen, damit wir in so einem schicken Hotel mal Urlaub machen können... Da hat er gesagt:Kann ich gerne machen mein Schatz, dann frühstücke ich öfter in solchen Hotels, leider ohne Euch. Heißt, er wäre dann fast nicht mehr zu Hause. Das wollen wir auch nicht.


    Da ist viel Wahres dran!!

  • Bott  
    Dass das in der Schweiz so krass ist, hätt ich jetzt nicht gedacht. :wow


    Hier in meinem beruflichen Umfeld stimmt die Aussage von der fehlenden Gleichberechtigung durchaus. Es gibt zwar für Männer wie Frauen das gleiche Gehalt, aber die Positionen sind zumindest in der Führungsetage extrem ungleich verteilt. Frauen müssen bei gleicher Qualifikation deutlich mehr leisten, um hier punkten zu können. Latent unterstellt man ihnen doch, dass sie öfter mal die Prioritäten anders setzen könnten, wenn sie Familie haben. Haben sie keine, könnten sie entweder noch Kinder kriegen, oder aber sind schon wieder zu alt und es steht ein junger dynamischer Kollege im Weg.

  • Es ist vielleicht ein Seitenaspekt des Themas, aber ich glaube vieles von dem, was Susan Pinker in ihrem Buch schreibt.


    Zitat

    Warum sind es die »schwierigen Jungs«, die später beeindruckende Karrieren machen, während die viel versprechenden Mädchen immer noch selten auf die Chefsessel gelangen? Susan Pinker zeigt, dass sich Mädchen und Jungs von klein auf unterschiedlich entwickeln und was das für ihre Lebensentscheidungen bedeutet. Dabei stellt sie einige lieb gewonnene Annahmen in Frage und macht klar, dass Männer und Frauen nicht das Gleiche wollen – weder am Arbeitsplatz noch im Leben.


    http://www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=272533


    Nein, das ist nicht die schnöde "Frauen sind zum Kindererziehen geboren und zu doof für die Karriere"-Arie. Da würde ich auch schreiend weglaufen.


    Gaaaanz verkürzt gesagt, ist die Berufswelt von Haus aus eine Männerwelt und wird nach Regeln gespielt, denen sich nur ein Teil der Frauen überhaupt mit Haut und Haaren unterwerfen mag. Die Anwesenheits,- Verfügbarkeits- und Überstundenkultur, z.B. Karriere macht nur, wer rund um die Uhr für die Firma da ist. Kinder, Partner, pflegebedürftige Angehörige oder sonstiges Privatgedöns kommt in dem System nicht vor.


    Zitat

    (...)Die Soziologin (Catherine Hakim) hat Daten aus europäischen und amerikanischen Bevölkerungsstatiken zusammengetragen, die den Gedanken an eine vereinte Schwesternschaft untergraben und zeigen, dass Frauen in modernen Gesellschaften alles andere als eine homogene Gruppe sind. Sie lassen sich vielmehr in drei relativ klare Gruppen unterteilen.


    Da sind die Frauen, die Vollzeit zu Hause bleiben wollen und die Hakim als „familienzentriert“ bezeichnet (etwa 20 Prozent). Dann gibt es die Frauen, für die der Beruf Vorrang hat und die sie „berufszentriert“ nennt (etwa 20 Prozent). Diese karriereorientierten Frauen machen kaum die Erfahrung, dass ihr Frausein sich nachteilig auswirkt; wenn sie dieselben Qualifikationen mitbringen und genauso viel Zeit in die Arbeit investieren, erhalten sie dieselben Belohnungen wie die Männer.


    Die Mehrheit, die verbleibenden 60 Prozent, sind Frauen, die versuchen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen; auf der Suche nach einem passenden Arrangement wechseln sie zwischen verschiedenen Arbeitszeitregelungen und Anstellungen hin und her.(...)
    Seite 217/218



    Da waren auch interessante Beispiele von Frauen, die es karrieremäßig schon geschafft hatten, aber irgendwann keinen Sinn mehr in noch mehr Verantwortung und noch längeren Arbeitszeiten sahen und kürzertraten oder ausstiegen.


    Eine Dame hätte befördert werden sollen, was u.a. bedeutet hätte, dass sie mit ihrer ganzen Familie hätte umziehen müssen.


    Ihre Überlegungen waren: Das wäre ein beruflicher Neuanfang für meinen Mann und für ihn mit Verlusten verbunden. Die Kinder würden aus der vertrauten Umgebung gerissen. Und was mach ich mit den Eltern, die auch nicht mehr die jüngsten sind? Auch nochmal ans andere Ende des Landes verpflanzen? - Sie hat dann die Beförderung abgelehnt, weil ihr ein stabiles familiäres Umfeld wichtiger war als eine höhere Position im Unternehmen.


    Einige haben sie für meschugge erklärt und gesagt, da stand sich wieder mal eine der Weibsen selbst im Weg, aber ich konnte ihre Gedanken vollkommen nachvollziehen.


    Wenn 80% der Frauen mit dem System kämpfen, das nicht für sie konzipiert wurde, wundert mich nicht, dass so wenige die ganz große Karriere machen.


    Warum die Erziehungs- und Pflegeberufe so unterbezahlt sind, ist wieder ein anderes Thema. Die Frauen machen's halt für den Preis. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Das müsste man mal separat beleuchten.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • @ Vandam:


    Du sprichst wichtige Aspekte an.


    Zitat

    Original von Vandam:Wenn 80% der Frauen mit dem System kämpfen, das nicht für sie konzipiert wurde, wundert mich nicht, dass so wenige die ganz große Karriere machen.


    Dem möchte ich entgegnen, dass auch Männer Eltern und Kinder sind, auf die Erziehungs- und Pflegeaufgaben hinzukommen.
    Nur leider wurde in der männlichen Erziehung nicht der Schalter auf "schlechtes Gewissen" umgelegt, wenn man sozialen Verpflichtungen nicht nachkommt.
    Frauen werden m.E. eher von Gewissenskonflikten geplagt und geben dann nach.
    Allerdings beobachte ich in meinem privaten Umfeld viele Männer, die sich ihrer neuen Rolle (zumindest in der Kindererziehung) stellen, aber in ihrem beruflichen Umfeld dafür nicht stigmatisiert werden.

  • Ich konnte mich gerade noch zurückhalten und werden diesen Fred daher nicht als "Jammer-Fred" bezeichnen. Kann es sein, dass hier auf einem ziemlich hohen Niveau geklagt wird?


    Liegt es nicht an den Frauen (wenn wir sie denn jetzt einmal als homogene Masse ansehen, die sie ja nicht sind) selbst, ihre gesetzlich verankerten Rechte vehement einzufordern? Wieso scheinen immer andere für diese "Misere" verantwortlich zu sein?


    Es ist doch auch nicht richtig, dass Frauen in dieser Gesellschaft nur wenige verantwortliche Positionen bekleiden:


    Das mächtigste Amt in diesem Lande wird von einer Frau ausgeübt. Angela Merkel ist Bundeskanzlerin.


    In Hamburg beispielsweise sind Spitzenämter in der Justiz von Frauen besetzt. So ist die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts und in Personalunion mit der Präsidentschaft des Hamburger Verfassungsgerichts eine Frau und damit die höchste Richterin dieses Bundeslandes.


    Die Generalstaatsanwaltschaft wird ebenfalls von einer Frau geleitet.


    Und auch in der Wirtschaft haben wir mit Frau Schickedanz und Frau Quandt nun wirklich Wirtschaftsführerin, auch wenn diese in ihren Entscheidungen nicht immer eine glückliche Hand bewiesen haben - aber das scheint bei WirtschaftsführerInnen ja nun einmal an der Tagesordnung zu sein.


    Zudem sind beispielsweise immer mehr Männer bereit "typische" Frauentätigkeiten zu übernehmen, ganz oder auch teilweise.


    Wenn die Frauen meinen sie wären so arg benachteiligt, dann ist mir nicht ersichtlich, warum sie nicht endlich dahergehen und diese für so - ja so unerträglichen - Zustände zu ändern. Die politische Möglichkeit dazu hätten sie.


    Das ausschließliche Beklagen einer Situation ändert nichts - aktives Handeln ist gefordert oder müssen auch hier die Frauen zum Jagen getragen werden? :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.