Bachmann-Preis 2009-2010 - Diskussionsthread

  • Auszeit von Andreas Schäfer ist jetzt der zweite Text (nach dem Text von Christiane Neudecker), der mir richtig gefallen hat. Den Rest des zweiten Tages fand ich weniger ansprechend und entsprechend schnell habe ich mich durch den Tag gezappt.


    Ob es ein Zufall ist, dass meine beiden favorisierten Texte in globalen Arbeits- und Lebenswelten spielen? Zumindest sind beide Text sehr gut gemacht. Die Diskussion von Schäfer habe ich noch nicht gesehen, aber man wird auch sicherlich diesen Text als "zu routiniert" beschreiben.

  • Anfangs schon ziemlich schwach, z.B. der erste Satz, überflüssig, das hat die literarische Qualität wie das Gespräch mit den Nachbarn über das Wetter!


    Inhaltlich wird es langsam spannender, interessante Ansätze, aber sprachlich alles andere als ein Feuerwerk. Letztlich ein Text für das Mittelfeld!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Anfangs schon ziemlich schwach, z.B. der erste Satz, überflüssig, das hat die literarische Qualität wie das Gespräch mit den Nachbarn über das Wetter!


    Inhaltlich wird es langsam spannender, interessante Ansätze, aber sprachlich alles andere als ein Feuerwerk. Letztlich ein Text für das Mittelfeld!


    Ich fand den Text brauchbar. Mehr nicht. Die Feßmann hat hier wahrscheinlich tatsächlich Recht mit den handwerklichen Mängeln. Der Wetterbericht zu Beginn ist ein bekanntes literarisches Klischee. Das passt ins Anfängerschreiberforum. Der Text ist aber nicht durchgehend so schwach und insgesamt durchaus lesbar.


    Aber um was zum Teufel ging es bei dem Winkler Text?

  • Mein Resümee für dieses Jahr:


    Richtig gefallen haben mir die Texte von


    Andreas Schäfer (meine Stimme für den Publikumspreis),
    Christiane Neudecker und
    Ralf Bönt (nachdem ich mir den Text noch mal angesehen habe).


    Von allen drei Autoren könnte ich mir vorstellen, Bücher zu kaufen und zu lesen.


    So richtig schlecht fand ich wenig (außer vielleicht Bruno Preisendörfers "Fifty Blues"), aber ich fand sehr viele Text einfach zu langweilig und uninspiriert. Was mir fehlt sind Texte, von denen ich erwarte, dass sie später bei mir gewinnen. In vergangenen Jahren waren mir z.B. Tillman Rammstedt oder Alina Bronsky bei der Lesung ihrer Romanausschnitte kaum aufgefallen, die fertigen Romane später fand ich aber großartig.


    Die Juroren: da schließe ich mich Volker Hages Kommentar in einer Pausendiskussion an: es gab vielleicht drei Juroren, den man folgen konnte, bei allen anderen war es schon teilweise anstrengen denen überhaupt zuzuhören (Feßmann, Fleischhanderl, Keller), Jandl und Selzer hatten gute und schlechte Momente, Mangold ist mein Favorit und Spinnen war gut, aber er ist irgendwie nicht der perfekte Juryvorsitzende (war ein besserer "Flügelspieler").


    Moderation: Clarissa Stadler. Könnte ich bitte den Granditz wiederhaben? Ich finde Moderatoren sollten wärend einer Diskussion keine inhaltliche Beiträge machen (= Klappe halten).


    Pausendiskussion (von dem, was ich mitbekommen übers Internet und heute im TV mitbekommen habe): gut. Isenschmid als zweiter Diskussionmoderator ist ein Gewinn.


    Durchwachsenes Jahr.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Eine Kombination aus Sprache und Handlung wäre wünschenswert.


    :rofl
    Oder zumindest aus Lauten und erkennbarem Sinn.


    Gregor Sander hat mir ziemlich gefallen. Die Beschreibungen dieser norddeutschen Charaktere und die Dialoge fand ich durchaus gelungen. Den Textaufbau nicht chronologisch zu gestalten, sondern die verschiedenen Zeitebenen über Assoziationen ineinanderzuschieben, fand ich auch gelungen. Man sollte den Text nicht unterschätzen - da steckt inhaltlich sehr viel unter der scheinbar ruhigen Oberfläche!


    Katharina Borns Zeitgeschichte, fand ich im Vergleich dazu nicht so dolle und frage mich, woher das kommt. Liegt das an den unsympathischen Figuren? An der Familienpsychologie? Daran, dass mir die 68er so klischeemäßig gezeichnet vorkommen, die Sprache so konventionell? "Piefig" ist das Wort, das mir hier in den Sinn kommt.


    Caterina Satanik. Wenn eine Frau, die noch nie im Leben irgendwo irgendetwas veröffentlicht hat mit einem Text über die Trennung vom Ex-Freund und Esoterik ankommt, dann bin ich auf das Schlimmste gefasst. Und schon froh, dass das Schlimmste nicht eingetroffen ist. Trotzdem, die bemühte Naivität der Erzählerstimme wirkt für mich höchstens putzig und rettet das schwache Sujet auch nicht.
    Und wer sich zum Bachmannpreis wagt, der sollte nicht auf Welpenschutz rechnen... :peitsch



    Meine Favoriten:
    - Andreas Schäfer, weil ich die Erzählstruktur sehr reizvoll finde, wie das dramatische Ereignis erst Stück für Stück und in Nebensätzen herauskommt, weil die sprachlichen Details hier einmal wirklich stimmig eingesetzt sind. Hier ist einer, der schreiben kann.
    - Gregor Sander, weil ich die Figuren mag.
    - Bruno Preisendörfer, weil Humor so rar gesäht war im diesjährigen Wettbewerb, dass man für jede gelungene Pointe dankbar ist.
    - Karsten Krampitz, dessen Text mir immer besser gefällt, je länger ich drüber nachdenke, weil er einer der wenigen ist, die eine Geschichte erzählen, die mich wirklich neugierig macht.
    - Ralf Bönt, weil das nicht unbedingt der beste Bachmann-Text ist, aber sicher ein gut verkäuflicher Unterhaltungsroman a la Kehlmann wird.
    - Und so rein optisch: Lorenz Langenegger :chen


    Der Preis in der Kathegorie "Lieblingsjurorin" geht für mich dieses Jahr an Hildegard Keller. Sie ist nicht nur literaturgeschichtlich kompetent, was mich besonders für sie einnimmt ist ihre warme, menschenfreundliche Ausstrahlung, die Wertschätzung, die sie dem anderen entgegenbringt.



  • 3 von 5 richtig getippt. :-) Und Schäfer is knapp an einem Preis vorbeigeschrammt. :rolleyes

  • http://www.zeit.de/kultur/lite…lagenfurt-passig?page=all :


    "Wir wünschen uns seriöse Autoritäten, die Urteile wie Donnerhall sprechen. Stattdessen bekommen wir zweifelhaft gekleidete Personen, die den Rest des Jahres womöglich gar keine richtigen Berufe ausüben, herzlos mit den Autoren umspringen und wirre Argumente garniert mit privaten Geschmacksäußerungen vortragen."


    "Die "Tage der deutschsprachigen Literatur" sind nicht dazu da, dem Zuschauer Kauf- und Leseempfehlungen an die Hand zu geben. Sie dienen der Verständigung über das, was wir uns von Texten, Autoren und Kritikern erwarten. Und diese Aufgabe erfüllen sie besser als jedes andere Format. Diese fehleranfällige, alberne, tapfere, manchmal fruchtbare und regelmäßig scheiternde Auseinandersetzung mit Texten ist die beste Literaturkritik, die wir haben."

  • Bachmann Preis ist und dieses Jahr gibt es ein Public Viewing der Lesungen im Lendhafen Café mitten in Klagenfurt --> so eine coole Idee und ich kann nicht dabei sein weil ich ein paar Kilometer weiter arbeiten muss :-(


    Aber die Idee is sowas von cool!

    „Die Welt ist ein einziger unaufhörlicher Querverweis.“


    ...who wants to live forever...

  • Leider hinke ich diesmal den Lesungen stark hinterher.
    Ein paar Texte habe ich jetzt aber doch gesehen.


    Der erste Text Katzenberge enttäuscht, die Jurydiskussion ist dann auch dementsprechend vernichtend.


    Hubert Winkels als neuer Juror gefällt mir sehr gut!


    Dabei hatte mich das Buch vorab vom Inhalt sehr interessiert und vielleicht funktioniert es ja als komplettes Buch besser als nur als Ausschnitt!



    Kurzbeschreibung
    Reise an den Rand der Zeit Magisch, suggestiv und präzise erzählt Sabrina Janesch von Heimatlosigkeit, von Orten der Sehnsucht und von Schuld, die nicht vergeht. Ihr Roman handelt von einer deutsch-polnischen Familie, die dem Mahlstrom der Geschichte ausgesetzt ist, bis hin zu ihrem jüngsten Spross. Selten hatte ein Debüt mehr Kraft und Reife. Sabrina Janesch hat polnische und deutsche Wurzeln. Sie gewann zahlreiche Preise und Stipendien und war u. a. Stadtschreiberin von Danzig. Ihr Debütroman sorgt schon vor Erscheinen für Furore. Eine junge Frau, halb Deutsche, halb Polin, fährt durch die im Nebel versunkene niederschlesische Landschaft: Nele Leibert ist auf dem Weg zum Grab ihres Großvaters. Ihre Gedanken schweifen in die Vergangenheit. Ihr geliebter »Djadjo« war eigensinnig und der Nachtseite des Lebens ausgeliefert. Unablässig kämpfte er gegen die Dämonen, die die Deutschen in Schlesien zurückließen. Noch seine Enkeltochter steht im Bann der Geschichte. Nur eine Reise ins Gestern kann den Fluch aufheben. Und so begibt sich Nele bis nach Galizien, an den Rand der Zeit. Dabei wird sie vom Erbe ihres Großvaters und einem schrecklichen Verdacht heimgesucht.


    Über die Autorin:
    Sabrina Janesch studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, außerdem Polonistik in Krakau. U. a. Gewinnerin des O-Ton Literaturwettbewerbes des NDR, Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des LCBs. Sie war erste Stadtschreiberin von Danzig und erntete dabei viel Medienaufmerksamkeit. Zurzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Roman.

  • Die Geschichte ist ziemlich hart und auch drastisch erzählt. Das fand ich prinzipielll nicht schlecht, teile aber trotzdem die Zweifel der Jury. Aber auch die Kommentare von Karin Fleischanderl sagten mir ansatzweise zu. Jandls Einwand gegen die Sprache weniger.


    Mich würde interessieren, ob die Story "Ausflug" etwas mit dem kommenden Roman „An dem Tag, als ich meine Friseuse küsste, sind viele Vögel gestorben“ zu tun hat. Ggf. könnte das ein interessantes Buch sein.

  • Dieser Textausschnitt hat Substanz. Durchaus interessant, vielleicht wäre das Buch was für mich.


    Kurzbeschreibung
    In den Stollen eines Kohlereviers ist vor Jahrzehnten ein Feuer ausgebrochen und noch immer lodern unter Tage die Flammen. Margarete und Fritzi sind die übrig gebliebene Jugend einer verschwindenden Stadt. Ihr Erbe ist nichts als ein verlassenes Gebiet, in dem Verwüstung herrscht. Frühere Ereignisse sind nur bruchstückhaft überliefert. Doch die beiden Schwestern wollen diesen Zustand nicht hinnehmen. Entschlossen brechen sie auf zu einer Expedition, um ihre eigene Herkunft zu erforschen. Denn nur wer seine Geschichte kennt, kann sich eine hoffnungsvolle Zukunft aufbauen
    Mit der Wiederentdeckung eines längst vergessenen Flusses wird für Margarete und Fritzi nicht nur ein neues Leben greifbar. Endlich gibt es auch einen Anlass, Einladungen für ein großes Fest zu verschicken: "Kommt auf euren Fahrrädern gefahren! Kommt auf euren weißen Pferden geritten!"


    Über die Autorin:
    Dorothee Elmiger wurde 1985 in Wetzikon (Schweiz) geboren und wuchs in Appenzell auf. Sie studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und verbrachte ein Semester am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Seit 2009 studiert sie Politikwissenschaft in Berlin.

  • Ich bin dieses Jahr geradezu erschreckend einig mit der Jury in ihrer Bewertung. Winkels ist eine gute Ergänzung. Oft einleitend kommentierend, manchmal fast moderierend und in der Sitzordnung schon auffällig mittig platziert, wirkt es fast als könnte er nächstes Jahr Jury-Opa Spinnen als Jurysprecher ablösen, was aber durchaus schade wäre: ohne Spinnens pointierte Kommentare wäre es vielleicht etwas zu dröge. Besonders treffend fand ich die Bewertung von Dorothee Elmigers Text im Vergleich zu dem Text von Michael Ballhausen. Zwei post-apokalyptische, phantastische Texte. Im ersten konnte ich eintauchen, der zweite wirkte nur kommentierend und selbsterklärend.


    Meine bisherigen Favoriten:


    Dorothee Elmiger: wie erwähnt. Fesselnder Endzeittext. Einziges Problem könnte sein, dass er mit zu vielen anderen Texten dieser Art von Autoren wie Margaret Atwood bis zu J.G. Ballard konkurrieren muss. Es bleibt abzuwarten, ob der gesamte Roman dem Genre wirklich etwas Eigenständiges hinzufügt.


    Aleks Scholz: bekommt von mir den Preis für das beste Vorstellungsvideo und für das beste T-Shirt. Zusammen mit Kathrin Passig hat er "Verwirren: Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene" geschrieben, das ich sehr gerne gelesen habe. Passig hat vor ein paar Jahren mit ihrem einzigen fiktionalen Text bisher den Bachmannpreis gewonnen und Scholz scheint dieselbe Strategie verfolgt zu haben: perfekt konstruierter Text, wahrscheinlich gezielt für diesen Wettbewerb geschrieben. Wieso habe ich das Gefühl, dass auch dieser Text nur ein einmaliger Ausflug des Autors ins Fiktionale bleiben wird? Oder gar wie Passigs Beitrag ein Versuch ist, den Bachmannpreis zu unterwandern? Mir egal, der Text hat mir trotzdem gefallen.


    Christopher Kloeble: schon mit ein paar mehr handwerklichen Schwächen, aber ich habe den Text trotzdem gerne gehört.


    Ansonsten:


    Max Scharnigg: ging ein wenig an mir vorbei, aber ich habe mir den Text vorgemerkt, um ihn noch mal zu lesen. Steckt vielleicht mehr drin als ich beim ersten Hören wahrgenommen habe.


    Judith Zander: langweilig. Einziger Text, den ich bisher abgebrochen habe.


    Josef Kleindienst: spektakulärer Anfang, harter Stoff, handwerklich erschreckend schwach.


    Der Rest hat bei mir keinen besonderen Eindruck hinterlassen.