Bachmann-Preis 2009-2010 - Diskussionsthread

  • Bachmann-Preis in Klagenfurt. Seit 1977 wird der Wettbewerb schon durchgeführt.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ingeborg-Bachmann-Preis


    Heute ist es wieder losgegangen und ich konnte heute nichts live sehen, da ich arbeiten musste. Also sehe ich es mir im Internet nachträglich an. http://bachmannpreis.eu/de/audio_video/1928
    Morgen will ich es live in 3Sat sehen.


    Begonnen hab ich mit Christiane Neudecker, von der ich schon mal ein Buch gelesen und bei Buechereule rezensiert hatte.
    Nirgendwo sonst - Christiane Neudecker


    Schon das Videoportrait der Autorin war lustig.
    Auch der Text ist interessant. Die Autorin ist sprachlich stark und schafft es visuell kraftvolle Bilder zu erschaffen.
    Ein Favorit auf einen der Preise.


    Die Diskussion der Juroren zum Text kann man leider nicht sehen. Der Link funktioniert irgendwie nicht. Oder mache ich was falsch?

  • Der erste Autor, der liest. Ein Autor aus der Schweiz, vorgeschlagen von Jurormitglied Alain Claude Sulzer. Der in sich abgeschlossenen Geschichte stehe ich zuerst skeptisch entgegen, dieser Sonderling Viktor, seine Isolation und sein Sitzen auf Bänken beim Friedhof will mir nicht behagen, doch als sich ein Mann zu ihm setzt, wird die Story stimmungsvoller.
    Insgesamt befürchte ich aber, dass mir weder Text noch Autor lange im Gedächtnis bleibt.


    Die Diskussion ist spannend, die Auffrischung der Besetzung der Jury kann belebend wirken. Immerhin gibt es mit Burkhard Spinnen auch ein langjähriges Jurymitglied, und wie immer sind seine Einwürfe köstlich!


    Über den Autor von Amazon:
    Lorenz Langenegger, geboren 1980, lebt und schreibt in Zürich. Er studierte Theater- und Politikwissenschaft und gewann 2006 den Stückewettbewerb der Schaubühne Berlin. Dort, aber auch am Nationaltheater Mannheim wurden Stücke von ihm uraufgeführt. Er ist Mitglied der Autorengruppe Die Autören.

  • Georg Büchner-Preisträger Josef Winkler erhält den Georg-Büchner-Preis 2008
    Joseph Winkler hält die Eröffnungsrede mit dem Titel Der Katzensilberkranz in der Henselstraße.


    Bissig, wenn auch weitgehend humorfrei! Naja! Recht hat er sicher! Möge die Rede den Politikern in den Ohren geklingelt haben!


    Hier geht es zur Rede: http://bachmannpreis.eu/de/information/1801

  • Philipp Weiss - Blätterliebe


    Thematisch angelegt, macht der Autor am Ende der Diskussion dass wahr, was sein Text thematisch anlegt.
    Genüsslich verspeisst er das Manuskript seines Textes.


    Erstaunlich war auch schon das Autorenportrait, in dem Philipp Weiss nichts spricht!!!


    Über den Autor
    Philipp Weiss, geboren 1982 in Wien, schreibt Prosa und Theaterstücke. 2006 erhielt er das Hermann-Lenz-Stipendium, zuletzt veröffentlichte er in den manuskripten.


    www.philippweiss.at

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Georg Büchner-Preisträger Josef Winkler erhält den Georg-Büchner-Preis 2008
    Joseph Winkler hält die Eröffnungsrede mit dem Titel Der Katzensilberkranz in der Henselstraße.


    Bissig, wenn auch weitgehend humorfrei! Naja! Recht hat er sicher! Möge die Rede den Politikern in den Ohren geklingelt haben!


    Hier geht es zur Rede: http://bachmannpreis.eu/de/information/1801


    Danke für die Verlinkung der Rede, die etwas lang, aber sehr interessant zu lesen war.


    Ich habe Josef Winkler im Frühling in Dresden bei einer Lesung erlebt und ihn als sehr faszinierende Persönlichkeit wahrgenommen und ich bin immer neugierig darauf, neues von ihm zu lesen.

  • Der Fotoeffekt (Auszug aus der Novelle) wurde von der Jury kontrovers diskutiert.


    Von Ralf Bönt erscheint sein Roman Die Entdeckung des Lichts bereits im August bei Dumont. Ich könnte mir vorstellen, dass der Text in einem größeren Rahmen auch verständlicher wird.


    Insgesamt gehe ich davon aus, dass Ralf Bönts am Ende unter den Preisträgern sein wird.
    Möglicherweise werde ich beim Publikumspreis morgen für ihn stimmen, zu wählen ist ab Samstag ab 15.00 Uhr:
    http://bachmannpreis.eu/de/bachmannpreis/868





    Kurzbeschreibung des Romans von Amazon:
    Michael Faraday genügt die Welt nicht, in die er 1791 geboren wird. Dem Sohn eines einfachen Schmieds fehlt es an allem, vor allem an Nahrung für seine unstillbare Neugier. Statt zur Schule zu gehen, muss er Zeitungen austragen und lernt durch sie die Welt kennen. Seiner Herkunft zum Trotz bringt er es bald zum Laborhelfer der Londoner Royal Institution. Zwei Phänomene halten die wissenschaftliche Welt in Atem: die Elektrizität und der Magnetismus. Wie hängen sie zusammen? Heimlich erforscht Faraday, wie aus Bewegung Strom wird und wie aus Strom Bewegung. Ein Ausflug ans Meer bringt ihn auf die Idee, im Licht nach einer Wellenstruktur zu suchen. Erst Albert Einstein entdeckt Rätsel in Faradays Harmonien. Über den Abstand eines Jahrhunderts hinweg berühren sich die Gedanken zweier Wissenschaftler.

  • Herr Palomar : Schön, dass du wieder dabei bist. :wave


    Meine Eindrücke der ersten 2 Lesetage: Die Jury ist nach dem Tiefpunkt letztes Jahr zum Glück wieder mehr mit den Texten beschäftigt als mit sich selber. Hildegard Keller (literaturgeschichtlicher Hintergrund, den sie einbringt, erfrischend, sympathisch und ermutigend gegenüber den Autoren) und Paul Jandl (unprätentiös und meistens meiner Meinung :-) ) sind eine echte Bereicherung.
    Meike Feßmann ist einfach nur peinlich. Schlimm. Hat sie die Texte nicht gelesen? Nicht verstanden? Kennt sie den Unteschied zwischen Literatur und Realität nicht? Zwischen Autor und Erzähler? :rolleyes


    Die Texte der ersten beiden Tage fand ich zum großen Teil brav, bieder. Es ist ein in Schreibwerkstätten offenbar weitverbreiteter Irrtum, dass ein Text besser werde dadurch, dass man so viele unwichtige Details wie möglich aneinanderreiht.
    Nö, wird er nicht.
    Es kommt darauf an, die richtigen Detaiils auszuwählen und auf diese zu fokussieren. Zu beschreiben, wie sich jemand die Schuhe zubindet und welche Farbe die Schnürsenkel haben, langweilt mich als Leser einfach nur, wenn es null Relevanz für die Geschichte hat.



    Gefallen haben mir bisher:


    Andreas Schäfer: "Auszeit" - Über einen Piloten, dessen Sohn getötet wurde. Für mich bisher der beste Text im Wettbewerb. Ein "großes" Thema (der Tod des Kindes), eine stimmige, bildliche Sprache aber ohne die überspannt-gezwungene Motivdrescherei, die mir so viele Texte in Klagenfurt verleidet, eine tolle Erzählstruktur - das Ungeheuerliche, das da passiert ist, erfährt der Leser erst nach und nach und so nebenbei, im Klanghintergrund sozusagen. Einziges Manko ist vielleicht, dass der Text ein Romananfang ist, und man merkt, dass er gerade erst "anrollt" und die Lesung zu Ende ist, bevor er noch richtig abgehoben hat.


    Mein zweiter Favorit bisher ist Bruno Preisendörfer mit "Fifty-Blues". Ich mag die verschiedenen Ebenen, mit denen der Text so scheinbar leicht und mühelos spielt - vom Slapstick bis zum Sinn des Lebens, Gott, Clown und Psychoanalytiker.
    Ein paar wunderbare Sätze, Pointen und Metaphern, die wunderbar in den Kontext passen, ohne bemüht und verkrampft zu wirken.


    Gute Rollenprosa ist die Lebensgeschichte (bzw. das Exposé davon) eines DDR-Pfarrers von Karsten Krampitz. Da steckt eine Menge Material drin - Religion, Widerstand, Geschichte.



    Die "Wir"-Perspektive in Linda Stifts Text (über eine Flüchtlingsgruppe in einem Schleuser-Lastwagen), über die die Jury so gestritten hat, fand ich übrigens absolut schlüssig: Diese Schicksale nehmen wir üblicherseise nur als abstrakte Zahlen wahr, die Menschen werden entindividualisiert, ihrer Menschenwürde beraubt. Das ist praktisch, denn mit einer Zahl haben wir kein Mitleid. Nur das Einzelschicksal vermag uns zu rühren. Und der Text legt den Finger genau in diese Wunde.




    Interessant finde ich auch die Diskussion über Google und die Digitalisierung der Literatur.
    Einerseits wünsche ich mir als Literaturwissenschaftlierin überall verfügbare und praktisch durchsuchbare elektronische Bücher und benutzerfreundliche Ausgabegeräte, Buch-iPods.
    Andererseits darf das aber nicht zu Lasten der Autoren und Verlage gehen, die gezwungen werden, das, was sie herstellen, quasi umsonst herzugeben, damit andere (Google) damit Geld verdienen.
    Da müssen erstmal vernünftige Regeln und Gesetze her, bevor man das online stellt, denn was einmal im Netz verfügbar ist, lässt sich nicht wieder zurücknehmen.
    Aber das wäre vielleicht einen eigenen Diskussions-Thread wert...

  • Zitat

    Original von flashfrog
    @Gute Rollenprosa ist die Lebensgeschichte (bzw. das Exposé davon) eines DDR-Pfarrers von Karsten Krampitz. Da steckt eine Menge Material drin - Religion, Widerstand, Geschichte.



    Die "Wir"-Perspektive in Linda Stifts Text (über eine Flüchtlingsgruppe in einem Schleuser-Lastwagen), über die die Jury so gestritten hat, fand ich übrigens absolut schlüssig: Diese Schicksale nehmen wir üblicherseise nur als abstrakte Zahlen wahr, die Menschen werden entindividualisiert, ihrer Menschenwürde beraubt. Das ist praktisch, denn mit einer Zahl haben wir kein Mitleid. Nur das Einzelschicksal vermag uns zu rühren. Und der Text legt den Finger genau in diese Wunde.


    Diese beiden Texte hatten mir zuerst gefallen, aber die Diskussionen der Jury hat mich schwanken lassen.


    Bei Krampitz verwundert mich der Vorwurf der deutschen Biederkeit von Karin Fleischanderl. Außerdem kommt es mir so vor, als wurde die gute, fast umwerfende Vortragsweise des Autors gegen den Text ausgelegt. Dabei legte die Geschichte eine entsprechende Vortragsweise nahe!
    Trotzdem konnte ich keine direkten Zusammenhänge schließen sich dem Textinhalt und dem Bezug zu realen Vorkommnisse, die ich halt nicht im Detail kenne. ?( Besser wäre der Text fiktiv geblieben.


    Bei Linda Stifts Beitrag war ich am überlegen, ob Mangold Einwände ihre Berechtigung haben. Das Thema ist interessant genug und der Stil hatte mich überzeugt, aber fehlt die Authentizität vielleicht wirklich? :gruebel



    Bruno Preisendörfer habe ich noch nicht gehört, muss ich noch nachholen! :-)


  • Vielleicht kann Fleischanderl nicht so viel mit den Details deutsch-deutscher Befindlichkeiten anfangen, dieses DDR-Gefühl nicht so nachvollziehen, und auch das Schnoddrig-Berlin-Brandenburgische mag nicht jeder mögen, denke ich mir.


    Bei Sitft fand ich die PInkelpott-Details schon ziemlich authentisch dargestellt. So richtig gelungen ist die Geschichte sprachlich nicht, da hätte ein Lektor noch viel Arbeit zu leisten, das stimmt schon.
    Aber gerade das anonyme "Wir" finde ich eine gute Idee. Wenn sie noch konsequent durchgehalten wäre...

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Von der Jury gefallen mir Mangold, Keller und Spinnen bisher am Besten!
    Bei Paul Jandl bin ich mir noch nicht sicher, ich muss bei den nächsten Diskussionen mal mehr auf ihn achten!


    Mangold mag ich sowieso. Schön, dass er seine eigene Sendung kriegt.
    Spinnen ist mir ein bisschen zu selbstgefällig und zynisch.
    Findest du die Feßmann eigentlich auch so unsäglich?
    (Abgesehen davon, dass sie mich an Silvana Koch-Mehrin erinnert...)

  • Wenn ich raten müsste, wer von den bisherigen einen der Preise bekommt: Andreas Schäfer, Karsten Krampitz, Ralf Bönt, Jens Petersen.


    So 100%ig begeistert hat mich bisher noch nichts. Aber wir haben ja noch einen Tag...

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Findest du die Feßmann eigentlich auch so unsäglich?


    Ich kann dem nur zustimmen. Mir fehlt in der Jury dieses Jahr irgendwie die humorvolle Komponente. Eine Type wie Nüchtern oder Hettche. Andererseits sind die schwächeren Juroren auch wieder nicht ganz so nervtötend wie z.B. dieser Musil-Biograph (Name vergessen) der vor zwei oder drei Jahren in Klagenfurt sein Unwesen trieb.


    Mein Favorit bei den Texten (basierend auf den ersten Tag) ist noch die Neudecker. Die anderen Texte fand ich mittelmäßig bis enttäuschend. Außerdem sollte ein Text schon für sich alleine stehen und nicht nur mit anschließender Verspeisung funktionieren. Die Aktion fand ich etwas peinlich in ihrer Unorginalität.