Ungutes Gefühl
Ich liege im Bett, alleine, in seinem Bett. Der Platz neben mir ist leer und kalt. Ich taste mit der Hand übers Kissen, nein er kann ja gar nicht da sein. Die Katze liegt auf meinen Beinen und spührt meine Unruhe. Kann riechen, daß etwas nicht stimmt und krabbelt unruhig durchs Bett. Ich stöhne und rolle mich auf die andere Seite. So oft hab ich schon hier gelegen, während er weg ist. So oft bin ich in seinem Bett eingeschlafen, obwohl er nicht da war.
Immer mache ich mir Gedanken, was er wohl tut, ob er wohl vorsichtig ist. Aber so schlimm wie heute habe ich mich noch nie gefühlt. Dabei war alles ganz normal. Er hat sich angezogen, seine Tasche genommen, sich von mir mit einem Kuß auf die Stirn verabschiedet. „Tschüß, Kleines“ im Flur gerufen und sich auf dem Absatz noch mal umgedreht, um mir einen Kuß zu zuwerfen. Ich habe die Türe geschlossen und die Kette vorgelegt, dann habe ich versucht mich so lange wie möglich wach zu halten. Habe vor dem Pc gesessen, Fern gesehen und gelesen und die ganze Zeit hat mich ein unbestimmtes ungute Gefühl begleitet.
Ich wollte noch nicht schlafen, damit ich am nächsten Morgen nicht vor ihm aufwache und ihn mit meinem Gekrame wach mache. Aber nun war es 5 h in der Nacht, so langsam wollte ich Schlaf finden, aber er kam nicht.
Ich malte mir schreckliche Situationen aus. Was ihm alles passieren könnte und sagte mir gleichzeitig. Daß er der wohl umsichtigste Mensch ist, der mir je begegnete. Außerdem ist er groß und stark und kann sich gegen jeden verteidigen. Mein Blick fällt auf die offene Schranktüre. Ich sehe seine Schußweste dort hängen und stoße einen Seuftzer aus. Warum hat er sie nicht mitgenommen? Kommt mein komisches Gefühl daher?
Ich schüttel den Kopf um die schlechten Gedanken zu vertreiben. Kurz spiele ich mit dem Gedanken auf der Wache anzurufen und zu fragen, ob alles OK ist. Quatsch, damit mach ich mich bloß lächerlich und ihn auch.
Ich dreh mich zur Seite uns schlafe langsam ein. Fiese Träume begleiten mich. Ich höre Martinshörner im Traum. Sehe ihn in einer Blutlache liegen und werde schweißgebadet wach. Taste nach seinem Kissen und sehe auf die Uhr. 8 h und das Kissen ist immer noch leer, irgendwas stimmt nicht. Keine Nachricht auf meinem Handy oder dem AB.
Ich wälze mich herum als ich den Schlüssel an der Haustüre höre. Er kommt rein. Sieht mich nicht an. Zieht sich wortlos aus und steigt ins Bett. Keine Begrüssung nichts. Ich will ihn fragen was los ist,war. Aber er verschließt mir mit einem Kuß den Mund. Klammert sich an mich, als würde er ertrinken und ich müßte ihn retten. Ich streichel seinen Rücken, bis er einschläft. Bin verwirrt. Weiß nicht was ich aus den Dingen von denen er im Schlaf erzählt deuten soll. Weiß nur, daß ich ihn fest halten muß. Dann schlafe auch ich wieder ein und halte ihn fest. Ganz fest. Er ist bei mir, alles andere ist halb so schlimm.
Am nächsten Mittag werde ich von seinem Pfeiffen wach. Er ist in der Küche und kocht mir Tee. Mit nackten Beinen und seinem viel zu großen Hemd an taumel ich in die Küche. „Morgen Kleines.“ Er tut als wäre nichts. Steht mit freiem Oberkörper und seiner Short vor mir. Er hat einen schlimmen Kratzer an der Seite. Ok das kommt schon mal vor in unserem Job, hin und wieder hat man kleine Schrammen, Prellungen oder sonstige kleinere Verletzungen, kann passieren. Und er wird schon irgendwann, wenn er bereit ist darüber reden, was gestern los war, es auch mir erzählen.
Aber ich täusche mich er redet nicht. Lange nicht. Ruft mich nur jeden Abend vor meinen Nachtdiensten an und läßt mich versprechen vorsichtig zu sein und die Schußweste zu tragen. Ich verspreche es und frage nicht weiter.
Wochen später bügel ich seine Hemden als er gerade zum Nachtdienst aufbrechen will. Eins hat ein Loch, ein kleines aber kreisrundes Loch. Ich traue meinen Augen nicht, stecke meinen Daumen durch das Loch. Ich weiß was das ist. Die Ränder sind angeschmolzen und leicht verbrannt. Ich gehe auf ihn zu, mit dem Hemd an meinem Daumen.
Er seuftzt:“Ich hätte es wegwerfen sollen!“ Ich schüttel den Kopf und halte ihm nur das Hemd mit dem Einschußloch vor die Nase.
"Ich wollte nicht, daß du es weißt. Du hättest dich nur auf geregt." Ich hebe sprachlos wieder das Hemd und halte ihm das Loch an der rechten Seite vor die Nase.
„Wir sollten zu einer Ruhestörung. Als wir vor der Türe standen und noch nicht mal geklingelt haben, schoß jemand drei mal durch die Türe, zweimal in die Wand und einmal hat er mich gestreift. Dann hat er sich selbst erschossen.“ Ich bin fassungslos, kann nichts sagen, gucke nur immer weider auf das Hemd. Er nimmt mich in den Arm. „He mir geht's gut, mir ist nichts passiert bis auf den Kratzer.“
Ich nicke langsam. Verstehe warum er die letzten Wochen immer wach war, wenn ich zum Nachtdienst fuhr. Verstehe seine besorgten Fragen am Telefon, ob ich auch die Weste an hätte.
Er hatte sie an dem Tag nicht an und ein paar Zentimeter weiter und der Schuß hätte seine Brust getroffen. Ich streiche über sein Hemd und fühle darunter die Weste. Er küßt mich auf die Stirn. Geht auf den Flur. Dreht sich auf dem Absatz noch mal um, wirft mir einen Kuß zu „Tschüß Kleines!“
Den Rest der Nacht sitze ich mit dem kaputten Hemd im Bett und warte darauf seinen Schlüssel im Schloß zu hören.