Originaltitel: Crematorio
Kurzbeschreibung
Krematorium ist einer der besten spanischen Romane der letzten zehn Jahre. Eine brillante Analyse des wilden Kapitalismus unserer Zeit.« La Vanguardia »Rafael Chirbes vertraut der sozialen Funktion von Literatur, ihrer Fähigkeit zur Verständigung. Solange er schreibt, ist die Welt nicht verloren.« Erich Hackl
Matias ist gestorben, der charismatische jüngere Bruder des erfolgreichen Bauunternehmers Rubén Bertomeu, in seiner Jugend ein Anhänger revolutionärer Gewalt, später wie seinem Bruder zum Trotz ein Ökobauer. Mit dem Tod von Matias setzt ein vielstimmiger Chor ein: Da ist Rubén, der Sozialist und Bauunternehmer, der auf sein Leben zurückblickt, in dem jedes Ideal für Geld und Erfolg geopfert wurde. Da ist seine zweite Frau Monica, blutjung und karrieregeil, mit unbedingtem Aufstiegswillen. Und seine Tochter Sylvia, eine Kunsthistorikerin, gefangen in einer freudlosen Ehe mit dem arroganten Professor Juan Mullot. Sie alle profitieren von Rubéns Reichtum, gleichzeitig verachten sie ihn. Rubéns Kindheitsfreund, Federico Brouard, ist als Schriftsteller gescheitert und verbringt seine letzten Tage im Suff, Ramon Collado ist Rubéns Mann fürs Grobe. Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven entsteht ein grandioses Gesellschaftspanorama: die Familie als Ort des Besitzdenkens, die Zerstörung der Umwelt, Bauspekulation, schmutzige Geschäfte, Korruption, Drogen. Sexualität als Ware und gleichzeitig letzter Halt gegen die Auflösung jeglicher Verbindungen. Rafael Chirbes erzählt in »Krematorium« eine aus den Fugen geratene, von den Göttern verlassene Welt, in der keine Gewissheit mehr gilt, in der Werte, Wörter und Utopien leere Hülsen sind. Und doch ist dieser Roman ein Rettungsversuch: Aus der Erzählung der Widersprüche einer Gesellschaft, die sich ganz dem Konsum und dem Mammon verschrieben hat, wird schmerzhaft deutlich, was wir verloren haben.
Meine Meinung:
Wie kann ich ein Buch beschreiben das als eines der besten spanischen Bücher der letzten zehn Jahre beschrieben wird?
Grandios! Gnadenlos ehrlich! Radikal!
In der kurzen Zeit zwischen Matias Tod und dessen Einäscherung läßt Chirbes einige seiner Weggefährten zu Wort kommen.
Da ist zunächst Ruben, der Bruder der es vom linken Intellektuellen und Fast-Mitglied der KP zum Kapitalisten gebracht hat. Der durch Korruption und immerwährendem Spekulieren auf dem Bau- und Grundstücksmarkt reich wurde.
Silvia, Matias Nichte und Rubens Tochter, die es nie anders gekannt als mit Geld aufzuwachsen. Ihren Vater dafür haßt aber ohne ein Wort des Dankes gerne seine Schecks und sonstigen materiellen Zuwendungen annimmt.
Die Mutter, das fleischgewordene Matriarchat, die "nicht einmal aus Gründen der Höflichkeit bereit ist, gedanklich einen Schritt weiterzugehen um sich an die Stelle eines anderen zu versetzen. Die, die nie geredet sondern sich darauf beschränkt hat Befehle zu erteilen, die sich jetzt im fortgeschrittenen Alter wie ein Knurren anhören."
Collado, Rubens Mann für Alles, der nie gelernt hat Kopf und Begierde zu trennen. Der sich in eine russische Edelnutte verliebt und in dem Versuch diese "zu retten" selbst gerettet werden muss.
Monica, Rubens zweite Frau, fast fünfzig Jahre jünger als er selbst - die den Verkäufern in französischen Nobelboutiquen eine Kreditkarte ohne Limit über den Tresen schiebt und deren Unterwürfigkeit genießt.
Federico Brouard, ein todkranker alternder Schriftsteller der überhaupt keine Lust mehr hat zu schreiben. Der sich von seinem um viele Jahre jüngeren Freund pflegen läßt.
Chirbes richtet seinen Blick ebenso unbarmherzig auf Korruption und Kapitalismus, auf Sexualität und Alter, auf Kunst und Tourismus (um nur einige Themen zu nennen). In einem inneren Monolog gehalten ist das Buch entlarvend, nie anklagend und nie verklärend.
Kein Buch das man mal eben so schnell wegliest.
Da dies mein erstes Buch von Chirbes ist, kann ich keine Vergleiche zu früheren Werken anstellen. Aber dieses hier bekommt von mir die volle Punktezahl und ist gleichzeitig mein Buch des Monats.