Hörbuch, 4 CD, Leicht gekürzte Lesung. 280 Min.
Verlag: Patmos
Gesprochen von Stefan Kaminski
Kurzbeschreibung:
Es ist kalt in Reno, der Spielerstadt in Nevada, dichter Schnee fällt vom Himmel, der Wind bläst zwischen den Häusern ? die richtige Szenerie für eine melancholische Road-Movie-Geschichte. Die Mutter von Frank und Jerry Lee Flannigan ist tot, der Vater ein Spieler und Säufer. Was sie mit Jobs verdienen, geht für Alkohol und im Casino drauf. Jerry Lee überfährt auf vereister Straße einen Jungen. Die Leiche packt er auf den Rücksitz seines Dodge und sucht dann Hilfe bei seinem älteren Bruder. Sie legen den Jungen vor einem Krankenhaus ab, versorgen sich mit Bier und Whisky, und mit Willie Nelson im Radio begeben sie sich im Schneesturm auf die Flucht.
Über den Autor:
Willy Vlautin, geboren 1967 in Reno, ist Sänger und Songschreiber der Folkrockband Richmond Fontaine, mit der er im Sommer auf Welttournee geht. Auch sein zweiter Roman, Northline sorgt im englischsprachigen Raum für Furore.
Über den Sprecher:
Stefan Kaminski, 1974 in Dresten geboren, ist seit 1996 beim SFB/ORB als freier Schauspieler, Sprecher und Autor tätig. Von 2003 bis 2007 gehörte er fest zum Ensemble des Deutschen Theaters in Berlin. Er ist dem Haus als Gastschauspieler jedoch weiterhin verbunden. Mit „Kaminski ON AIR“ tritt er immer wieder mit Live-Hörspiel-Solo-Performances auf.
Meine Meinung:
Motel life entwickelt eine Stimmung, die sich auch in dem nächsten Roman des Autors, Northline, wieder finden wird.
Frank und sein Bruder Jerry Lee haben viele Schicksalsschläge hinnehmen müssen, den Tod der Mutter in frühen Jahren, die Spielsucht des Vaters, Jerry Lee verlor bei einem Unfall ein Bein, schlechte Jobs und schlechte Lebensbedingungen in einer rauen Gesellschaft. Auch mit Frauen haben die Brüder wenig Glück. Auch Franks Jugendfreundin gehört zu den benachteiligten Menschen, wie wurde missbraucht und vernachlässigt.
Nachdem Jerry Lee betrunken einen kleinen Jungen überfährt, hauen er und sein schweigsamen Bruder Frank einfach ab. Ein verzweifeltes, alkoholdurchtränktes.
Road-Movie beginnt.
Der Sprecher wagt viel, begibt sich völlig in die Rollen. Stefan Kaminski liest die beiden Protagonisten mit unterschiedlichem Tonfall und gibt jedem von ihm eine eigene Identität. So funktioniert das Dialogbetonte des Romans auch in der Hörversion sehr gut.
Auch Erinnerungen vom Ich-Erzähler Frank an Kindheit und Eltern werden gut gesprochen.
Schon der Vater, der sein Geld verzockte, wollte abhauen.
Eigentlich passiert wenig auf den 4 CDs, aber es wird doch fast das komplette Leben der Protagonisten abgebildet.
Leichte Gitarrenklänge untermalen manche Passagen und erinnern an die Stimmung von CDs der Band Richmond Fountaine (deren Leadsänger und Gitarrist Willy Vlautin ist), in deren Texten und in ihrer Musik manchmal auch ähnlich melancholische Stimmungen vermittelt werden.
Eine melancholischer Geschichte über Menschen auf der Verliererseite des Lebens, die ein Blick auf die USA der weißen Unterschicht wirft, die nicht gerade liebevoll von manchen als White Trash bezeichnet wird.
Willy Vlautin überzeugt mit seinen Figuren so stark, weil er sie absolut respektvoll zeichnet.
Bei allem (berechtigten) Pessimismus des Autors sind seine Figuren überwiegend optimistisch. Sie glauben, dass sich das Blatt irgendwann wendet, die Pechsträhne abreißt.
Er zeigt, wie die Brüder eigentlich immer auf der Suche nach dem Glück im Leben sind, nach Liebe und Erfolg, ohne große Ansprüche. Doch vorerst bleibt es nur ein Streben nach dem Glück, zu groß sind die gesellschaftlichen Widerstände. Wie Jerry Lee gegen Ende der Geschichte betont, ist die Hauptfigur Frank der einsamste Mensch, den er kennt. Frank kümmert sich aufopfernd um seinen Bruder, erzählt ihm fantasievolle, absurde Geschichten, in denen sie ihr Glück finden.
Dieser Gegensatz zwischen Sehnsucht und Desillusion wirkt so berührend auf den Leser.
Hier geht es zur Buechereulen-Rezension der Buchausgabe:
Willy Vlautin - Motel Life