"Cityboy. Geld, Sex und Drogen im Herzen des Londoner Finanzdistrikts" - Geraint Anderson

  • Originaltitel: "Cityboy: Beer and Loathing in the Square Mile"


    Zum Buch


    Geraint Anderson ist ein Insider. Er kennt das Finanzsystem und er hat darüber geschrieben. Er arbeitete zwölf Jahre als Analyst in Europas Finanzmetropole London und wurde in seinem Fachgebiet mehrmals zum besten Analysten aller Banken der Stadt gewählt. Was keiner wusste: Während der letzten beiden Jahre seiner beruflichen Tätigkeit ging er einem brisanten Nebenjob nach. 22 Monate war seine Identität eines der bestgehütetsten Geheimnisse der Londoner City. Unter dem Pseudonym City Boy veröffentlichte er in der Gratiszeitung "The London Paper" schmutzige Details aus der Londoner Finanzwelt. 500.000 Leser verfolgten jeden Freitag seine Geschichten von ausufernden Hummer- und Champagner-Abenden auf Spesenrechnung, Drogenexzessen, Prostitution und illegalem Aktienhandel. Mittlerweile ist er komplett ausgestiegen und hat ein Enthüllungsbuch geschrieben: City Boy. Beer and Loathing in the Square Mile.


    Über den Autor


    Eigentlich wollte Geraint Anderson Weltenbummler werden. Ein Vorstellungsgespräch in der Londoner City änderte alles schlagartig. Anderson wurde zu einem der besten Analysten der Stadt. 2006 erhielt er die Gelegenheit, anonym die Kolumne Cityboy zu schreiben, in der er über die Schattenseite der Geldindustrie schrieb. Cityboy wurde Kult.


    Meine Meinung


    Ich hab vor knapp 8 Jahren meinen Investmentbanking-Job in die Tonne getreten und etwas ganz anderes studiert, weil ich das Gefühl hatte, nur heiße Luft zu verkaufen und ich weder meinen Job, noch mein Leben, das nur aus Arbeiten und Schlafen (um den nächsten Tag zu überstehen) bestand als sinnerfüllt erlebt habe. Nachdem ich jetzt jahrelang einen großen Bogen um das Thema gemacht habe, war ich jetzt bereit ein Buch darüber zu lesen. Das Buch ist ein Roman, liest sich aber wie eine Autobiographie.


    Ich war zwar im Devisen- und nicht im Aktienhandel, aber ich habe vieles so oder so ähnlich erlebt (oder wenn nicht selbst erlebt, dann doch zumindest an anderen beobachten können), wie der Autor es beschreibt.


    War gut, es zu lesen, und wenn es nur zum persönlichen Schulterklopfen ist, dass ich da irgendwan ausgestiegen bin. Ich weiss nicht, wie interessant es für Außenstehende ist. Wahrscheinlich kann man da das ganze Buch über nur immer wieder mit dem Kopf schütteln.


    Ich habe es auf Englisch gelesen, ich fand den Slang nicht so schlimm, wie es in einer der Amazon-Rezis stand.
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  • Danke für die Rezension! Das Buch steht weit oben auf meiner Wunschliste und rückt nun ein Stück höher.


    Aktuelles Interview mit dem Autor:Link


    Zitat

    Original von Delphin:Ich war zwar im Devisen- und nicht im Aktienhandeln, aber ich habe vieles so oder so ähnlich erlebt (oder wenn nicht selbst erlebt, dann doch zumindest an anderen beobachten können), wie der Autor es beschreibt.


    Da Du Deine ehemalige Tätigkeit ansprichst, würde ich gern wissen, ob Du das Pseudonym Delphin auch in einem Wertpapierforum benutzt :wave?

  • Zitat

    Original von Delphin


    Nee. Ich bin überhaupt nicht in Wertpapierforen unterwegs und war es auch nie (auch nicht, als ich noch im Devisenhandel war). Ich bin froh, dass ich mit dem Thema nichts mehr zu tun habe.


    Och, wie blöd. Du kannst uns also keine guten Tips geben? :lache


    Danke für die Rezi, hab das Buch schon einige Zeit auf dem SUB.

  • Das Buch hatte ich schon eine Weile auf der Merkliste und habe es mir jetzt auch bestellt.


    Zitat

    Och, wie blöd. Du kannst uns also keine guten Tips geben? :lache


    Immobilien. Bei Immobilien "hat man was", wo man sicher ist, dass es keine Spekulationsblase ist. Allerdings ist im Moment der Immobilienmarkt im Verkauf leider auch im Keller, (wenn es nicht gerade die (für den Durchschnittskunden unbezahlbare) Premiumlage einiger deutscher Großstädte ist). Die niedrigen Zinssätz und Preise sind für den Immobilienkauf aber gerade gut.


    Man kann bei Immobilien aber auch einiges falsch machen, wenn man sich nicht vorher gründlich informiert und hat eventuell mehr Arbeit als mit einem Aktiendepot. Es gab ja das Modell, dass Kunden aus Süddeutschland Wohnungen in den neuen Bundesländern, Kunden aus Norddeutschland Wohnungen in Süddeutschland etc. .... aufgeschwatzt wurden, die total überteuert waren, und die Kunden die Wohnungen und den Zustand nie gesehen haben. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, welche Bank das war, aber mit Sitz in München, und die Bank"berater" waren auch angewiesen, den Kunden ein "Produkt" anzudrehen, das einige ruiniert hat und die hinterher schlauer waren, sich nicht auf den Berater von der Bank zu verlassen.


    Wenn man weiß, was man tut, sind Immobilien nicht verkehrt.

  • Cityboy-öffentliche Lebensbeichte oder lukrativer Nebenjob, um Einkommensdefizite zu kompensieren? Diese Frage stellt sich der Leser unweigerlich nach dem Beenden dieses Buch.
    Für seine Geschichten aus dem Leben eines Börsenmaklers konnte Geraint Anderson auf einen unerschöpflichen Fundus aus zwölf Jahren Cityboy-Erfahrung zurückgreifen, um ein schonungsloses Abbild der Investmentbranche zu zeichnen. Seine Schilderungen beruhen nicht nur auf eigenen Erlebnissen, sondern auch auf Beobachtungen und Gesprächen mit Branchenkennern und so entstand mit Cityboy eine Mischung aus Sachbuch und Biografie. Der Insider Anderson bekundet glaubhaft seinen Aufstieg vom kiffenden Hippie zum koksenden Teamleiter einer Londoner Investmentbank, erklärt Kunden- und Kollegenumgang, sucht Gründe für den Sexismus in der Branche und analysiert die bewusstseinsverändernden Wirkungen von Boni und Kokain.
    Der Tonfall ist recht flott gehalten und wechselt situationsangemessen zwischen Banken- und Gossenjargon, wobei der humoristische Faktor nicht zu kurz kommt. Hinter dieser lockeren Plauderei zeigt sich anhand des Beispiels Anderson recht schnell, wie skrupellos das Betätigungsfeld Bank ist und welche Opfer es fordert.
    Und so kann die eingangs gestellte Frage nur salomonisch beantwortet werden: Cityboy ist Andersons literarisches Schuldgeständnis, das sich für den Autor angemessen verwerten lässt.


    Mein Fazit:
    Wer Interesse an einer knallharten Bestandsaufnahme der Investmentbranche hat, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt.

  • Mir hat das Buch nicht besonders gut gefallen, was zum einen an den ewigen Wiederholungen (An- und Einsichten werden wieder und wieder aufgekocht, bis knappe 300 Seiten gefüllt sind), zum anderen an der nervig-pubertären Sprache liegt. Delphin mag Recht haben, dass es im englischen Original einigermaßen funktioniert, aber im Deutschen wirkt diese pseudo-coole Slang einfach nur lächerlich. Insbesondere Andersons selten platte und fantasielose Bilder, in der Regel auf irgendwelche Musiker, Schauspieler oder Models bezogen, haben mich fast in die Verzweiflung getrieben (...und schrie, so laut ich konnte: "Jaaaaaaa!" Meine Freude war so riesig, dass meine Nachbarn geglaubt haben müssen, ich hätte gerade einen flotten Dreier mit Helena Christensen und Claudia Schiffer und sei am Höhepunkt angekommen...). :rolleyes


    Gelernt habe ich durch das Buch wenig, wenn ich von einigen ganz interessanten, rein technischen Mechanismen der Branche absehe; dass die beschriebenen Typen gierig und rücksichtslos sind, dürfte wohl inzwischen als Teil der Volksweisheit gelten. Der Autor möchte so gern mit seinen Schilderungen menschlicher Verfehlungen der titelgebenden Cityboys schockieren, aber ich persönlich fand selbst die "schlimmsten" Exzesse ernüchternd kleinkariert. Bitte nicht falsch verstehen, derartiges Verhalten kotzt mich zutiefst an, aber ich hätte etwas mehr Thrill erwartet, als nur das Begaffen von Stripperinnen und dem Spendieren von sündhaft teurem Champagner, um ein paar Landeier in die Koje zu bekommen. Gib einem komplexbeladenen kleinen Spießer ein paar Millionen, und du erhältst einen reichen komplexbeladenen kleinen Spießer - Großes Geld macht eben noch keine großformatigen Sünder.


    Um zum Abschluss auf Salonlöwins Frage nach der Motivation des Autors zu kommen: Mir erscheint das Buch als "Lebensbeichte" nicht sehr glaubwürdig. Seine reflexartigen, wie ein Mantra heruntergebeteten Beteuerungen, wie schrecklich die Geldgier, der Sexismus und der zerstörerische Egoismus dieser Menschen doch sei, kommt mir in seiner politischen Überkorrektheit wie ein der Erwartungshaltung der Leser entsprechendes Lippenbekenntnis vor. Zu oft blitzt selbstzufrieden durch, dass er doch selbst einmal ein ganz Großer in dieser Szene war. Seinen Anspruch (oder zumindest seine Sehnsucht), im Grunde seines Herzens ein Hippie zu sein, nehme ich ihm schon gar nicht ab. Von diesen selbstherrlichen Partypeople auf Dauerdroge habe ich in Asien viel zu viele erlebt. Dieser enthemmte, zutiefst egozentrische Hedonismus hat mit Hippietum nichts gemeinsam, passt aber als Kehrseite betrachtet psychologisch erstaunlich gut zu einem abgefuckten Börsenhai.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann