Nach Tanzenberg - Engelbert Obernosterer

  • In die Enge des Lesachtals geboren, wo das Auftauchen des Postbusses ein Erlebnis ist und sich alles um die Heuernte dreht, sehnt man sich nach Ausbruch.


    “Heubezogen sind hier auch die Zeugungen. Mit dem Geburtstermin so gut wie möglich in die ruhige Zeit rings um die Jahreswende hineingeplant, ermöglichen sie es den Frauen, die Sommer vor und nach der Niederkunft mit kaum geminderter Kraft sich an den Feldarbeiten zu beteiligen. Meine Geschwister und ich zum Beispiel sind solche zwischen zwei Sommer hineingezielte Geburten, Zielgeburten sozusagen, im Unterschied zu einigen anderen in der Umgebung, die in die Zeit der Feldarbeiten hineingeraten und so gewissermaßen als Fehlgeburten anzusehen sind.“


    Nach Tanzenberg hin – und Von Tanzenberg weg bewegt sich also der spätere Autor… und er tut dies in beeindruckender Manier, still und mit subtilem Humor, ohne das Bedürfnis einer Abrechnung aber auch nicht in Verklärtheit.
    Wunderbare Beschreibungen des Lesachtals, aus dem der Sohn wegzieht, das scheinbare Privileg Bildung angedeihen zu bekommen. Aber nun auch Disziplin und engstirniges katholisches Denken. Einige der Lehrer wollen sich der Enge ebenfalls entziehen, fördern das freie Denken, bleiben aber ebenfalls gefangen in den düsteren Mauern.


    “Wenn er vorträgt, hören wir zwischen den wohlgesetzten Worten heraus, dass er kein Freund des Klerus ist, sondern es mit den Arbeitern und kleinen Leuten hält: ein Sozi also, vielleicht sogar ein Atheist und Wolf im Schafspelz, der in unkontrollierten Momenten aus seiner Überzeugung keinen Hehl macht.“


    Obernosterer und wohl auch viele seiner Mitschüler verlieren nie den objektiven Blick, relativieren für sich und die Seele das Verlieren fast jeder Freiheit, die Freiheit des Denkens lassen sie sich nicht nehmen. Und so “überlebt“ man Tanzenberg, muss nicht mal im Zorn zurückblicken, wie Peter Handke das tat. Eine Betrachtung, Jugenderinnerungen, und…, ja…, eine Lossprechung.


    “Ich schaue mir derweil einzelne Gesichter an. Ob denn einer der jungen Menschen wirklich an solchem Scharwenzel sich erbauen kann, ob er in dem Höheren, das sich hier aufplustert, etwas Erstrebenswertes erblickt, frage ich mich, der ich freilich schon vom Bazillus des Unglaubens befallen bin.“


    Meiner Meinung nach ist dem Autor hier ein großes Buch gelungen, eine Gratwanderung durch die Seele, ein Plädoyer für Toleranz und freies Denken; ein Werk, das aus einer engstirnigen Zeit in eine neue Welt führt, die sich schließlich jeder Mensch, unabhängig von Stand, Bildung und Religion selbst erarbeiten muss. Noch einmal: Ein großes Buch!