Bücher für Frauen, die Frauen lieben

  • Mein jüngstes Leseerlebnis gehört unbedingt auch auf diese Liste: Stephanie Sellier, "Frisch aus der Hölle". Schon 1998 erschienen, aber rätselhafterweise erst jetzt auf meinem SUB gelandet und zum Glück nicht sehr lange dort geblieben.


    Das Buch nennt sich "Episodenroman". Was heisst das? Es heisst, dass man für sein Geld nicht eine durchgehende Geschichte bekommt, die mehr oder weniger in einem Stil geschrieben ist, sondern viele kleine Appetithäppchen, jeweils unterschiedlich gewürzt, mit denen die Autorin uns die Lebensgeschichte der stinknormalen Szenenlesbe Susanne Schumacher anrichtet. Ein Stückchen Krimi, ein Stückchen Vampirgeschichte, mehrere Stückchen humorvolle leichtfüssige Erzählung, ein Stückchen Gruselmärchen, und vieles mehr. Und zwar überzeugend - Stephanie Sellier kann all das schreiben.


    Ich habe mich beim Lesen gefragt, wie das Buch entstanden sein mag... ich kann mir kaum vorstellen, dass sie alles von vornherein so geplant hat. Ich denke eher, dass sie herumexperimentiert hat, kleine Fragmente geschrieben hat und die dann auf kunstvolle Weise zu einem Roman zusammengefügt. Denn unter dem Strich ergeben die vielfältigen Gänge ein ausserordentlich schmackhaftes Ganzes. Lesen! :)


    Meine vollständige Rezension:


    Der "Episodenroman" ist angeblich eine typische literarische Form der postmodernen Popkultur. Also abgedreht, schräg und im Wesentlichen unverständlich? Keineswegs. "Episodenroman" heißt hier, dass Stephanie Sellier uns für unser Geld nicht eine einzelne durchgehende Geschichte serviert, sondern viele kleine Appetithäppchen, aus unterschiedlichen Erzählperspektiven geformt, stilistisch individuell gewürzt und mit ganzseitigen farbigen Illustrationen von Gudula Hesse aufwändig garniert. So wird die Lebensgeschichte der Szenenlesbe Susanne Schumacher, die eigentlich genauso stinknormal ist, wie sie heißt, zu einem äußerst schmackhaften Menü.


    Da findet sich das peinliche Erlebnis mit der an den Kühlschrank geketteten Gespielin der SM-Mitbewohnerin neben der Sache mit der Voodoo-Puppe, die Gruselgeschichte aus der einsamen Wesermarsch neben dem unverhofften morgendlichen Schäferstündchen mit der besten Freundin, die Begegnung mit der Traumfrau in der Neurologiepraxis neben dem abenteuerlichen Flug mit selbiger nach…? Ausgerechnet Alaska.


    Inhaltlich weniger geglückt sind vielleicht die drei Einsprengsel zum Thema "Lesben und Kinder", besonders gut gelungen dagegen die Fantasien aus der Therapiestunde und - eine Schelmin, die Böses dabei denkt! - Kapiteltitel wie "Geh, wohin dein Herz dich fegt" und "Busreise nach Paris".


    Egal, in welcher Gestalt es daherkommt - ein Tellerchen Krimi, ein edles Tröpfchen Vampirgeschichte, mehrere kleine Gänge humorvolle leichtfüßige Erzählung, ein Happen Jugenderinnerungen am Telefon - Stephanie Sellier meistert sie alle. Angesichts der überaus gelungenen Illustrationen verzeihe ich dem Verlag die überzähligen Trennungen aus einem früheren Setzversuch, und die Rätsel, mit denen mich das Buch am Ende zurückließ, betrachte ich nicht als Ungereimtheiten, sondern als Herausforderungen eines Buches, das man durchaus mehr als einmal lesen kann.


    Wer sich traut, das Buch als Lektüre für den Deutschunterricht vorzuschlagen, beweist dennoch Mut, denn an erotischem Gehalt wird nicht gespart. Begnügen wir uns darum zum Schluss mit Rafael Kuczeras erklärendem Stichwort zum Episodenroman, dessen Anspruch auch dieses Buch erfüllt, ohne dass das Lesevergnügen im Geringsten zu kurz kommt: "Von verschiedenen Standpunkten aus werden Menschen beleuchtet, komplementiert, oft für ihr irrationales Handeln entschuldigt, manchmal aber auch kompromittiert. Hierzu gesellt sich die Mischung von verschiedenen Erzählperspektiven und -strukturen. Dabei wird deutlich, dass der Versuch gestartet wird, sich über die reine Subjektivität und die sich daraus ergebende Reduktion und Unzulänglichkeit der modernen Literatur hinwegzusetzen, indem das subjektive Erleben vieler Protagonisten beschrieben und somit eine neue Art der Objektivität begründet wird."

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Ein Rita-Mae-Brown-Tipp! Allerdings sicherheitshalber auf Englisch lesen, denn über die deutsche Übersetzung habe ich nicht viel Gutes gehört.


    Inhalt (Amazon):

    Zitat

    Auf dem Campus von William & Mary kennt sie jeder: die schöne Victoria Savedge und Charly Harrison, Footballstar des College. Die beiden sind schon seit langem ein Traumpaar. Doch dann kommt eine neue Studentin aufs College, Chris Carter, zu der Vic sich unwiderstehlich hingezogen fühlt …


    Mein Leseeindruck:

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Mary Read,


    das Buch ist ein Top-Anwärter bei mir für "das nächste zu lesende Buch". Wenn es so ist, dann werde ich bei Gelegenheit ein paar Worte zur deutschen Übersetzung loswerden! ;)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Anna, fünfundfünfzig Jahre, Fotografin, arbeitslos, beantragt bei der für sie zuständigen Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes Berlin eine Umschulung zur Straßensängerin, was abgelehnt wird, denn so etwas ist in den Richtlinien der Behörde nicht vorgesehen. Aber Anna verfolgt ihr Vorhaben mit Sorgfalt und Gründlichkeit, unterstützt von ihren Freundinnen, ihrer Mäzenin, dem Sparschwein Louise, und ihrer fiktiven Muse Madam X und beflügelt von der Erinnerung an eine Stimme, die sie vor vielen Jahren bei einem Paris-Aufenthalt in der Métrostation Chatelet gehört hat.


    Für die aus Nordafrika stammende Straßensängerin Zineb hat sich der als vorübergehend gedachte Broterwerb zum Beruf entwickelt. Straßen und Musik gibt es überall, Freiheiten, Zwänge und Herausforderungen ebenfalls. Zinebs wechselnde Befindlichkeiten werden begleitet von ihren Fans, ihrer Katze Josephine, der Nachbarin Madame Garcia, dem alternden Kellner Jacques, der ihr jeden Morgen das Frühstück im Café de la Place serviert, und ihrer Kollegin Giovanna.


    Zunächst parallel und in Rückblenden, dann im Sinn einer musikalischen Engführung nehmen wir teil am Leben der beiden Protagonistinnen Anna und Zineb, die sich schließlich bei einer Soirée in Paris gegenüberstehen.


    Rezension auf www.dykeworld.de

  • Hallo ihr!


    Dank meiner großen Schwester hab ich die "Klassiker" wie "Robinroter Dschungel" oder "Sita" von Kate Millett und andere gelesen. Inzwischen gibts ja eine Menge Bücher (und Filme), in denen es auch um Homosexualität geht.
    Eigentlich identifiziere ich mich nicht mit Romanfiguren. Ich verfolge bestenfalls fasziniert ihren Weg und was sie erleben, und das reicht mir eigentlich auch. :)
    Bei einem guten Buch kann ich dann schon nachempfinden, wenn eine Frau eine Frau liebt, ich krieg das ja sogar bei zwei Männern hin, und bin trotzdem eine waschechte Heterofrau. ;)


    Das Wichtigste vergessen! Danke für die Tipps, MaryRead! Hab einiges notiert.
    Grüßlis!

  • Hallo,


    ich habe mal durch Zufall ein Buch gelesen, in denen es um lesbische Frauen ging. Ich habe mal eine Rezension bei Amazon kopiert:


    "Als Uma die blonden Haare und markanten Züge der Schwedin Jane zum ersten Mal erblickt, weiß sie, daß diese Frau etwas in ihr berührt, was sie ihr ganzes Leben lang beschäftigen wird. Jane ist kühl und unnahbar, und sie erschüttert Uma, den Frauenschwarm, in ihren Grundfesten. Uma will etwas, vielleicht alles von Jane, aber Jane weist Uma unmißverständlich zurück. Jane ist anders, besonders. Jane war früher ein Mann. Uma geht zurück nach Berlin, arbeitet als Schuhmacherin beim städtischen Theater und steht im Mittelpunkt von Freunden, Künstlern und Lebenskünstlern. Und sie lebt zusammen mit ihrer Freundin Marianne und ihren beiden Kindern Lucie und Hugo. Aber da ist Jane, die Uma nicht vergessen kann. Wie der rote Wüstenstaub und die eisigen Schneekörner, die auf ihrer Haut brennen, so die Erinnerungen an eine Liebe, die aller Vernunft trotzt. Uma kann nicht anders, auch wenn der Schmerz sie schier zerreißt: Sie sucht Jane, die ihren eigenen Weg geht, und findet eine Antwort.


    "Bis ich sie finde" ist die Geschichte einer scheinbar unmöglichen großen Liebe, einer Liebe, die zehn Jahre und 50.000 Kilometer überbrücken und der Hitze des australischen Outbacks wie der Kälte des lappländischen Winters standhalten muß. "



    Zuerst habe ich gedacht "Oh Gott, was liest Du denn da?", aber ich fand es immer spannender und faszinierender und habe es richtig verschlungen. Ich finde das Buch super gut beschrieben und für mich als hetero wurde mir die sexuelle Seite von Frauen (die ich teilweise richtig intensiv beschrieben finde) von einer anderen Seite gezeigt.


    Ich hoffe, dass das auch in diesen Thread reinpaßt (?).


    Viele Grüße

  • Dann nutze ich mal die Gelegenheit, meine Rezi zur "Strassensängerin" nachzuschieben; der Link oben funktioniert nämlich mittlerweile nicht mehr.


    Erfreulicherweise sind wir in der heutigen Lesbenliteraturlandschaft nicht mehr auf mittelmäßige Bücher angewiesen. Denn es gibt gute - zum Beispiel diesen Roman von Traude Bührmann, 1987 erschienen, längst vergriffen und nun neu aufgelegt.


    Ihre beiden Reiseführerinnen "Lesbisches Paris" (zusammen mit Suzette Robichon) und "Lesbisches Berlin" weisen die Autorin bereits als Expertin für die Atmosphäre ihrer beiden Wahlheimaten aus. Und wie ließe sich dieses Stimmungsbild besser vertiefen als auf den Spuren derjenigen, die es in Klängen und Bildern mitprägen, nämlich der StraßenmusikantInnen.


    Anna ist 55, Fotografin, arbeitslos, und lebt in Berlin. Sie beantragt beim Arbeitsamt eine Umschulung zur Straßensängerin. Ihre zuständige Sachbearbeiterin verzweifelt gelegentlich an ihr, aber irgendwie imponiert ihr Annas Zielstrebigkeit auch. In ihren Gesangstunden eifert Anna im Geiste einer einzigen Stimme nach - der einer Sängerin, die sie vor vielen Jahren in Paris in ihren Bann geschlagen hat, als sie noch die in spießbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Annemarie war. Später, in ihrer Hippiezeit, nannte sie sich Anemon und schaffte es bis nach Indien. Jetzt träumt sie davon, sich mit der Musik die Sterne vom Himmel zu holen.


    "Hol sie dir, meine Kleine, so viele wie möglich." Das Vermächtnis von Zinebs Tante. Zineb ist nordafrikanischer Herkunft. Sie lebt in Paris und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Sängerin im Metroschacht. Das war zuerst eine Notlösung, doch jetzt liebt Zineb ihren Beruf – ebenso wie ihren Stammplatz in Jacques' Café und die Datteln aus Biskra.


    Die Musik prägt auch die Sprache des Buchs. Die Kapitel tragen Liedertitel, die ihre eigene Geschichte erzählen: "Gracias a la vida", "The lady is a tramp", "Freedom is just another word...", "Für mich soll's rote Rosen regnen".


    Schade nur, dass viele Dialoge missglückt sind. Hätte Traude Bührmann sie sich laut vorgelesen, dann hätte sie gemerkt, dass kein Mensch so gewählte, mit Bedacht formulierte Sätze bildet. Dabei ist das Buch sonst zum Vorlesen wie geschaffen, schreibt die Autorin die schönste sinnliche Sprache, die man sich vorstellen kann. Die Sprache fließt und hält inne, im Einklang mit dem, was sie der Leserin sagen will: genieß es, lass dich tragen... halt, aufgepasst, jetzt wird es wichtig.


    Nein, realistisch ist die Geschichte nicht. Dass die 55-jährige Anna, die früher nicht mal in der Badewanne gesungen hat, im Berlin des 20. oder gar 21. Jahrhunderts ihren Traum verwirklichen kann und innerhalb so kurzer Zeit Erfolg hat, das nehme ich der Autorin nicht ab. Auch nicht, dass sie ihre Metrosängerin in Paris nach all der Zeit einfach so wiederfindet, obwohl sie sich nur noch an ihre Stimme erinnert und Zinebs wallende dunkle Haarpracht inzwischen raspelkurz geschnitten und wasserstoffblond gefärbt ist.


    Aber das macht nichts. Ein Märchen ist es, das Traude Bührmann uns erzählt und mit dem wir uns träumend durch das Paris treiben lassen, das sie mit all seinen Winkeln, Geschichten und Charakteren kennt wie ihre Westentasche und uns in den verlockendsten Farben und Tönen schildert. Was könnte man sich im Frühling Schöneres wünschen als Annas und Zinebs "La vie en rose" in Paris. La plus belle histoire d’amour c’est vous.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Und wo wir schon mal dabei sind, hier noch ein Krimi, der aber nicht nur ein Krimi ist


    Die Gay Games 2002 in Sydney. Eine tolle Kulisse für einen Lesbenkrimi! Doch schon auf Seite 12 die Ernüchterung: „Die Gay Games sind vorbei.“ Fängt die Handlung etwa erst an, als all die attraktiven Lesben den Schauplatz schon wieder verlassen haben? Nein – eine ist übrig geblieben: Andrea, 27, Badminton-Spielerin aus Frankfurt. Ihr hat man die Papiere geklaut, sie hat ihren Flug verpasst, und sie sitzt in Australien fest. Zum Glück findet sie bald einen Unterschlupf – in einer verrückten Lesben-WG, die gerade feierlich den geliebten Hund einer Mitbewohnerin zu Grabe getragen hat.


    Doch auch das Kapitel „Krimi“ scheint sich mit dem geklauten Pass erst einmal erledigt zu haben. Vorerst bleibt der altersschwache Hund die einzige Leiche. Stattdessen widmet sich die Autorin in einiger Ausführlichkeit zwei Themen, die eher durch Katrin Kremmlers eigene Biografie als durch die Dramaturgie ihres Stoffes motiviert zu sein scheinen: „Reise- und Einwanderungsland Australien“ und „Städteplanungsprojekte - was Sie noch nie darüber wissen wollten“. Beides wie mit der Schere auseinandergeschnippelt und wieder zusammengesetzt, angereichert mit einem Besuch bei „Gurlesque“, dem heissen Lesben-Live-Hardcore-Strip in Sydney, und – immerhin – hier und da einer Momentaufnahme aus dem Leben unserer Heldinnen: politischer Aktivismus, Designermöbel in der Garage, Familiengeschichten. Roter Faden – verzweifelt gesucht?


    Schliesslich ein mysteriöser Bombenalarm am Frankfurter Flughafen, am anderen Ende der Welt. Ist womöglich die sympathische Klofrau mit dem arabisch klingenden Namen der Schlüssel zu... ja, wozu eigentlich? Wir erinnern uns: Es gibt immer noch keine richtige Leiche! Wann kommt endlich der Krimi?


    Liebe Leserin, sei gewiss: Du bist mittendrin. Die Gurlesque-Episode und einige andere Details magst du zu Recht bemängeln. Doch fast immer haben sie System, die Abwege, auf die Katrin Kremmler dich zu führen scheint. Folgst du Andrea in das Labyrinth der Frauen von Sydney, so wirst du belohnt werden: Es gibt eine Leiche, wie es sich für einen Krimi gehört, es gibt Spannung und überraschende Wendungen, es gibt berührende Frauengeschichten. Und wenn du am Ende angekommen bist, wirst du zurückblättern und wirst das Buch – den geheimnisvollen Sirenen am australischen Traumstrand endlich auf die Spur gekommen – gleich noch einmal lesen wollen.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich muss gestehen, dass ich den Titel des threads zunächst falsch verstanden hatte und mich wunderte, wieso das so kompliziert ausgedrückt wurde.


    Ich verstand nämlich:
    Bücher (für Frauen),
    die Frauen lieben


    und nicht
    Bücher
    für Frauen, die Frauen lieben.


    Ist mein Denkfehler rüber gekommen?


    Erst als ich den ersten Beitrag las, ging in meinem schattigen Hirn ein kleines funzeliges Lichtlein an. :-)


    Ich denke, so lange es um den emotionalen Teil der Liebe geht, spielt das Geschlechterverhältnis keine Rolle, aber sobald ein körperlicher Aspekt dazu kommt, verstehe ich schon, dass man/frau den eigenen Blickwinkel bevorzugt.