'Die unsichtbaren Stimmen' - Seiten 391 - Ende

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Zum deutschen Titel habe ich im vorherigen Abschnitt folgendes geschrieben (was in die gleiche Richtung wie Schnatterinchen geht, allerdings hatte ich da dieses Thread noch nicht gelesen):


    Was mit zum Titel eingefallen ist: Könnte sich "Die unsichtbaren Stimmen'" vielleicht auf die Stimmen der Protagonistinen in deren Köpfen beziehen. Sie haben ja alle viele Gedanken, die ihr Leben entscheidend bestimmen - Pajaritas geheimnisvolle Geschichten aus der Vergangenheit, Evas Worte und Gedichte und Salomés Gedanken zur Revoulution. Das würde für mich stimmig sein. Was meint ihr?


    Klingt für mich auch plausibel... :write
    Auf jeden Fall irgendetwas im übertragenen Sinne wie diese Option.

  • Zitat

    Original von CathrineBlake
    Trotzdem bleiben für mich Stimmen eher ungehört als unsichtbar. Für mich gibt das nicht wirklich Sinn. :winkt


    Wieso das? Die Frauen haben die Stimmen ja jeweils gehört und ihr Leben darauf aufgebaut.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zu dem letzten Teil des Buches kann ich mich meist dem anschließen, was hier schon geschrieben wurde. Ich fand auch, es war ein sehr starker Abschnitt und er hat mich mit dem gesamten Buch zumindest teilweise "versöhnt".


    Die Folter, die Gefangenschaft und der Verlust des Babys fand ich schon sehr hart. Ich fragte mich hier das gleiche wie Nordstern: Wieso hat sie nicht zumindst den Versuch unternommen, mitzufliehen? Sie hat ja von Anfang an gesagt, sie komme nicht mit. Dabei wusste sie zu dem Zeitpunkt gar nicht, wann die Flucht ist und wie es ihr zu diesem Zeitpunkt geht.


    Was mir auch unklar blieb: Es hieß: Die Tupas hätten das Baby der Großmutter weggenommen. Dann war es plötzlich doch wieder bei ihrer Familie (ihrem Bruder)???


    Ich konnte mir auch nicht erklären, wieso ihr Bruder (der laut Buch übrigends des Jobs wegen in die USA ging) und seine Frau Victoria über ihre Herkunft nicht spätestens dann aufklärten, als Salomé aus dem Gefängnis freikommt. Spätestens dann hätte ihnen doch klar sein müssen, dass die Wahrheit irgendwann rauskommen wird. Außerdem fand ich es sehr seltsam, dass Roberts Familie nicht mal nach dem Ende der Diktatur und zum Tod der Großmutter nach Uruguay zurückkehren (zu Besuch). Auch Salomé verschwendet ja überhaupt keinen Gedanken daran, ihre Tochter zu besuchen und sie von Angesicht zu Angesicht aufzuklären. Kann ja sein, dass schriftstellerisch ein Brief besser passt, aber ich fand das nicht nachvollziehbar. Dieser Abschnitt spielt ja fast in der "Jetzt-Zeit", also ein Flug wäre wahrscheinlich kein Problem mehr gewesen (und das Geld hätte sie sicher irgenwie aufgetrieben). Dieses "Unklarheit" hat mich sehr gestört - das verdirbt mir irgendwie den ganzen Schluss, so schön er sonst auch ist.


    Gut gefallen hat mir die Zeit, die im letzten Kapitel geschildert wird. Ich konnte richtig nachvollziehen, dass Salomé diese Jahre einfach braucht, um wieder ins "normale" Leben zurückzufinden.


    Ich fand dann sehr schade, dass das Buch an dieser Stelle endete. Ich hätte gern gewusst, wie es mit Victoria weitergeht. Sicher hätte sie wieder einen ganz anderen Weg eingeschlagen, als sich ihre Mutter erhofft.


    Eure Gedanken darüber, ob Salomé ihre Verbrechen bereuen soll, fand ich sehr interessant. Ich persönlich denke, dass ein Mensch, der so gebrochen wird, gar nicht mehr in der Lage ist, über seine Taten zu reflektieren. Unrecht mit Unrecht zu vergelten funktioniert nicht! Außerdem war sie ja immer der Meinung, sie sei bei den "Guten" und ihre Erfahrungen mit dem Regime werden sie sicher in dieser Meinung bestärkt haben! Deshalb fehlte mir diese Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit in diesem Fall nicht.


    Für den Anfang hätte mir (glaube ich zumindest) Salomés Brief besser gefallen. Es könnte gut sein, dass ich dann eher einen Gesamtzusammenhang des Buches erkannt hätte, den ich jetzt leider erst am Schluss mitbekommen habe.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

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    Original von CathrineBlake
    Ich meine damit, dass man Stimmen nicht sehen kann. Hören ja, aber sehen?


    Dazu habe ich auch lange nachgedacht. Für mich sind "unsichtbare Stimmen" Stimmen, von denen nicht feststellbar sind, wer sie spricht, die also aus dem "Irgendwo" kommen. Ungehörte Stimmen wären ja ganz was anderes. Ist aber nur meine Interpretation :-)

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  • Ich war im Interpretieren nie gut, aber ich würde sehr gerne mal den Übersetzer dazu befragen, wie er/sie auf den Titel gekommen ist. :winkt

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich

  • Habe vorgestern eine Mail an die Autorin geschrieben, wegen der unterschiedlichen Anfänge und Titel, aber bisher noch keine Antwort.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Alos ich finde den Titel sehr schön (den Deutschen!). Die unsichtbaren Stimmen sind ja die Stimmen, die in der Geschichte ganz am Anfang am Neujahrstag 1800 überall im Dorf gehört werden, die Stimmen der Ahnen und der Vergangenheit.
    Ich finde, der Bezug ist gut gewählt und passt wie die Faust aufs Auge bei dieser Familiensaga!

  • Zitat

    Original von ottifanta
    Habe vorgestern eine Mail an die Autorin geschrieben, wegen der unterschiedlichen Anfänge und Titel, aber bisher noch keine Antwort.


    Das ist eine gute Idee! Ich bin auf die Antwort gespannt!

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Ich konnte mir auch nicht erklären, wieso ihr Bruder (der laut Buch übrigends des Jobs wegen in die USA ging) und seine Frau Victoria über ihre Herkunft nicht spätestens dann aufklärten, als Salomé aus dem Gefängnis freikommt.


    Es wurde aber - glaube ich - nie richtig erklärt, warum er zum Arbeiten in die USA ging, ob es wegen Repressalien wegen Salomé war oder wegen der Gedichte seiner Mutter usw. Finde es schade, dass die Männer an manchen Stellen so komplett von der Bildfläche verschwanden.

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    Original von ottifanta


    Es wurde aber - glaube ich - nie richtig erklärt, warum er zum Arbeiten in die USA ging, ob es wegen Repressalien wegen Salomé war oder wegen der Gedichte seiner Mutter usw. Finde es schade, dass die Männer an manchen Stellen so komplett von der Bildfläche verschwanden.


    Das stimmt, genauer wurden seine Gründe nie angesprochen. Nach meiner Interpretation ging er (hauptsächlich) wegen seiner Arbeit, schließlich war von ihm immer nur im Zusammenhang mit biologischen oder medizinischen Studien die Rede. Ein Lehrauftrag an einer Uni in den USA muss für ihn doch ein Traum gewesen sein. Natürlich können auch ganz andere Gründe den Ausschlag gegeben haben (vielleicht auch die Existenz von Vicotria).


    Ja, die Männer verschwinden in den Buch immer wieder. Eigentlich alle. Sollte uns das was zu denken geben :grin?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Ja, die Männer verschwinden in den Buch immer wieder. Eigentlich alle. Sollte uns das was zu denken geben :grin?


    Nein, wie kommst Du denn darauf? :grin


    Die Autorin hat Männer wohl nicht als besonders zuverlässig kennengelernt, wenn ich das Interview mit ihr so durchlese...


    Zum deutschen Titel ist mir da noch etwas aufgefallen. Sie sagt "Creating room for women’s unheard voices...", vielleicht ist das für den deutschen Titel zu "unsichtbaren Stimmen" geworden?


    "Die unsichtbaren Stimmen" wurde vom deutschen Verlag vorgeschlagen, weil "Der unsichtbare Berg" als Titel schon für ein anderes Buch (von einem anderen Verlag) verwendet wurde und somit nicht mehr frei war. (Diese Info bekam ich von Carolina de Robertis per Email.)

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  • Zitat

    Original von ottifanta


    Zum deutschen Titel ist mir da noch etwas aufgefallen. Sie sagt "Creating room for women’s unheard voices...", vielleicht ist das für den deutschen Titel zu "unsichtbaren Stimmen" geworden?


    "Die unsichtbaren Stimmen" wurde vom deutschen Verlag vorgeschlagen, weil "Der unsichtbare Berg" als Titel schon für ein anderes Buch (von einem anderen Verlag) verwendet wurde und somit nicht mehr frei war. (Diese Info bekam ich von Carolina de Robertis per Email.)


    Ok, dann kann man wirklich Verständnis für den Titel aufbringen. Danke für die Info!

    :write "Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein." -Albert Einstein-


    :lesend

  • Zitat

    Original von ottifanta
    Zum deutschen Titel ist mir da noch etwas aufgefallen. Sie sagt "Creating room for women’s unheard voices...", vielleicht ist das für den deutschen Titel zu "unsichtbaren Stimmen" geworden?


    "Die unsichtbaren Stimmen" wurde vom deutschen Verlag vorgeschlagen, weil "Der unsichtbare Berg" als Titel schon für ein anderes Buch (von einem anderen Verlag) verwendet wurde und somit nicht mehr frei war. (Diese Info bekam ich von Carolina de Robertis per Email.)


    Vielen Dank für die Info - das erklärt den deutschen Titel eher. :wave

  • Zitat

    Original von Lese-rina


    Was mir auch unklar blieb: Es hieß: Die Tupas hätten das Baby der Großmutter weggenommen. Dann war es plötzlich doch wieder bei ihrer Familie (ihrem Bruder)???


    Ich habe mir gedacht, dass die Tupas das Baby übernommen haben, um es in Sicherheit und für Salomé zu ihrer Familie zu bringen und das haben sie auch gemacht.

  • ich finde es wirklich schade, dass "der unsichtbare Berg" schon vergeben war, den Titel hätte ich wirklich schön für dieses Buch gefunden.
    "Die unsichtbaren Stimmen" finde ich als Titel für ein Buch zwar auch sehr sehr schön, aber eben nicht zu diesem. Ihr habt das zwar sehr logisch erklärt und ich kann es auch gut nachvollziehen, aber trotzdem werde ich damit so nicht warm. :-)

  • Habe die Erlaubnis von Carolina de Robertis, ihre beiden Antworten hier einzustellen:


    zum Titel:

    Zitat

    In Germany, there is a copyright law that forbids books to be published with previously used titles, and somebody has already published a book entitled “The Invisible Mountain.” As a result, the publishers had to come up with something new, and “Die unsichtbaren Stimmen” was their idea."


    Zum veränderten Anfang und ob es noch weitere Unterschiede gibt:

    Zitat

    The opening of the German edition is the original opening. After publishers bought the rights to the book last year, I worked with my editor in the United States, and she suggested changing the opening to start with Salomé looking back. Later, the German publishers wrote to me and said they liked the original opening better, could they publish it that way? I said yes. What is interesting is that Germany is the only country to publish this version of the book.


    D.h. wir haben die Originalfassung gelesen :-), sind das einzige Land, in dem sie veröffentlicht wird und der Anfang aus Salomés Blick geht auf die amerikanische Lektorin zurück. Auch wenn mir der Anfang mit Salomés Brief gut gefallen hat, glaube ich, dass ich den aus Pajaritas Sicht besser finde. Passt besser zum ersten Abschnitt während der Brief von Salomé einiges aus dem letzten Abschnitt vorwegnimmt.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")