Rattentanz - Michael Tietz

  • Es fällt mir schwer über dieses Buch nur wenige Zeilen zu schreiben, denn es beschäftigt mich gedanklich nun schon etliche Tage.
    Erstmal möchte ich sagen, daß dieses Buch keinesfalls ein Fehlkauf für mich war. Ich mochte den Schreibstil von Michael Tietz, fand die Idee gut, mich haben die Geschichten hinter den Personen sehr interessiert. Vor allem aber das Thema.
    Ein trotz des Umfangs kurzweiliges Buch - ich konnte jetzt keine allzu großen Längen feststellen. Soweit ich die Kritiken zu dem Buch gelesen habe, stört sich jeder an einem anderen Punkt.


    Was mich gestört hat war das Menschenbild, das Michael Tietz vermittelt. Durchaus denkbar, daß in manchen Brennpunkten Verbrecher jeden Stromausfall sofort nutzen. Aber daß wenige Stunden nach einem solchen Stromausfall gleich die Mehrheit der Gesellschaft ausflippt - unwahrscheinlich.
    Unwahrscheinlich auch, daß in einem Dorf mit 500 Einwohnern nur eine Frau noch einige Hühner hat (ich kenne genug solcher Dörfer - in jeder Straße hat noch irgendwer einige Hühner - oder Ziegen, oder Treibhäuser usw). Wo sind die Tiere aus der Massentierhaltung , ist da echt keiner der ein Notstromaggreat hat? Niemand, der auf den Gedanken kommt, den Bach und dessen Fließkraft zur Stromgewinnung zu nutzen, keiner der einen Dynamo an eine Glühbirne anschließen kann..... Haben die Menschen wirklich so extrem wenig Vorräte im Haus? Warum beginnt die ersten Tage schon der Hunger und nicht erstmal das große Fressen, weil die Tieflkühltruhen versagen...?


    Hier wird es eben für mich spannend. Mich hat es schon gejuckt, das Thema in die Plauderecke zu setzten...


    Ich fühlte mich wunderbar unterhalten und denke viel darüber nach, auch wenn meine Gedanken mehr in die Richtung gehen, wie es in der Realität eben nicht wäre....


    Absolut lesenswert, auch wenn es meiner Meinung nach teilweise wirklich nicht realistisch ist und auf einem Menschenbild aufgebaut ist, das ich so nicht teilen kann.

  • An dem 2. Punkt, den du ansprichst, habe ich mich auch gestört. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die allermeisten Landbewohner Vorratshaltung betreiben, also 2 - 3 Wochen hätte man sich sicher mind. gut ernähren können. Keine Hausfrau würde auf die Idee kommen, ihre Kühltruhe am Tag des Stromausfalls auszuräumen! Schließlich hält eine geschlossene Kühltruhe einige Zeit kalt und so kann in den Tagen danach langsam die Kühltruhe leergegessen werden. Dazu kommt, dass die meisten Lebensmittel auch nach dem Auftauen nicht sofort kaputt sind, Gemüse u. ä. hält sich in einem kalten Keller (und der ist ja auf dem Land auch vorhanden) wesentlich länger. Auch mir ist die Eigenversorgung viel zu kurz gekommen. Schließlich haben wir Frühling, also beginnende Erntezeit für eigene Erträge! Und das man mal in Wald und Wiese gehen könnte, um sich dort mit Früchten, Pilzen und Wild (!) einzudecken, wurde ganz kurz angerissen, aber nicht weiterverfolgt. Auch die ersten Hungertoten, die ja nach einigen wenigen Wochen im Dorf auftauchen, halte ich viel zu verfrüht. Ich denke ein Mensch braucht länger, um zu verhungern. In den Städten schaut es sicher anders aus, aber hier wird ja bewusst die Situation auf dem Land geschildert.


    Mir kam es so vor, als wollte der Autor relativ schnell die Katastrophe beginnen lassen, und hat deswegen die Sache starkt vereinfacht.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Hallo Lese-rina,


    wäre interessant, hier mal am 23.Mai spontan zu fragen, wie lange die Leute etwas im Haus haben, wie sie für längere Ausfälle gerüstet wären.


    Aber das wäre wirklich ein Thema für die Plauderecke - ich frage mich nur die ganze Zeit in wie dieser Autor lebt...


    Lebt er auf dem Land? Dann wüsste er, daß die Menschen hier Vorräte haben, auch soviel eigene Lebensmittelproduktion (wer ernährt denn die Stadtbevölkerung?), daß sie selbst nicht verhungern.


    500 Häuser, deren Bewohner sich schnell dezimiert haben (Verstorben oder geflüchtet) - Heizöl ohne Ende - aber die Maschinen des einzigen Bauernhofes stehen nach einigen Tagen still - Hey, wenn nur 2000 L noch im Tank jeden verlassenen Hauses stehen, dann laufen diese Maschinen doch noch das ganze Jahr - oder länger (bin keine Bäuerin- aber unlogisch ist es)


    Lebt er in der Großstadt? Warum spart er dieses Thema aus


    Ich hatte das Gefühl, daß er jeden Ort über 10.000 Einwohnern schon als Großstadt betrachtet... Auch da kennt jeder jeden - und ich würde mich hüten hier zu randalieren, wenn ich damit rechnete, daß die Lichter jeden Moment wieder angehen.


    Vielleicht setze ich das Ende Mai wirklich in die Plauderecke - wäre total interessant. :wave

  • Ich denke mal, dieses Szenario ist schon schwer in Szene zu setzen...
    Aber mit diesen Schwächen kann ich leben.


    Ich dachte auch, so manche Photovoltaik - Anlage hat doch bestimmt auch die Gegend verunziert.... :-]

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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