Rattentanz - Michael Tietz

  • Kurzbeschreibung:


    An einem ganz normalen Frühlingsmorgen beginnt der globale Albtraum: Das weltweite Stromnetz bricht von einer Sekunde auf die andere zusammen. Sämtliche Kommunikationssysteme kollabieren, urplötzlich stürzen Flugzeuge vom Himmel, innerhalb von Stunden regieren Chaos, Gewalt und Anarchie. Es geht um das nackte Überleben in einer bis dahin unbekannten Welt - aber nur die wenigsten scheinen dieser Herausforderung gewachsen. Gibt es Hoffnung für die Menschheit oder werden am Ende nur die Ratten triumphieren?


    Über den Autor:


    Michael Tietz ist gelernter Krankenpfleger und lebt mit Frau, Sohn und Hund im Südschwarzwald. Die Idee zu diesem Buch kam ihm beim Anblick eines gewöhnlichen Bleistifts: Wie überlebensfähig sind wir an Wohlstand, volle Geschäfte, Strom und alle anderen Segnungen moderner Zivilisation gewöhnte Mitteleuropäer, wenn all diese Sicherheiten von einer Minute auf die andere wegbrechen? Wie stark ist unsere Gesellschaft, wie haltbar das soziale Geflecht, in dem wir unser Leben leben? Was passiert, wenn einer den ganz großen Schalter umlegt?
    Die Arbeit an „Rattentanz“ nahm – vom ersten Gedanken bis zum letzten Wort - drei Jahre in Anspruch. Das Ergebnis überzeugt mit einer ebenso temporeichen wie hintergründigen Handlung sowie glaubhaften und lebensnahen Charakteren.


    Meine Rezension:


    Ein Endzeithriller aus deutscher Feder? Zugegeben, zunächst war ich skeptisch. Doch schon bald wurde die anfängliche Skepsis von Spannung, Begeisterung und einem wahren Lesesog abgelöst. Denn Michael Tietz gelingt es in seinem Debütroman (!) von der ersten Seite an seine Leser mit diesem fiktiven Albtraum zu fesseln, der - vielleicht gegen alle Wahrscheinlichkeit, aber - rein theoretisch doch in irgendeiner Form so geschehen könnte. Von einer Sekunde auf die andere wird buchstäblich nicht nur das Licht ausgeknipst und das überall auf der Welt und für lange Zeit. Sich die Folgen dieses Blackouts in einem kleinen Gedankenspiel auszumalen ist eine Sache, sie aber mit den Figuren des Romans zu erleben, eine andere.
    Der große Knall lässt nicht lange auf sich warten und schon nach wenigen Seiten hat sich das Leben der Menschen und auf der Welt verändert, ab dann begleiten wir die Bewohner des kleinen Dörfchens Wellendingen im Schwarzwald (das es im übrigen tatsächlich gibt!) in ihrem täglichem Kampf ums Überleben. Doch die Schauplätze wechseln immer wieder und - eine der größten Stärken des Buchs - zeigen ausschnittartige Einblicke in das Leben völlig fremder und scheinbar willkürlich herausgepickter Personen, die alle eine eigene Geschichte haben. Selbst die Figuren, die in einer Verfilmung nur als Statisten eingesetzt werden würden, erhalten hier ein Gesicht und eine Persönlichkeit. Doch auch die Hauptfiguren des Buches sind sorgfältig ausgearbeitet und folgen - wie der Autor im Nachwort berichtet - ihrem eigenen Willen. Mit viel Liebe zum Detail und zu seinen Figuren wird der Leser Teil ihrer Entwicklung, leidet, trauert, fürchtet sich mit ihnen ebenso wie er mit ihnen wächst und Verantwortung übernimmt. Diese Entwicklung und die Tatsache, dass die Figuren mit wenigen Ausnahmen in ihrem Handeln nicht schwarz oder weiß, sondern komplex und vielschichtig sind, hält den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite.
    Mit angehaltenem Atem auf der letzten Seite angelangt bleibt die Gewissheit, diesen Thriller so schnell nicht zu vergessen und ein klitzekleines Gefühl des Unbehagens, ob nicht vielleicht doch irgendwann... Und was dann....


    Für dieses wirklich überzeugende Debüt vergebe ich 10 Punkte! :-]

  • Vielen Dank für diese begeisterte Rezension, milla!


    Eigentlich ist das Endzeit/Katastrophen Genre so gar nicht meins, aber das hier klingt wirklich gut.
    Wie bist Du denn über diesen Titel gestolpert, ich kenne noch nicht einmal den Verlag :wow


    interessierte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich liebe solche Bücher. Das wird aufjedenfall bald gekauft.


    Danke für die Rezi :wave

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • @ Elbereth: Habe es geschenkt bekommen :-)


    @ Eskalina und alle anderen: Oh fein, ich bin auf eure Meinungen gespannt! Mir hat es unter anderem so gut gefallen, weil es nicht so actionlastig im Sinne von Hollywood ist - und die Ursache der Katastrophe hatte was.... Aber jetzt bin ich still, lest selbst! :grin

  • Oh, milla, danke für diese tolle Rezi! :-] Bei mir ist es auf die Wunschliste gehüpft, wenn es nicht so teuer wäre würde ich es sofort kaufen... :grin

  • Super, ich liebe ja diese abseitigen Tips, Titel auf die man nie gekommen wäre....
    Eska schreib mal, wie Du es fandest :chen



    interessierte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hab auch noch eine Rezi:


    Was passiert, wenn urplötzlich überall der Strom ausfällt und alle Computersysteme ihren Geist aufgeben? Diese Frage beantwortet Michael Tietz in seinem Thriller Rattentanz. Und er geht nicht gerade zimperlich mit den Menschen und ihren Reaktionen auf das Desaster um: Lynchjustiz an Polizisten, Plünderungen in Supermärkten, Mord und Totschlag greifen anarchisch um sich. Michael Tietz fackelt ein Actionfeuerwerk ab und macht nicht nur aus dem beschaulichen Südschwarzwald eine Mördergrube. Auch wenn der Roman ein paar Längen hat und etliche Seiten kürzer sein könnte, ist aus der Idee von Michael Tietz ein mitreißender Katastrophenthriller geworden.


    Grüße aus Hannover
    Sisch

  • Ich hab das Buch geschenkt bekommen und kann die Rezi 100pro unterschreiben. Mitreißend, spannend, Junge, Junge, da geht echt die Post ab. Aber nicht nur das, der Blick in menschliche Abgründe läßt schaudern, und doch muss man immer weiterlesen.


    Das Buch ist trotz unbekanntem Verlag übrigens auch schön gedruckt, gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen usw., da geht der Preis bei immerhin 836 Seiten (!) eigentlich doch ok. Für einen kleinen Verlag macht es jedenfalls einen ungewöhnlich professionellen Eindruck. Sowas spricht sich ja vermutlich nur langsam rum, bei amazon ist es aber immerhin schon in die vierstelligen Rangebereiche vorgedrungen. Ich drücke dem Autor für sein Erstlingswerk jedenfalls sämtliche Daumen.:bluemchen


    PS:
    :licht Ich werd mir nun auch mal andere Titel dieses Verlages ansehen. Vielleicht gibts da noch eine Überraschung?

  • Meine Rezension:


    Eines vorab und im Besonderen: Das Buch ist das Beste aus dem Bereich Thriller, was ich in letzter Zeit neben Fitzek und Beckett gelesen habe und ich bin mir sicher, Michael Tietz wird bald in eben diese Fußstapfen treten.


    Zum Buch: es ist streckenweise beängstigend, passend zur Situation manchmal auch lustig, aber immer sehr, sehr spannend.
    Wegen eines Hackerangriffs, der eigentlich nur die schriftlichen Prüfungen in einem Gymnasium verhindern sollte, herrscht Stromausfall im Schwarzwald – genauer gesagt in Wellendingen. Das ist eigentlich nicht weiter bedenklich. Jeder hat schon einmal einen Stromausfall miterlebt, oder? Dann stellt man ein paar Kerzen auf den Tisch und wartet, bis der Strom wieder kommt. Aber was ist, wenn eben wegen diesem Stromausfall auch Flugzeuge vom Himmel „fallen“ und letzten Endes sogar die Notstromaggregate in den Krankenhäusern versagen?
    Und dies nicht nur im Schwarzwald, weil der Stromausfall eine globale Katastrophe ist und etliche Katastrophen nach sich zieht.
    Das große Sterben beginnt und mit ihm der nackte Kampf ums Überleben. Denn eigentlich ist bisher immer alles organisiert gewesen, aber nun herrscht weder Ordnung noch Respekt vor dem anderen und schon gar nicht vor den Dingen der anderen.
    Supermärkte werden gestürmt und Menschen wegen eines Brotes getötet, Banken geplündert, Polizisten erschossen …
    Die Szenerie des Egoismus und des Machtkampfs hat Michael Tietz in seinem Werk auf intelligente und eindrucksvolle Art und Weise geschaffen.
    Ob und wie weit solch ein Supergau bei uns je eintreffen wird bzw. möglich ist, ist hier nicht ausschlaggebend sondern eher der Aspekt, wie sich die Menschen dadurch verändern.
    Um dieses ganze Geschehen herum hat der Autor die Geschichte von Eva und Hans Seger gesponnen. Hans ist kurz vor der Katastrophe nach Schweden gereist – Dienstreise. Nun kämpft er mit allen Mitteln, in dieser „neuen“ Welt zurück zu Frau und Tochter zu gelangen. Hierbei wird er immer wieder mit Rückschlägen konfrontiert, aber er trifft auch auf neue Begleiter und Menschen, die ihm helfen.
    In dieser Zeit kämpft aber auch Eva zu Hause in Wellendingen ihren eigenen Kampf – gegen Plünderer, Mörder und vor allen Dingen gegen den Tod in ihrem Krankenhaus, in dem sie als Krankenschwester arbeitet.
    Und auch viele andere Schicksale werden belichtet und dadurch wird immer wieder Abwechslung beim Lesen geschaffen. Manche Menschen, denen man beim Lesen begegnet, werden einem immer sympathischer – wogegen man manche regelrecht aus dem Buch holen möchte. Diese wühlen in den Hinterlassenschaften anderer, nur um sich daran zu bereichern – ein Rattentanz eben …


    Ich hätte mir dieses Buch niemals selbst gekauft, da es mich vom Rückentext und der Gestaltung eher nicht anspricht. Aber das hat weniger mit dem Buch zu tun als mit meinem favorisierten Lesegeschmack. Daher bin ich sehr dankbar, dieses Werk als Leseexemplar erhalten zu haben. Denn sonst hätte ich einen wahnsinnig gutgeschriebenen Thriller verpasst, der in seiner Spannung und in seinem Unterhaltungswert ein Meisterwerk genannt werden muss. Michael Tietz hat mir mit diesem Werk tolle Lesestunden bereitet und als Fazit kann ich nur sagen:
    Uneingeschränkt empfehlenswert!!!!

  • Ich habe mir dieses Buch von meinem Weihnachtsgutschein gegönnt. Inzwischen bin ich auf Seite 150 angelangt und noch mag es mir nicht so recht gefallen. Gerade für dieses Buch hätte ich mir ein Personenverzeichnis gewünscht, denn es sind doch so einige Personen, die eine Rolle spielen und man nach und nach einfach nicht mehr zuordnen kann. Bei mir entsteht noch kein wirkliches Kopfkino und ich komme nicht so recht rein in die Story. Dabei habe ich mich so auf das Buch gefreut.. :rolleyes Mal sehen, wie es weitergeht.

  • Zitat

    Original von Steena
    Das Buch erscheint wohl im Mai neu bei Ullstein. :wave Bei Amazon oder dem Verlag konnte ich noch nicht finden, hier der Direktlink zu vorablesen, wo es in ein paar Tagen verlost wird: http://www.vorablesen.de/buch/michael-tietz-rattentanz :gruebel


    Da bin ich auch grad drüber gestolpert und die Rezi hier von Milla läßt hoffen, hatte mich so schon sehr interessiert, mit Millas Rezi muß ich es unbedingt haben, das klingt richtig richtig gut. :-]

  • Hm... "Rattentanz" erscheint also in einer günstigeren Version bei einem großen Verlag. :wow
    Bisher habe ich einen Bogen daraum gemacht, in Erster Linie aufgrund des hohen Preises. Aber auch wegen der aufdringlichen Werbung zahlreicher Fans die Amazon.de offenbar als Werbeplattform auserkoren haben.
    Aber unter den Umständen werde ich es wohl mal versuchen. So viele Leute können sich wohl schwer irren... :lesend

  • Rattentanz habe ich letzes Jahr über Weihnachten gelesen und es zu meinem Jahres-Highlight gemacht.


    Für mich ist es weniger ein Thriller, sondern eine Beschreibung unserer technisierten Gesellschaft, wenn die plötzlich die Grundlage, Energie jeglicher Art, nicht mehr zur Verfügung steht.
    Besonders eindringlich ist das Buch, da es sich auf einen kleinen Ort im Schwarzwald, die dort lebenden Personen und auf die Menschen, die wieder zurück an diesen Ort wollen, konzentriert.
    Die Auswirkungen auf den Rest der Welt werden nur hie und da in kurzen Kapiteln angedeutet.
    Es gibt keine übermenschlichen Helden, sondern Menschen wie Du und ich, die versuchen auf ihre begrenze Art mit der Situation fertig zu werden.
    Dabei bleibt der Autor so dicht an der Realität, dass es, für den Fall der Fälle, als Anleitung genutzt werden könnte.


    Auf mich hat es einen ähnlich starken Eindruck hinterlassen wie Marlen Haushofers „Die Wand“ und damit ein Platz in meinen All-Time-Top-Ten eingenommen.


    Für alle die mehr Wert auf eine unter die Haut gehende Geschichte legen , als auf Action und Horror, eine unbedingte Leseempfehlung


    von Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson