Asta Scheib - Agnes unter den Wölffen

  • Über den Autor
    Asta Scheib, geboren am 27. Juli 1939 in Bergneustadt/Rheinland, arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. Ihre literarische Tätigkeit begann sie mit Kurzgeschichten. 1981 publizierte sie ihren ersten Roman.


    Kurzbeschreibung
    Simon ist ihr nicht gleich sympathisch, als sie ihm in der U-Bahn begegnet. Der Junge sieht einfach zu gut aus, und Agnes hält ihn für einen reichen Angeber. Als Siebzehnjährige weiß sie schon recht gut, wer zu ihr passt und wer nicht. Was vielleicht damit zu tun hat, dass sie Halbwaise ist und sich mit den verschiedensten Leuten herumschlagen muss, bei denen nie ganz klar ist, was sie von ihr wollen. Trotzdem freut sie sich, als Simon dann doch wieder auftaucht. Also boy meets girl und alles paletti? Nicht ganz, denn bald stellt sich heraus, dass auch Simons Vater großes Interesse an Agnes entwickelt.


    Ich fand hier übrigens den Amazontext der „Urausgabe“ weitaus treffender und passender als den „neumodischen“ der Neuausgabe, daher stelle ich den hier auch noch kurz - zum Vergleich ;-) - rein:


    Das erste Kennenlernen in der U-Bahn war wenig spektakulär. Eigentlich fand Agnes Simon Wolff bei ihrer ersten Begegnung eher unsympathisch. Doch dann verliebte sie sich in ihn. Die Freundinnen von Agnes sind hellauf entzückt über den smarten Simon. Nur Simons Vater scheint etwas gegen die Beziehung der beiden zu haben. Manchmal hat Agnes sogar das Gefühl, daß er sie heimlich verfolgt. Was will dieser Mann von ihr?


    Meine Rezension
    Dies ist mal wieder ein typischer Fall: Obwohl ich noch andere ungelesene Bücher der Autorin im Bestand habe, musste ich doch das zuletzt erschienene zuerst lesen. *aaaargh!* Das Buch ist aber keine „echte“ Neuerscheinung, sondern die TB-Veröffentlichung des ca. 1995 erschienenen Jugendbuches der Autorin.


    Agnes ist beinahe 17 und im Moment nicht besonders glücklich. Viele Sorgen plagen sie: sie trauert immer noch um ihren verstorbenen Vater, ihre Mutter liegt schon lange wegen ein paar Operationen im Krankenhaus und mit Andreas, dem neuen Lebenspartner ihrer Mutter kommt sie auch nicht immer gut klar.


    Zum Glück hat sie ihre Freundinnen – doch auch hier dräuen Schwierigkeiten am Horizont.


    Als sie Simon Wolff näher kennen lernt, ist sie erst einmal begeistert und die beiden werden ein Paar. Doch Simon ist zuhause nicht glücklich: Seine Eltern sind zwar wohlhabend, doch ein liebendes Zuhause sieht anders aus. Als sein Vater Lorenz Agnes erblickt, ist es um ihn geschehen: Sie ähnelt seiner verstorbenen ersten Liebe stark und er ist so gebannt von ihr, dass er sie mit Anrufen, Briefen, Treffen bombardiert…


    Agnes’ Situation spitzt sich an allen möglichen Enden zu… doch was da so alles passiert, müsst ihr bei Interesse schon selbst nachlesen.


    Das Buch ließ sich eigentlich recht locker wegschmökern und bei nur 176 Seiten ist man auch ganz fix fertig. Doch ich bin ehrlich gesagt nicht wirklich begeistert gewesen. Die gesamte Storyline um die beiden „Wölffe“, die dem Buch den Namen gegeben haben, finde ich leider viel zu überzogen und konstruiert, um wirklich glaubwürdig zu sein. Das Verhalten des Vaters zeugt von enormer Ehrlosigkeit – seiner Frau gegenüber, seinem Sohn gegenüber und vor allem auch Agnes gegenüber! - und grenzt schon an Stalking, zumindest aber an Belästigung.


    Auch das „Finale“ im Freundeskreis konnte mich nicht recht überzeugen. :-(


    Eigentlich schade, denn die Autorin kann durchaus gut und unterhaltsam schreiben – auch bei diesem Buch fand ich den Schreibstil angenehm und flüssig zu lesen. Grundsätzlich ist auch die Idee des Buches nicht schlecht, nur die Umsetzung konnte mich zu meinem großen Bedauern leider nicht überzeugen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Für Freunde der Minimalinformation verstecke ich alles, was näher auf den Inhalt eingeht, mittels der Spoilerfunktion. Wem das zuviel Gefummel ist - der ganze Text steht auch hier.


    Asta Scheib: Agnes unter den Wölffen – Roman, München 2009, Deutscher Taschenbuch Verlag dtv, ISBN 978-3-423-21145-1, 171 Seiten, Format 12 x 19 x 1,5 cm, EUR 8,95 [D], EUR 9,20 [A].


    Seit der Scheidung der Eltern ging es nur noch bergab. Das findet jedenfalls die 16-jährige Agnes Ruge. Ihr Vater Michael, der erfolgreiche Drehbuchautor, der aussah wie Robert Redford, lebt nicht mehr. Mutter Juliane, eine Schauspielerin, ist seit einer verpfuschten Operation gehbehindert und derzeit wieder einmal im Krankenhaus. Und Stiefvater Andreas, als Drehbuchautor längst nicht so erfolgreich wie Agnes’ leiblicher Vater, nervt mit sozialpädagogischem Gelaber.


    Aber hat eigentlich irgend jemand in Agnes’ Bekanntenkreis eine heile Familie?


    Agnes’ exzentrische Schulkameradin Alexandra, genannt Danda, die Drogen nimmt und jeden Tag in einer anderen Verkleidung in der Schule erscheint, behauptet zwar: „Meine Familie ist okay.“ (Seite 78), aber warum reißt sie dann immer wieder von zu Hause aus?


    An einem Sonntagabend in der U-Bahn kommt Agnes mit dem gleichaltrigen Simon Wolff ins Gespräch. Weil sie den gut aussehenden Jungen für einen reichen Angeber hält, lässt sie sich von ihm nicht auf einen Cappuccino einladen. Als sie sich an der Haltestelle voneinander verabschieden, kommt es zu einer unheimlichen Begegnung: Simons Vater fährt mit dem Auto vor, begrüßt seinen Sohn und starrt Agnes an, als habe er einen Geist vor sich, fragt sie nach ihrem Namen – und fährt grußlos weiter.


    Agnes hat jetzt schon genug von den beiden „Wölffen“ – und fällt aus allen Wolken, als kurz darauf Simon Wolff vor ihrer Schule steht und sie zu sich nach Hause einlädt. Sie will nicht. Wer ihr erstaunlicherweise hinterher telefoniert und auf einen Besuch und ein Gespräch besteht, ist nicht Simon, sondern sein Vater Lorenz Wolff. Er hat dafür seine Gründe, und die liegen 20 Jahre in der Vergangenheit ...



    Lorenz Wolffs Interesse an Agnes ist in keinster Weise väterlich, sondern eher erotischer Natur. Was in diesem speziellen Fall ein wenig befremdlich ist, um nicht zu sagen: pervers. Agnes fühlt sich vom Interesse des reifen Mannes gleichermaßen geschmeichelt und abgestoßen.


    Und Simon? Hat er den Machenschaften seines Vaters etwas entgegenzusetzen? Ein ungleicher Konkurrenzkampf um Agnes’ Zuneigung nimmt seinen Lauf ...



    „Agnes war müde. Sie hatte alle Leute satt, die über zwanzig waren, aber immer wieder wurde sie in ihr Familien-Hickhack oder Liebesgedröhn hineingezogen.“ (Seite 132) Und auch die unter Zwanzigjährigen machen nichts als Schwierigkeiten: Freundin Danda, die Exzentrische, hat es wieder einmal nicht zu Hause ausgehalten und ist ausgerückt. Und es kommt noch viel schlimmer ...


    Wird die Zeit des Chaos und der Verwirrung jemals vorübergehen? Wird Agnes’ Leben wieder „in Ordnung“ kommen, wenigstens so einigermaßen? Im Moment sieht es jedenfalls nicht danach aus ...


    Der Roman wurde 1995 als Jugendbuch erstveröffentlicht, spielt also zu einer Zeit, in der man noch mit DM bezahlte und nicht in jeder wachen Minute ein Mobiltelefon am Ohr kleben hatte. Doch auch wenn Zeitgeist und Modeströmungen sich wandeln – das Erwachenswerden gehorcht doch immer den selben Gesetzmäßigkeiten. Es ist eine Zeit der Freundschaft und Verliebtheit, der Ablösung vom Elternhaus, des Begehrens und der Enttäuschungen, der Zukunftspläne, der Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Tod.



    Kennen wir das nicht alle, ganz gleich, in welcher Zeit wir jung waren?


    Nur wenige Monate begleiten wir Agnes durch ihr Leben und werden doch Zeuge dreier entscheidender Lebensphasen. Ihre Erinnerungen und Rückblicke zeigen sie uns als Kind, als Teenager lernen wir sie kennen. Und am Schluss der Geschichte hat sie sich weiter entwickelt und denkt schon sehr erwachsen.


    Ist es ein Jugendbuch, weil es früher einmal als solches verkauft wurde? Es ist ein fesselnder Roman über das Erwachsenwerden, aber eher etwas für Jugend-Nostalgiker als für Jugendliche von heute. Mit Sicherheit können sich auch Teenager in Agnes’ Gefühlswelt hineinversetzen, doch werden sie sich vermutlich vor dem Hintergrund moderner Mediennutzung an entscheidenden Punkten der Geschichte fragen, was die Leute hier eigentlich für Probleme haben.


    Eine Agnes des 21. Jahrhunderts käme gar nicht erst in die Verlegenheit, sich über längere Zeit von einem ungebetenen Verehrer am Telefon belästigen, bedrängen und zu etwas überreden zu lassen, was sie nicht tun will. Sie würde einen kurzen Blick aufs Display werfen und das Gespräch einfach wegdrücken. Böse Wölffe, ob groß oder klein, müssten sich heute etwas anderes einfallen lassen.


    Die Autorin:
    Asta Scheib, geboren am 1939 in Bergneustadt/Rheinland, arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. In den Achtzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Romane und gehört heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen. Sie lebt mit ihrer Familie in München.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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