Wie findet Ihr das?

  • Zeichen und Wunder?


    Es wundere ihn überhaupt nicht, dass wir uns heute zufällig im Baumarkt treffen, denn er habe heute morgen ein Veilchen gesehen und Veilchen hieße ja bekanntlich Viola, sagte er. Unser Treffen war also zwangsläufig, weil ein Zeichen es angekündigt hat. Man müsse nur verstehen, die Zeichen zu lesen.
    Ich dachte, dass er Glück gehabt hatte, weil er keine Hundeblume gesehen habe, denn sonst wäre er statt im Baumarkt jetzt vielleicht im Tierheim. Aber dann dachte ich auch, dass man sich aussuchen kann, welche Zeichen man sieht und welche nicht und dass er wahrscheinlich in der Hundeblume kein Zeichen gesehen hätte und deshalb trotzdem jetzt im Baumarkt und nicht im Tierheim wäre. Auch stellte ich mir vor, wie anstrengend ein Leben sein musste, in dem es von Zeichen nur so wimmelte, die alle darauf warteten, gedeutet zu werden.
    Andererseits dachte ich aber auch, dass ein Zeichenleben vielleicht doch nicht das Schlechteste sei, was einem passieren könne, denn man brauchte nicht mehr zu überlegen, was man tun solle oder müsse, sondern nur auf ein Zeichen warten, und dann wäre sofort klar, was geschieht.
    Er sagte, dass ich hübsch aussehe in dem Kleid und mit den roten Schuhen aus sehr weichem Leder. Ganz ausgezeichnet würde ich ihm gefallen und ob ich diese Sachen mit Absicht angezogen habe, als ich zum Baumarkt fuhr.
    Ich ahnte, dass er meinte, dass ich geahnt oder gewusst hatte, ihn heute hier zu treffen und deshalb das Kleid und die roten Schuhe angezogen hätte, damit er sagen könne, dass ich hübsch aussehe, wenn wir im Baumarkt aufeinander treffen. Ihr Wahrheit hatte ich aber nichts dergleichen gedacht und die roten Schuhe einfach nur angezogen, weil die schwarzen noch dreckig waren von gestern und das Kleid vorne einen winzigen Apfelsaftfleck hatte und deshalb nicht mehr fürs Büro ging, aber noch für den Baumarkt, in dem man sich sowieso meistens neue Flecke auf ein Kleid holt.
    Aber ich sagte ihm nichts von dem Apfelsaftfleck, weil er dann vielleicht enttäuscht gewesen wäre, weil ich so liederlich mit Zeichen umgehe.
    Dann sah er mich an und nahm die Sonnenbrille ab, die er im Baumarkt sowieso nicht brauchte und sah mich ohne Sonnenbrille weiter an. Ich dachte, dass sein Blick ein bisschen traurig und verhangen ist und wunderte mich darüber, denn eigentlich hätte er allen Grund zum fröhlichen oder triumphierenden Blick gehabt, weil er doch ein Zeichen gesehen hatte und das Zeichen ihn zum Baumarkt und zu unserem Treffen geführt und er obendrein Recht behalten hatte und nun wusste, dass Zeichen nicht lügen. Aber dann fiel mir ein, dass das Veilchen ihm ja nicht gesagt haben konnte, dass ich auch zum Baumarkt fahren würde, denn woher sollte das Veilchen denn wissen, dass mir die Blumenerde ausgegangen war und ich eigentlich niemals zum Baumarkt fahre, nur eben gerade heute wegen der Blumenerde. Und dann dachte ich, dass er vielleicht gedacht hatte, dass das Veilchen eine andere Viola meint, die er kennt und die öfter im Baumarkt ist. Und ich dachte, dass er sich vielleicht deshalb sein schicke Sonnenbrille aufgesetzt hatte, weil er hoffte, die andere Viola zu treffen und nun war er enttäuscht, dass nur ich es war, und noch mehr enttäuscht, weil die Zeichen heutzutage auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Wenn das so wäre, dann könnte ich jetzt meine Blumenerde kaufen und die Flecken, die dabei auf mein Kleid kommen, könnten mir egal sein, weil ich ja sowieso gleich wieder nach Hause fahre und keine weiteren Verpflichtungen mehr habe. Wenn das Zeichen mich aber doch gemeint hatte, dann hatte ich eine Verpflichtung und durfte mein Kleid nicht noch mehr beflecken und musste auch aufpassen, dass ich mich nicht ungeschickt anstelle bei der Blumenerde und überhaupt, denn es wäre bestimmt schrecklich, wenn man sich als Zeichenfrau ungeschickt anstellt und Flecken auf dem Kleid hat. Ich war ein bisschen ärgerlich, weil nur er ein Zeichen bekommen hatte und ich nicht, denn dann hätte ich ein anderes Kleid ohne Flecke anziehen und die schwarzen Schuhe schnell putzen und noch ein bisschen Parfum anlegen können und ich fragte mich, ob Zeichen parteiisch sein können. Vielleicht gab es aber auch Zeichen für Männer und für Frauen, doch dann fiel mir ein, dass er ja gesagt hatte, man müsse die Zeichen zu deuten verstehen und offensichtlich war ich dafür nicht begabt. Denn ich sah in einem Veilchen eigentlich immer nur ein Veilchen und niemals einen Hinweis auf ein Treffen im Baumarkt, aber das lag vielleicht daran, dass ich selbst ja Viola heiße und eher auf Zeichen achten muss, die seinen Namen assoziieren. Er hatte noch immer die Sonnenbrille in der Hand und sah mich an und ich dachte, welches Zeichen es wohl für seinen Namen gab und bekam ein schlechtes Gewissen, denn er heißt Horst und ich hatte den ganzen Tag nicht einen einzigen Blick in die Bäume geworfen, ob irgendwo ein Horst, vielleicht sogar ein Adlershorst, zu sehen war und hatte also das Zeichen, welches womöglich für mich angebracht worden war, einfach übersehen.
    Ich war sehr verlegen plötzlich, einmal wegen des Apfelsaftfleckes auf dem Kleid und meiner kommenden Ungeschicklichkeit mit der Blumenerde und dann noch, weil ich den Horst bestimmt übersehen hatte und deshalb fragte ich ihn, was er denn eigentlich im Baumarkt suche...


    Hab mal was ausprobiert. Fortsetzung folgt, wenn gewünscht

  • Als ich den Text las, hörte ich sie schon, die vorsichtigen, zugleich deutlichen Argumente, dazu gedacht, dir beizubringen, daß das soooooo ... also ... wenn es etwas lesbarer ... also wörtliche Rede ... nicht diese Stilverliebtheiten ... also ... verstehen Sie mich nicht falsch ... unsere Leser wollen unterhalten werden ... nichts Literarisches bitte ...


    Ich mag so was!! Ich find 's klasse, wenn etwas mal so richtig mit der Sprache spielt, ihre Möglichkeiten nutzt und nicht bloß leierkastenmäßig dieselben Erzähltechniken runterplappert ...
    Schöner Einstieg in eine Beziehungskiste, in der zwei ichbezogene Individuen das Du entdecken ...

  • Ines : gefällt mir auch sehr, sehr gut. Bitte mehr davon...:-)


    Zitat

    Original von Iris


    Als ich den Text las, hörte ich sie schon, die vorsichtigen, zugleich deutlichen Argumente, dazu gedacht, dir beizubringen, daß das soooooo ... also ... wenn es etwas lesbarer ... also wörtliche Rede ... nicht diese Stilverliebtheiten ... also ... verstehen Sie mich nicht falsch ... unsere Leser wollen unterhalten werden ... nichts Literarisches bitte ...


    @Iris:....das darf doch nicht wahr sein... :wow.


    Meinst Du sowas mit "Hamburger" statt stärkerer Kost für Leser????