Dr. Siri sieht Gespenster - Colin Cotterill

  • Dr. Siri sieht Gespenster
    Original: Thirty Three Teeth
    Colin Cotterill
    Übersetzer Thomas Mohr
    ISBN: 978-3442546442
    Wilhelm Goldmann Verlag
    319 Seiten, 17,95


    Der Autor: Colin Cotterill wurde 1952 in London geboren und trat irgendwann eine Weltreise an, die nie zu Ende ging. Er hat zwanzig Jahre lang in Laos und Thailand, aber auch in anderen Ländern Asiens unterrichtet und Lehrer ausgebildet. „Dr. Siri sieht Gespenster“ ist der zweite Roman aus seiner Krimiserie mit dem Leichenbeschauer und Ermittler wider Willen Dr. Siri Paiboun. Der erste Band „Dr. Siri und seine Toten“ wurde für den international bedeutendsten Krimipreis, den Duncan Lawrie Dagger, nominiert. Colin Cotterill lebt in Chiang Mai, Thailand.


    Handlung: Etwas Wildes und Böses macht die Hauptstadt von Laos unsicher. Es scheint, als würde ein entlaufener Bär hilflose Frauen angreifen und töten. Aber Dr. Siri, der einzige Leichenbeschauer von Laos, hat es nicht nur mit diesem Fall zu tun. Auch zwei Tote auf einem Fahrrad geben ihm Rätsel auf. Mit Unterstützung seiner Helfer, der Krankenschwester Dtui und ihres Kollegen Mr. Geung, geht Siri den Todensfällen beharrlich, wenn auch auf unorthodoxe Weise nach. Dass in die Vorfälle eine seltsame Holztruhe, ein toter Elefant und ein geheimnisvoller Gärtner verstrickt sind, würde andere vielleicht überraschen – nicht Dr. Siri. Schließlich hat er in seinen über siebzig Jahren schon so manches gesehen.


    Meine Meinung: Ich muss gestehen, ich habe den ersten Band immer noch ungelesen hier liegen und habe mich aus bestimmten Gründen gleich an den zweiten Band gemacht. Durch die vielen positiven Rezensionen war ich schon sehr auf Dr. Siri und sein ungewöhnliches Team gespannt.
    Es sind nicht nur die Personen, die abseits jeglicher Norm liegen, es ist auch das relativ unbekannte Laos, dessen Bewohner tief in ihrer Mythologie und Geisterwelt verwurzelt sind und die das mit den in ihrem Land herrschenden Kommunisten unter einen Hut bringen müssen.
    Das führt schon mal dazu, dass die „Genossen“ Schamanen von der Partei zu einer Versammlung gerufen werden, in denen ihnen per Dekret befohlen wird, den Geistern mitzuteilen, dass sie das Land verlassen sollen. Es gibt viele solcher Szenen, in denen eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Kommunismus stattfindet.


    Dieses Buch hebt sich erfrischend von vielen bekannten Plots ab. Natürlich muss ein Ermittler sich um Todesfälle kümmern, doch Siri hat noch mehr Aufgaben: Er kümmert sich um die Obduktionen, um die Ermittlungen und teilweise um die Geister der Toten, die manchmal einfach so bei ihm im Büro herumsitzen.
    Dtui, seine Assistentin, eine übergewichtige Krankenschwester, hilft ihm bei seinen Recherchen.
    Ein kleines Zitat zu Dtui, damit man sich einen Eindruck vom Schreibstil des Autors machen kann: „Ich bin Schwester Chundee Chantavongheuan“ Das war der Name, auf den ihre Eltern sie getauft hatten, auch wenn sie ihn nur selten benutzte. In Laos war es Brauch, seinen Babys bei der Geburt hässliche Kosenamen zu geben, um Kinder fressende Geister abzuwehren. Es gab Schweinchen, Krabben und Kamele und jede Menge Dtuis –Dickerchen. Während viele Dtuis zu schlanken, schönen Menschen heranwuchsen, machte Chundee Chantavongheuan ihrem Spitznamen alle Ehre…


    Der zweite Helfer von Dr. Siri ist der mongoloide Mr. Geung und auch hier beweist Cotterill seinen Hang zu ungewöhnlichen Charakteren. Dass die drei sich in diesem Buch um Tote kümmern müssen, die alle ungewöhnliche Bissverletzungen aufweisen, geht fast in der Vielzahl an außergewöhnlichen Ereignissen und Dialogen unter. Man liest und staunt über den Einfallsreichtum mit dem dieses Buch geschrieben ist und ist mehr als einmal begeistert von dem Humor, der aus dem Ganzen zusätzlich einen Lesespaß der Extraklasse macht.
    Zugegeben, die Geister könnten einige Leser abschrecken, aber ich fand sie absolut passend zu dieser schrägen Geschichte. Nun werde ich mich ganz sicher noch an den ersten Band machen und sehnsüchtig auf die nächsten Bücher über Dr. Siri warten.

  • Vielen Dank Eskalina für deine ausfühliche Rezension.
    Das Übersinnliche fand auch im ersten Band schon statt und ich muss sagen der Humor, der wirklich unglaublich gut ist, hat das für mich wieder wett gemacht. :wave

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Eskalina :
    Vielen Dank für die schöne Rezension. :-)
    Ich habe mir den 2. Band letzte Woche gekauft und freue mich schon auf das Lesen.
    Dann wird dir der 1. Band sicher auch gefallen.


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Den ersten Band über Dr. Siri habe ich seeeehr gerne gelesen und ich freue mich schon richtig auf den zweiten, den ich mit Sicherheit lesen werde - nach dieser tollen Rezension wird mir das Warten auf das Bücherei-Exemplar vermutlich ziemlich schwer fallen.


    Mich hat der übersinnliche Touch im ersten Band nicht gestört - er kam überraschend, aber letztlich war so ziemlich alles in dem Buch irgendwie überraschend. Die Geister waren sehr passend in die Handlung eingeflochten und wirkten auf mich überhaupt nicht aufgesetzt oder störend.


    LG,
    Monika

  • Da ich den ersten Band schon unschlagbar fand, vor allem dieser eher trockene Humor angesichts der doch sehr schwierigen Lebensbedingungen in Laos, werde ich Band 2 sicher auch bald lesen.


    Danke für die Rezi :wave.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Schöne Rezi, Eskalina. Jetzt aber fix den ersten Teil lesen :zwinker.


    Ich hab ja schon vor einer Weile die beiden ersten Teile auf Englisch gelesen, die nächsten Teil subben schon bei mir :grin Mir gefällt Dr. Siri sehr und die Diskusion bzgl. der Esoterik/Spiritualität hatten wir ja schon mal irgendwo und ich muss gestehen: Obwohl das normalerweise gar nicht mein Ding ist, hier stört es mich nicht, passt sogar sehr gut.


    Dr. Siri und seine Behelfs-Forensik sind einfach klasse und nebenbei lernt man auch noch etwas über das ja sehr verschlossene Laos.

  • Um den ersten Teil bin ich ja schon eine ganze Weile rumgeschlichen. Nach dieser begeisterten Rezi (auch wenn es der zweite Teil ist), werde ich es wohl doch auf meine WL setzen.


    Eskalina :
    vielleicht bin ich berufsgeschädigt, aber den Ausdruck "mongoloid" gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Heute sagt man politisch korrekt eher Menschen mit Down-Syndrom.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Vielen Dank für die schöne Rezension, ich freue mich schon auf diesen Teil mit Dr.Siri, den ich ja schon im ersten Band ins Herz geschlossen habe. :-]


    Die Wortwahl des Übersetzers betreffend: der erste Band spielt 1972, der zweite wahrscheinlich kurz danach, von daher ist die Wortwahl doch authentisch! :gruebel


    überlegende Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich habe auch noch eine Rezension über diesen außergwöhnlichen Krimi:


    Angesiedelt im kommunistischen Laos der 1970er Jahre, sind die Krimis von Colin Cotterill mit Dr. Siri und seinen Freunden eine echte Bereicherung der Krimilandschaft. Mit viel Humor, einem kräftigen Schuss Übersinnlichkeit, dem fest verwurzelten Glauben an die Geister der Vorfahren und den alltäglichen Unzulänglichkeiten des damaligen Systems gelingt Colin Cotterill in „Dr. Siri sieht Gespenster“ eine wunderbare Kriminalgeschichte zwischen handfester Ermittlungsarbeit und volkstümlichem Geisterglauben. Wer Nury Vittachis Stories um den Feng-Shui -Meister Mr. Wong liebt, sollte an Dr. Siri auf keinen Fall vorbeigehen. Geistreiche Unterhaltung aus einem fast unbekannten Land.


    LG Sisch

  • Ich werde alt... ich hätte schwören können, dass ich diesen Teil schon gelesen habe und wollte den dritten Teil anfangen... und da merke ich, dass ich "Thirty-Three Teeth" doch noch nicht gelesen habe :lache


    Aber nun dann doch. Und auch wenn hier das Spirituelle einen (noch) größeren Raum bekommt als im ersten Teil und ich eigentlich sagen würde, dass das überhaupt nicht mein Ding ist - hier passt es.


    Rundum interessante Figuren, ein charmanter alternder Held - der immer noch offen für Neues ist - und ein absolut spannender Schauplatz: das Laos der 70'er Jahre.


    In Bezug auf die o.g. kurz angeschnittene Diskussion "mongoloid" vs. "Down-Syndrom": m.M.n. kann man es mit der politischen Korrektheit auch übertreiben insb. da es sich hier um einen fiktiven Roman handelt, aber da ich die Originalversion gelesen habe, kann ich mal kurz schreiben, wie es der Autor geschrieben hat. Er führt Mr Geung ein als "... with Down syndrome features..." und lässt aber auch z.B. Judge Haeng sagen "...that his department was hiring a mongoloid..."
    Es wird also beides verwandt, und ich persönlich wäre ohne die Diskussion hier weder über den einen noch den anderen Begriff gestolpert.


    Ich gebe 9 von 10 Punkte für die doch etwas sehr an den Haaren herbeigezogene Geschichte mit dem "weretiger" :zwinker

  • Zitat

    Original von Eskalina
    uert - das mit dem Wertiger hat mich sehr amüsiert. Ich dachte, dass sei die asiatische Form unseres Werwolfes. :-)


    Hat irgendwie was, gell? Dagegen macht der Werwolf auch einen fast harmlosen Eindruck :lache

  • Endlich konnte ich den zweiten Band in unserer Bibliothek ausleihen.


    Er hat mich nicht so sehr fasziniert, wie der Erste. Keine Ahnung woran das lag. Vielleicht doch ein wenig zu viel Geistergetue. Im nachhinein wird davon einiges in die Realität verlagert, das hat mich dann wieder einigermaßen versöhnt. Trotzdem habe ich für dieses Buch vergleichsweise lange gebraucht.


    Es war mir insgesamt zu viel von allem. Zu vielen Personen passieren zu viele abstruse Dinge.

  • Zitat

    Original von Isjoeckel
    Er hat mich nicht so sehr fasziniert, wie der Erste. Keine Ahnung woran das lag. Vielleicht doch ein wenig zu viel Geistergetue. Im nachhinein wird davon einiges in die Realität verlagert, das hat mich dann wieder einigermaßen versöhnt. Trotzdem habe ich für dieses Buch vergleichsweise lange gebraucht.


    Es war mir insgesamt zu viel von allem. Zu vielen Personen passieren zu viele abstruse Dinge.


    Ich habe den 2. Band auch in der vergangenen Woche gelesen und war nach meiner Begeisterung für den Vorgänger, enttäuscht.
    Mir war die Handlung hier auch zu abgehoben und spiritistisch.

  • Mir geht es ähnlich wie Roma und Isjoeckel - der erste Band hat mir besser gefallen. Da war das "Spirituelle" besser in den eigentlichen Kriminalfall eingebettet. Hier im zweiten Band kam mir der Krimi etwas zu kurz. Es hat ja doch etwas gedauert, bis der eigentliche Fall so langsam ins Rollen kam und der Wertiger hatte letzlich ja nur einen sehr kurzen Auftritt. Schade, ich hätte gern mehr Wertiger und dafür weniger "Kaiserliche Truhe" gehabt ...


    Trotzdem war's ein Lesevergnügen und ich freu mich schon auf den nächsten Auftritt von Dr. Siri!

  • Das war mal wieder ein kurzweiliges Lesevergnügen, keine Frage, aber so richtig zufrieden war ich am Ende nicht. Irgendwie erschien mir die Geschichte mit den beiden Handlungssträngen ziemlich lieblos zusamengeschustert, hier ein paar Geister, dort ein paar Kommunisten, etwas Lokalkolorit, fertig ist der laotische Ethnokrimi. Im ersten Band hat das tatsächlich funktioniert, hier war es nicht mehr so richtig stimmig, die Mystik verkam zum Selbstzweck und der Krimiplot war nur sehr oberflächlich ausgearbeitet.


    Allerdings ist mir schon öfter aufgefallen, dass die Fortsetzungen überraschender Erstlingswerke im zweiten Teil erstmal schwächeln, es in den Folgebänden dann aber wieder aufwärts geht, weshalb ich Dr. Siri auf jeden Fall noch mal eine Chance geben werde.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Von der ersten Seite an hat mich der Schreibstil des Autors wieder in seinen Bann gezogen. Er schildert Siris Erlebnisse so humorvoll und unterhaltsam, dass das Lesen für mich zum Vergnügen wurde.


    Dieses Mal muss Dr. Siri gleich mehrere merkwürdige Todesfälle auflösen. Zum einen treibt ein Untier sein Unwesen, dass schon mehrere Bewohner der Hauptstadt getötet hat. Handelt es sich dabei wirklich um den entlaufenen Bären? Dann sind da noch zwei Tote auf einem Fahrrad und zwei verkohlte Leichen zu denen er extra geflogen wird.


    Dr. Siri ist gegen seinen Willen der erste und einzige Pathaloge der Demokratischen Volksrepublik Laos. Obwohl ihm weder die entspechende Technik noch ein Labor zu Verfügung stehen, löst er die Todesfälle mit seinem scharfen Verstand, guter Menschenkenntnis und der Unterstützung seiner Freunde.


    Immer wieder bekommt der Leser kurze Einblicke in die Welt und das Leben der laotischen Bevölkerung und es wird deutlich welche große Rolle dort der Aberglaube und die Welt der Geister spielen, mit welcher Dr. Siri auch dieses Mal wieder in Berührung kommt, was der Handlung einen mystischen Touch verleiht.


    Dr. Siri ist ein sympathischer und etwas schräger Charakter mit viel Humor, einer gewissen Schlitzohrigkeit und einem großen Herzen. Dieses Mal erfahren wir u.a. etwas mehr über seine Herkunft. Es wird erklärt, warum Siri ein Schamane ist und die Geister von Verstorbenen sehen kann. Dabei wird deutlich, warum der Orginaltitel 33 Zähne heißt.


    Lediglich die Auflösung des Rätsels um die Todesfälle in der Hauptstadt fand ich etwas extrem und überzeichnet. Trotzdem war gerade dieser Abschnitt sehr spannend.


    Auch den zweiten Teil der Reihe habe ich sehr gerne gelesen und ich werde sicher Dr. Siri auch auf sein nächstes Abenteuer begleiten.


    Fazit: Gute Unterhaltung für ein paar vergnügliche Lesestunden in Begleitung eines sympathischen und eigenwilligen Protagonisten.