Zuerst habe ich mich in das Cover verliebt. Ich bin ein paar Tage um das Buch herum geschlichen und habe es letztendlich gekauft, ich konnte gar nicht anders.
Hier also die versprochene Rezi!
Zur Autorin (aus dem Buch abgetippt):
Tiffany Baker studierte an der University of California und promovierte in viktorianischer Literatur. Sie lehrte Geisteswissenschaften in New York und zog später zu ihrem Ehemann nach England.
Inzwischen lebt sie mit ihrem Partner und ihren drei Kindern wieder in Maine Country, Kalifornien. Derzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Roman.
Inhalt des Buches (von mir zusammengefasst, ohne zu viel zu verraten):
In Aberdeen scheint jede Abweichung von der Norm noch einmal um vieles gravierender, als sie es wirklich ist. In Aberdeen, ein Dorf im Staat New York, kennt sich jeder und die Zeit scheint dort fast still zu stehen.
Es ist nicht einfach dort aufzuwachsen, besonders wenn man Truly Plaice heißt.
Vor Truly's Geburt herrscht Volksfeststimmung vor dem Haus der Plaices: der Bauch von Truly's Mutter wurde so riesig, dass es den Bewohnern schwer fällt, zu glauben, dass sie nur ein Kind erwartet.
Die Männer schließen Wetten ab: wie schwer wird der Junge? Das höchste Gebot schwankt irgendwo über 6 Kilogramm. Als August Dyerson, der komische Kauz des Dorfes einwirft, dass es sich ja auch um ein Mädchen handeln könnte, wird lachend abgewunken.
So ein Monster kann nur ein gestandener Mann werden!
August Dyerson aber hat Recht mit seiner Anmerkung: es ist ein Mädchen und ihr Gewicht übertrifft jedes Wettgebot. Die Geburt ist so schwer gewesen, dass die Mutter daran stirbt.
Beschämt und schockiert trollen sich die Dorfbewohner nach Hause.
Nun sind es nur noch drei in der Familie Plaice. Truly, ihr trauernder Vater und ihre wunderschöne ältere Schwester Serena Jane, die so bezaubernd ist, wie Truly abschreckend.
Denn Truly wächst und wächst und wächst. Mit 5 passen ihr keine Mädchenkleider mehr. Die Pfarrersfrau mag nur auf Serena Jane aufpassen, weigert sich, Truly aufzunehmen. Truly's Vater erzählt sie, Truly wohne etwas böses, teuflisches inne.
Und so wird Truly von der Familie Dyerson betreut, die außerhalb des Dorfes auf einem heruntergekommenen Bauernhof im Dreck leben.
Am ersten Schultag hört Truly das erste mal das Wort "Riesin". Aus dem Mund der Lehrerin.
Als Serenas und Trulys Vater stirbt ist es nur noch eine Formalität: Serena Jane bleibt bei der Pfarrersfrau und wird wie eine Prinzessin umsorgt, Truly aber soll bei den Dyerson wohnen.
Dennoch lernt Truly dort zum ersten mal etwas wie Freundschaft kennen: die verschlossene, stille Amelia, die Tochter der Dyersons, wird ihre Spielgefährtin. Der schmächtige, geschwätzige Marcus gesellt sich zu den zweien und macht die Außenseiter-Gang komplett.
Währenddessen meidet Serena ihre Schwester mehr und mehr.
Serena und Truly wachsen beide zu jungen Frauen heran, die eine wunderschön und zerbrechlich, die andere riesig und robust.
Dennoch macht auch Schönheit nicht glücklich und Hässlichkeit nicht zwingend unglücklich.
Wie Serena an ihrer Schönheit fast zerbricht und Truly dennoch so etwas wie Glück findet, müsst ihr selbst nachlesen.
Meine Meinung:
Ich habe dieses melancholische, weise Buch, diese Geschichte der bauernschlauen Truly sehr gern gelesen.
Es ist ein Buch über die Macht von Familienbanden, ein Buch über den Tod und das Leben, Unglück und das was man aus seinem Leben macht. Ein Buch über Trauer und Liebe, über Geheimnisse und Vergebnis.
Und vor allem ist es ein Buch über Außenseiter, über die, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sondern sich damit schwer tun, weil sie eben so sind, wie sie sind und nicht aus ihrer Haut können. Die riesige Truly fällt überall auf und wird bemitleidet und noch öfters angefeindet. Und dennoch wird sie größer und größer, auch als erwachsene Frau wächst sie noch wie ein Tumor.
Sie lebt für andere und erlaubt sich selbst wenig. Als müsste sie büßen. Dafür, wie sie nun einmal ist?
Das Buch ist definitiv unaufgeregt, es plätschert stellenweise vor sich hin und dennoch möchte man weiterlesen. Tiffany Baker verwendet eine poetische und dennoch direkte Sprache, die stellenweise an Annie Proulx erinnert. Das Geschehen aber würde ich eher in die Richtung "Magischer Realismus" à la Alice Hoffman einordnen, auch wenn es ohne jeglichen Kitsch auskommt.
Ich würde das Buch jedem empfehlen, der gerne Familiensagas mit dem gewissen Etwas liest.
Trotz aller Schicksalsschläge, die Truly erdulden muss, hat dieses Buch doch so etwas wie ein Happy-End und lässt einen ein wenig nachdenklich, ein wenig melancholisch und ein wenig glücklich zurück.
Ich gebe 8/10.