Eine Bitte an die Autoren...

  • Hallo Iris,


    zu Deinem Satz
    Bekanntheit ist also Voraussetzung für Lesungen nicht Folge davon.


    möchte ich folgendes einwenden:
    Sicherlich geht ein Großteil der Leser zu Lesungen bekannter Autoren.
    Bei Gefallen der Lesung und Sympathie für den Autor/in ist doch aber nicht völlig auszuschließen, dass er durch anschließende Gespräche des Lesers mit Freunden und Bekannten den Bekanntheitsgrad des Autors erhöht. Und wie dieses Forum zeigt, werden wahre Schätze erst durch die Mundpropaganda bekannt.


    Ferner kenne ich noch eine weitere Möglichkeit, wie Lesungen zustandekommen.
    In unserer Stadt gibt es einen Buchhändler, der viele Freundschaften zu Autoren pflegt. Seine Buchhandlung hat er inzwischen an eine Nachfolgerin abgegeben,doch Lesungen organisiert er immer noch. Leider viel zu wenige!


    Ach ja, und dann gibt es in unserer Stadt noch ein Literaturhaus, das jungen Autoren eine Chance gibt, eigene Werke kostenlos vorzutragen. Das Literaturhaus ist als Verein organisiert. Habe es allerdings noch nicht geschafft, dort vorbeizuschauen. Bekanntere Autoren dürfen natürlich auch lesen.


    LG
    Salonlöwin

  • Hallo, Salonlöwin.


    Zitat

    Bei Gefallen der Lesung und Sympathie für den Autor/in ist doch aber nicht völlig auszuschließen, dass er durch anschließende Gespräche des Lesers mit Freunden und Bekannten den Bekanntheitsgrad des Autors erhöht. Und wie dieses Forum zeigt, werden wahre Schätze erst durch die Mundpropaganda bekannt.


    Natürlich hat auch der einzelne Lesungsbesucher eine gewisse Reichweite, und mit etwas Glück ist eine Büchereule dabei, klar. Jeder gewonnene Leser ist ein gewonnener Leser, so kann man das sehen. Ich begegne bei Poetry-Slams und Open-Mike-Veranstaltungen, offenen Leserunden quasi, immer wieder Leuten, die sehr begeistert (und manchmal sogar begeisternd) ihre selbstverlegten Werke vortragen und ein paar Bücher ans Publikum verkaufen. Meistens sind das allerdings Local Heros. Es passiert seltener, daß Autoren anreisen, um bei solchen Veranstaltungen dabei zu sein.


    Eine Lesung kostet Geld - Anreise, Übernachtung, ggf. Verdienstausfall (Urlaubstag), gerade bei Autoren, die noch nicht vom Schreiben leben. Auch für die Organisatoren entsteht ein hoher Aufwand - Personal muß bereitgestellt werden, u.U. Raummiete gezahlt, es muß Werbung gemacht werden usw. usf. Natürlich gibt es Literaturliebhaber, die sich derlei gerne ans Bein binden. Aber eigentlich sind die die Ausnahme, und auch das Publikum, das derlei wirklich gerne sieht, ist dünn gesät. Besagte Poetry-Slams bedienen einen sehr abgeschlossenen "inneren Kreis", der immer wieder kommt. Neue Autoren und neues Publikum sind die Ausnahme.


    Und wir reden von Belletristik. Leute, die nicht bei größeren Verlagen veröffentlicht haben, haben mir in meiner Zeit als Vorsitzender des 42erAutoren e.V. im Wochenturnus ihre Werke geschickt - selbstverlegte Sachen, Book-on-Demand, Miniverlage, Druckkostenzuschuß. 99,999999% davon war einfach Schrott. Diese Bücher sind i.d.R. einfach Mist - entweder von Anfang an (es hätte niemals geschrieben werden dürfen), oder es fehlt der Schliff, professionelles Lektorat und Korrektorat. Nur sehr, sehr wenige Buchhändler geben sich mit derlei ab - ich kenne keinen.


    Aber auch die Debütanten bei größeren Verlagen, die noch nicht so viel verkauft haben, sind schwer über Lesungen zu vermitteln - ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin so einer. Natürlich kommen ein paar Leute zu den Lesungen, natürlich werden auch ein paar Bücher direkt verkauft, aber das isses auch schon. Die Honorarverhandlungen sind zäh und schwierig. Anfragen kommen tröpfelnd, wenn überhaupt. Die Leute wollen es nicht hören, die Buchhandlungen geben sich den Streß nicht. Lesungen sind auch irgendwie uninteressant, aus unterhaltungstechnischen Gesichtspunkten gesehen. Interessant werden sie dadurch, das Gesicht des bekannten Autors endlich sehen zu können, mit ihm sprechen zu können, das Buch signiert zu bekommen. Lesungen sind eine Marketingmaßnahme im laufenden Bewerbungsprozeß, aber nur bei bekannten Autoren auch mit Reichweite (Presse, viel Publikum). Die Autoren verdienen damit nicht unerheblich Geld, aber auch nur bekannte. Für alle anderen ist es ein ermüdendes, teures Zuschußgeschäft, dessen Reichweite in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Ein großer Spaß, manchmal, aber viel häufiger eben eine trübe, langweilige Veranstaltung mit sieben, acht Figuren, von denen die Hälfte zum Personal gehören.

  • Hallo Tom,


    das von Dir geschriebene war mir schon klar.
    Ich frage mich dabei nur: wie will ein noch relativ unbekannter Autor ohne renommierten Verlag im Rücken und ohne Erwähnung durch Elke Heidenreich bekannt werden und seine Bücher verbreiten? Das ganze ist schon mit ein bißchen Schweiß und Eigeninitiative verbunden.
    Gute Ratschläge möchte ich hier bestimmt nicht verteilen. Und ich kann Dir versichern, dass ich aus eigener Erfahrung weiß (habe mich auch selbständig gemacht), wie schwer Eigenmarketing ist und mit welchen Kosten zu rechnen ist.
    Allerdings hätte ich auch gedacht, dass Jungautoren ein wenig mehr Idealismus an den Tag legen.


    LG
    Salonlöwin

  • Hallo, Salonlöwin.


    Ich kenne viele "Jungautoren", die es ohne Verlag im Rücken versucht haben und immer noch versuchen. Die Kappungsgrenze der auf diesem Weg zu verkaufenden Bücher liegt bei ungefähr 300 Stück, plusminus. Es werden Selbst- oder Kleinverlage gegründet, gerne auch Verlagskooperativen zusammen mit anderen Autoren. Man organisiert Lesungen. Hat hier und da ein bißchen Lokalpresse. Da steckt eine Menge Idealismus drin, es kostet unglaublich viel Mühe und Schweiß, die paar Bücher zu verkaufen. Man lernt auch sehr viel dabei. Aber irgendwann passiert eben einfach nichts weiter, die Freunde sind genervt, weil sie schon wieder ein Buch erwerben müssen, die Lokalpresse verkauft exakt zwei Exemplare, auf Lesungen kommen zwölf Leute, die man inzwischen alle kennt.


    Der Ansatz ist falsch. Wer wirklich, wirklich ernsthaft schreiben und veröffentlichen will, sollte unglaublich hart und lange daran arbeiten, gut zu schreiben, statt (i.d.R. grottenschlechte) Bücher im Direktvertrieb zu verkaufen. Man muß einfach tonnenweise Geschichten und Entwürfe verfassen und wieder wegwerfen (eben tonnenweise), sich an zig Wettbwerben beteiligen, sich um Veröffentlichungen in Zeitschriften bemühen, massenweise Expos und Leseproben durch die Welt schicken - gute. Das ist der Weg. Das, wovon wir hier sprechen, ist nämlich die Arbeit des Verlages!

  • Zitat

    Natürlich kommen ein paar Leute zu den Lesungen, natürlich werden auch ein paar Bücher direkt verkauft, aber das isses auch schon. Die Honorarverhandlungen sind zäh und schwierig. Anfragen kommen tröpfelnd, wenn überhaupt. Die Leute wollen es nicht hören, die Buchhandlungen geben sich den Streß nicht. Lesungen sind auch irgendwie uninteressant, aus unterhaltungstechnischen Gesichtspunkten gesehen.


    Du hast ja recht, Tom. Aber es müssen sich die Autoren da auch zum Teil an die eigene Brust schlagen.
    Lesungen sind zum größten Teil eben STINKLANGWEILIG.


    Dass einer ein guter Schriftsteller ist und kurzweilig mit Sprache umgehen kann, heißt noch lange nicht, dass er seine Texte auch gut vortragen kann. Ehrlich gesagt: Meine Erfahrungen zeigen sogar, dass es in fast jedem Fall umgekehrt ist. Und dann sind die meisten Autoren noch so heilig, dass keinerlei Unterhaltungswert in die Lesung einfließen darf. Das wäre ja eine unverschämte Popularisierung und Banalisierung seines hochliterarischen Werkes. Am besten in asketischem Ambiente, mit gedämpfter Stimme, immer etwas vergeistigt über die Lesebrille hinwegschauend und sich leise räuspernd, wenn hinten jemand mit seinem Barolo-Glas aus versehen an das Escada-Feuerzeug klappert. Kein Wunder, dass da keiner vom RTL-Nachtprogramm wegzuholen ist. Und kein Wunder, dass Buchhändler für eine Abendveranstaltung mit dem Charme des ARD-Presseclubs nicht 300 Euro auf den Tisch legen wollen.
    Man kann ja zu Schätzing stehen wie man will: Ich hatte ihn bei einer Lesung gesehen und er gab sich zumindest etwas Mühe, in dem er mit einem elektronischen Kniff über einige Strecken des Abends mit seinen Protagonisten aus dem "Schwarm" ins Zwiegespräch kam. Das war unterhaltsam und technisch gut gemacht. Hinsitzen und vorlesen kann jeder. Und die meisten sogar noch besser, als ein öffentlichkeitsscheuer oder selbstbeweihräuchernder Schriftsteller.
    Bums, jetzt hab' ichs Dir aber gegeben. Ich weiß, tom: ohne Komma .... ;-)

  • Hi, Columbo.


    Ich stimme Dir in jedem Punkt zu, aber das ist auch wieder ein anderes Thema. Vergnügliche und unterhaltsame, wenigstens spannende Lesungen - hohe Kunst! Große Achtung vor Leuten, die das hinkriegen (schon mal Thomas R. P. Mielke lesen hören? Ganz großes Tennis! Oder Harry Rowohlt? Frank Schulz?). Aber wir reden hier über Lesungen als Marketingmaßnahme für den Nachwuchs. Lesungen als Marketingmaßnahme generell. Das sind sie eben nicht. Und ich verstehe jeden Autor, der ungerne liest.

  • Salonlöwin, um 's nur mal am Rande zu erwähnen: Tom und ich, wir sind beide selbständig, und das schon viele Jahre. Die Problematik von der Entwicklung eines Alleinstellungsmerkmals über die Vermarktung desselbigen bis hin zum Problemkomplex Steuern und Abgaben sind uns hinlänglich bekannt. :-)


    Was Lesungen angeht: Schön, wenn es engagierte Veranstalter gibt, die sich auch um den Nachwuchs bemühen. So etwas gibt es auch hier in Marburg, nämlich z.B. die Neue Literarische Gesellschaft, wobei auch hier schon Voraussetzungen erwartet werden.
    Aber es sind wenige, es ist nicht einmal der berühmte Tropfe auf den heißen Stein.
    Buchhändler veranstalten nur selten Lesungen, weil diese mehr Kosten verursachen, als Geld bringen. Andere Veranstalter kämpfen ebenso mit dem Problem, daß Aufwand und Ertrag sich irgendwie für alle Beteiligten rechnen müssen.
    Mein Mann und ich veranstalten mit ausgewählten gastronomischen Betrieben Literarische Menüs, z.B. seit Anfang 2004 den Lindauer Literaturschmaus mit dem Insel-Hotel in Lindau im Bodensee; ab Herbst dieses Jahres startet eine weitere Reihe (Daumen drücken!!!) mit einem wunderschön gelegenen familiären Juwel im Südrand des Odenwalds. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wieviel Aufwand allein der organisatorische Anteil erfordert, dazu PR und Medienarbeit usw. usf. Auch wir können diese Veranstaltungen nur dann durchführen, wenn mindestens einer der teilnehmenden Autoren überregional bekannt ist.


    Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, daß Nachwuchsveranstaltungen meistens einen geradezu inzüchtigen Charakter haben: Die Autoren lesen für ein paar Verwandte und enge Freunde, vielleicht (vorausgesetzt es handelt sich um eine kleine Gemeinde) sitzt noch jemand aus der Lokalpresse dabei, aber eine ernsthafte Verbreitung erreicht man mit diesen Veranstaltungen nicht -- zumal die Möglichkeiten auch sehr begrenzt sind.


    Was Tom und Columbo schrieben, kann ich nur voll unterstreichen und unterschreiben. Jeder Versuch, es ohne einen Verlag zu schaffen, ist aberwitzige Selbstausbeutung, die auf Kosten der schriftstellerischen Arbeit geht -- gehen muß! Davon kann man nur abraten. Selbst mit "Verlag im Kreuz" dauert es Jahre harter Arbeit, bis man nur für sich selbst einen bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten kann. Vom Unterhalt für eine Familie ganz zu schweigen.


  • Hallo Frosch, warum so sauer?
    Du hast in deinem Zitat von mir übrigens vergessen, das Smiley mitzuzitieren, das ich hinter meine Frage gesetzt hatte: ;-) Vielleicht hast du es übersehen?????


    Ich wollte mit diesen witzig gemeinten Sprüchen doch nur verdeutlichen, dass es nicht angehen kann, dass Menschen, deren BERUF es ist, dass sie schreiben, nicht auch noch dafür zahlen, dass sie aus ihren Büchern vorlesen.


    Und gerade weil du gesagt hast, dass du von diesen Dingen keine Ahnung hast, wollte ich einfach mal erklären, wie es läuft und wieso. Ich hatte es wirklich nur nett gemeint.
    Übrigens: Wollte ein Autor die vorhin als Beispiel gewählten 300,- Euro Lesehonorar statt dessen über Bücherverkauf auf der Lesung hereinholen, müsste er etwa zwischen 500 und 1.000 Bücher verkaufen ;-) Und das bei jeder Lesung. So geht es also leider auch nicht.


    Schade, dass du meinen Gag nicht verstanden hast. Ist aber durchaus ein üblicher Vergleich, wenn Autoren über Lesungshonorare sprechen.


    Ganz liebe Grüße aus Berlin von Petra :wave

  • wahrscheinlich war meine reaktion tatsächlich etwas überzogen, verzeih, bitte.
    ist aber ein interessantes gespräch draus geworden...
    :-) :-] :wave

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Hi Tom, nee Thomas R. P. Mielke durfte ich noch nicht genießen. Eine Bildungslücke?? Harry Rowohlt liebe ich. Begnadet. Ich möchte auch so sein. Saufen, Lieben, Lesen, Leben.


    Aber Du hast recht: Das ist bereits ein anderes Thema. ;-)

  • Zitat

    Zitat Iris:
    Was Lesungen angeht: Schön, wenn es engagierte Veranstalter gibt, die sich auch um den Nachwuchs bemühen. So etwas gibt es auch hier in Marburg, nämlich z.B. die Neue Literarische Gesellschaft, wobei auch hier schon Voraussetzungen erwartet werden.


    Als wir uns vor ein paar Jahren mal an das Münchner Kulturreferat gewandt haben, hieß es eiskalt, für so etwas wären wir zu alt. Sie würden nur junge Autoren mit guten Zukunftsaussichten unterstützen.


    Um es ganz offen zu sagen, ich stimme Iris, Tom und den anderen Profis voll zu. Wer seinen Weg als Autor gehen will, muss vor allen eines lernen, die Zähne zusammenbeißen und die Hartnäckigkeit eines gereizten Nashorns gewinnen. Bei jedem Schritt, den man tut, bleiben hunderte und später Dutzende anderer zurück, die vor diesem Weg zurück scheuen.


    Übrigens waren wir auch schon auf Amateurlesungen und fühlen teilweise heute noch die Verknotungen im Magen- und Darmbereich, die wir uns dabei zugezogen haben. Das Meiste war schlicht und einfach Schrott. Das Problem ist aber, dass diese Kreise arg inzüchtig sind, und daher den Mief, der sie umgibt, als die Wohlgerüche des Paradieses ansehen. Wer dies nicht tun will, wird sehr schnell ausgebissen.


    Liebe Grüße
    Gheron :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Vergnügliche und unterhaltsame, wenigstens spannende Lesungen - hohe Kunst! Große Achtung vor Leuten, die das hinkriegen


    Beim letzten Lindauer Literaturschmaus waren Tilmann Röhrig und Richard Dübell da. Beide sind ein echtes Erlebnis bei einer Lesung. Und ich habe in Lindau auch schon mal einen gewissen Tom Liehr erlebt; auch der war - bei der richtigen Biermenge - sehr witzig und unterhaltsam! :grin

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Und ich habe in Lindau auch schon mal einen gewissen Tom Liehr erlebt; auch der war - bei der richtigen Biermenge - sehr witzig und unterhaltsam! :grin


    Stimmt (Quelle):

    (Ich habe keine Ahnung, die wievielte Halbe das zu diesem Zeitpunkt war, aber er konnte seinen Namen noch fehlerlos schreiben!)

  • Zitat

    Original von Iris
    aber er konnte seinen Namen noch fehlerlos schreiben!


    Na ja, deshalb nennt er sich ja Tom Liehr, in Wahrheit heißt er ja Thomas Wacelslaw Lierpaczynksi-Radnitzko. Aber im Suff kriegt er das nicht. Da dachte er sich, okay, zwei Silben schaff ich in jedem Zustand: Tom Liehr