Robert WILSON: Der Blinde von Sevilla

  • Inhalt:
    In seiner fast leeren Wohnung, auf einen Stuhl vor einem Fernseher mit angeschlossenem Videogerät gefesselt, wird der Bau- und Restaurantmogul Raul Jimenez, tot aufgefunden.
    Gestorben durch sein Wehren gegen die grausame Fesselung und die Aufregung über das, was er auf dem Bildschirm sehen musste?? Denn er musste hinsehen, ihm waren die Augenlider abgeschnitten.
    Javier Falcon, Inspector Jefe der Mordkommission Sevilla, leitet die Ermittlungen. Als er den Toten zum ersten Mal sieht, bereitet es ihm ein bisher unbekanntes körperliches Unbehagen und es ist nicht die Grausamkeit. Die ist er gewohnt.
    Die Ermittlung konzentrieren sich auf die, die von diesem Verbrechen profitieren, auf die Ehefrau Consuelo Jimenez. Falcon ahnt schnell, dass dieser Weg nicht der richtige ist und vermutet das Motiv in der Vergangenheit des Opfers. Er hat Mühe seine Kollegen bei der Stange zu halten, denn die vermuten dahinter den „üblichen Verrückten“.
    Da findet Falcon in den Unterlagen Jimenez alte Fotos aus Tanger und auf einem entdeckt er den Tote und Falcons Vater, ein berühmter Maler der lange in Tanger lebte.
    Es geschieht ein weiterer Mord und der Mörder nimmt Kontakt mit Falcon auf. Liegt das Motiv gar in Falcons eigener Familien-Vergangenheit??
    Um sich Klarheit zu verschaffen, muss sich Falcon mit dem Nachlass seines Vaters beschäftigen, der vor einiger Zeit gestorben ist. Er findet Tagebücher und muss sich Einsichten stellen, die er nie für möglich gehalten hätte. Die Vergangenheit und die Gegenwart fügen sich zusammen und es besteht höchste Gefahr für Javier Falcon.


    Meine Meinung:
    Am Anfang nervte mich, dass Robert Wilson zu fast jedem bekannten Haus, jeder Straße, jeder Bodega den vollem spanischen Namen nennt, jedem Essen den vollen spanischen Namen, so dass der Roman auch ohne weiteres als Führer durch Sevilla gelesen werden kann.
    Was wie einer der üblichen Serienkiller-Romane beginnt, entpuppt sich aber als ein Ausflug in die Vergangenheit Spaniens und die seelische Verstrickungen von Menschen.
    Spätestens als Falcon die Tagebücher seines Vaters liest, ist es um den Leser geschehen.

    Fast jeder kennt Humphrey Bogarts Casablanca, aber wer weiß denn noch, das Marokko einmal spanisch war, Tanger eine Freihandelszone, in der alles mit Geld oder Gewalt zu bekommen war.
    Robert Wilson knüpft aus der Vergangenheit und der Gegenwart ein Netz, in dem sich nicht nur Falcon, sondern auch der Leser verstricken. Nicht mehr die Jagd auf den Mörder treibt Angst-Gänsehaut den Rücken hinauf und hinunter, Falcons Ermittlungen in seiner Vergangenheit und seine fehlenden Erinnerungsstücke, sind es, die ihn und den Leser (vor Spannung) an den Rande des Zusammenbuchs treiben.


    Diese Buch ist in der krimi-Couch –Buch des Monats September 2004 – und es ist wirklich
    "intelligent, packende Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau!"
    Ich schwör’s – Hand auf’s Herz.


    Und ich habe Angst (auch das Hautpthema des Buchs) ein anderes Buch des Autors zu lesen, Angst vor Enttäuschung nach dem Eindruck diesem Romans, der garantiert unter meinen TOP Five des Jahres auftaucht.


    Wenn es hier "Büchereulen" zu vergeben wären - ich gäbe die Höchstzahl plus Eins.


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

    Dieser Beitrag wurde bereits 5 Mal editiert, zuletzt von dyke ()

  • Hallo Dyke,


    Zitat

    Original von dyke
    Wenn es hier "Büchereulen" zu vergeben wären - ich gäbe die Höchstzahl plus Eins.


    Es gibt hier zwar keine "Büchereulen" zu vergeben, aber Du kannst "Daumen" setzen... Schau mal ganz unten im Beitrag, da kannst Du Deine "Daumen" vergeben... :-]

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Bin auch voll begeistert! Wir haben in der Krimicouch eine (die allererste) Leserunde mit diesem Buch gemacht.
    Die Spannung steigt im Laufe des Buches fast ins unerträgliche, dass es sehr schwer ist, sich an den Leserundenrhytmus zu halten.
    Auch von mir: Daumen nach oben!


    lg Bea

  • Ich habe das o.a. Buch gelesen und ein zweites von Wilson, das mich ebenso angesprochen und begeistert hat.


    @ dyke, du kannst "Tod in Lissabon" unbesorgt lesen, denn es ist ebenso gut wie "Der Blinde". Du musst nur bereit sein, dich auf ein ganz anderes Thema und auf einen ganz andern Ermittler einzulassen. (Der Falcon, der war schon toll.)


    Auf meinem SUB liegt noch "Das verdeckte Gesicht", aber das lese ich erst, wenn Wilson ein viertes Buch veröffentlicht hat, damit ich immer etwas von diesem guten Autor in petto habe.


    Jorinde

  • Zitat

    Original von Wolke
    auf Grund deiner super schönen Rezi haben wir gestern gleich noch einen Stapel des Titels für den Laden eingekauft. :-)


    Da kann ich Dir nur wünschen, das Du Deine Kunden meinen geschmack haben :-)


    @ Jorinde


    Danke für die Info. Heute gleich gekauft


    LG Dyke - Stoßgebete um mehr Lesezeit losschickend

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Hallo Dyke,


    offenbar sind die Buchhandlungen nicht so gut sortiert. Wollte ja schon in der Leserunde mitmachen, habe aber das Buch nicht bekommen und zum Bestellen war es zu spät.


    Jetzt dachte ich mir, habe ich ja Zeit mit dem Kauf und habe schon einige Male geschaut, es aber noch immer nicht gefunden. Ich glaube, ich muss es jetzt doch einmal bestellen. Ist schon komisch bei so einem Buch?

  • BESTNOTE!
    Dieser Roman ist von der ersten bis zur letzten Seite fast unerträglich spannend. Durch seinen unglaublichen Sprachstil "lebt" man jede Seite mit den Protagonisten mit. Dies ist keiner von den 0815-Krimis sondern ein exzellentes Buch!

  • Hat doch noch ein Weilchen gedauert.


    637 Seiten
    Originaltitel: The Blind Man of Seville



    1.Fall, Javier Falcon


    Meine Meinung:
    Obwohl es sehr gute Kritiken bekam, hatte ich mit diesem Buch so meine Schwierigkeiten. Es konnte mich einfach nicht fesseln, obwohl es im Nachhinein gesehen eine hervorragende Geschichte war, die in zwei Handlungssträngen erzählt wird. Eine in der Vergangenheit in Form von Tagebuchaufzeichnungen und die andere in der Gegenwart, mitten in diversen Mordfällen.


    Die ersten zwei Drittel dieses Buches waren für mich sehr mühsam, weil sehr oft durch lange Tagebuchaufzeichnungen - die ersten aus Kriegsjahren - abgeschweift wurde und ich schon fast den Faden verloren hatte. Im letzten Drittel kam dann, indem die Vergangenheit in die Gegenwart mündete und sich alles aufklärte, doch noch Spannung auf.

    Liebe Grüße
    Helga :wave


    :lesend???

    Lesen ist ernten, was andere gesät haben

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Helga ()

  • Endlich mal wieder ein guter Thriller!
    Viel zu lange hat das Buch bei mir gesubt. Hätte ich es mir doch nur früher gegriffen.
    Es ist spannend, wenn auch nicht nervenzerfetzend, aber subtil und neugierig machend. Es ist gut aufgebaut, gut geschrieben, fesselnd, erschreckend und überraschend.
    Man erlebt, wie die Welt des Protagonisten langsam zerfällt und er versteht nicht, wieso. Zum Ende lösen sich alle Rätsel auf, alles ist anders als man dachte, und viel schlimmer ist es auch noch.


    Ich bin wirklich hart im nehmen bei Thrillern. Manchmal wundere ich mich, wenn wieder über einen Krimi, den ich auch kenne, gesagt wird, er wäre nichts für schwache Nerven und ich mal wieder überlege, was denn das ganz schlimme in dem Buch gewesen sein soll.
    Aber bei diesem Buch hab ich schon gleich beim ersten Toten schlucken müssen. Irgendwie fand ich diese subtile Grausamkeit viel schlimmer, als alles, was ich bisher gelesen habe. Überhaupt finde ich die ganze Geschichte ziemlich erschreckend und furchtbar.


    Ein wenig gestört haben mich nur die vielen spanischen Worte. Speisen, Getränke, Gebäude werden, warum auch immer, im spanischen Original belassen. Und in Sevilla kann ich jetzt wahrscheinlich ohne Stadtplan spazierengehen.
    Aber das sind nur Marginalien. Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen!

  • In der heutigen Zeit fällt es sicher nicht leicht den Überblick in der Krimiszene zu behalten.
    Da ist es eine Wohltat unter all den Romanen ein Buch wie dieses zu finden.
    Denn Wilson schafft es mit seinem Roman "Der Blinde von Sevilla"
    aus zwei Zeitsträngen kunstvoll eine Geschichte zu verweben, die den Leser fesselt.
    Dabei geht es weniger um die eigentliche Kriminalgeschichte als um Gesellschaftskritik und Vergangenheitsbewältigung des
    Kriminalpolizisten Falcon, die letztlich zur Lösung des Falles führen. Die eigentliche Meisterleistung liegt aber darin, dass der Autor genau beobachtet und intelligent erzählt.
    Anfangs hatte ich meine Zweifel, ob der Autor an seinem hohen Anspruch,
    eine Fülle von Themen zu bearbeiten, nicht scheitern würde. Wilson scheint nichts fremd zu sein, kein heißes Eisen ( sexueller Missbrauch, Tanger als Freihandelszone, zweiter Weltkrieg, Malerei....), das nicht angefasst und solide recherchiert wurde.


    Mein Fazit:
    Autor mit Suchtfaktor und auf den zweiten Falcon-Roman, der in TB-Form im Juli erscheint freue ich mich schon.