Es sind die Wolken, die die Sterne bewegen - Torun Lian (ab ca. 11 J.)

  • OT: Bare skyer beveger stjernene 1998



    Das einzige, was die elfjährige Maria fühlt, ist Traurigkeit. Sie ist so erfüllt davon, daß nahezu jeden Kontakt zu ihrer Umwelt abbricht. Grund für die Traurigkeit ist der Krebstod ihres kleinen Bruders Per Kristian, den alle Pilten genannt haben. Seit Piltens Tod ist alles anders für Maria. Die Welt ist nicht mehr schön, weil sie nicht mehr sicher ist, Maria weiß auf einmal nicht mehr, wie sie sich verhalten soll in einer Welt, in der kleine Kinder sterben. Schlimmer noch trifft es sie, daß die Eltern verstummt sind. Vor allem ihre Mutter hat sich völlig zurückgezogen.


    Während eines kurzen Aufenthalts in den Sommerferien bei den Großeltern in Bergen, lernt Maria den gleichaltrigen Jakob kennen. Das will sie eigentlich gar nicht, aber Jakob drängt sich einfach in ihr Leben. Maria fängt an, Jakob von Pilten zu erzählen, allerdings so, als ob ihr Bruder noch am Leben wäre. Als Jakob hinter die Lügen kommt, fürchtet Maria, daß das das Ende ihrer Freundschaft ist, aber es kommt ganz anders.
    Daß sie sich am Ende der Ferien trennen müssen, ist nicht leicht für Maria. Wieder zieht sie sich völlig zurück, ihre alten Freundinnen weist sie ab. Die Trauer ihrer Mutter hat sich inzwischen zu einer Depression gesteigert und sie dazu gebracht, sich ins Haus der Großmutter außerhalb Oslos zurückzuziehen. Der Vater versucht, ein normales Familienleben aufrechtzuerhalten, spricht aber kaum mit Maria.


    Durch einen glücklichen Zufall taucht Jakob in Oslo auf. Und Jakob, der soviel über das leben und die Sterne zu erzählen weiß, findet auch die Lösung für die unglückliche Familie von Maria. Es ist am Ende aber Maria selbst, die die Lösung in die Tat umsetzt.


    Dieses Kinderbuch erzählt spannend, gefühlvoll und sprachlich überaus ansprechend vom Traurigsein. Im Mittelpunkt steht eine bestimmte Reaktion auf den Tod eines Geschwisterkinds, der innere Rückzug, das sich Abschließen von der Welt. Auch die Erwachsenen reagieren so auf den Tod eines Kinds, hier wird sozusagen ein Muster durchexerziert.
    Ob das bei der Bewältigung eines realen Trauerfalls hilfreich ist, läßt sich schwer abschätzen, was das Buch bietet, ist zunächst einmal eine Geschichte für Kinder, die es gern gefühlsbetont haben. Auf der emotional-romantischen Ebene wird hier aus dem Vollen geschöpft. Die angenehm moderne Sprache und die sorgfältigen Formulierungen verhindern dabei ein Abrutschen ins Kitschige. Von daher gesehen, ist das Buch durchaus zu empfehlen.


    Zu beachten ist allerdings, daß es inhaltlich der christlichen Tendenzliteratur zuzuordnen ist. Der gesamte Hintergrund Marias ist christlich geprägt. Sie macht sich Gedanken über das Paradies. Sie hadert mit Gott, sie versucht ihn zu ärgern, indem sie nicht mehr betet und fordert ihn dann in ihrem Zorn sogar heraus, indem sie verkündet, daß es ihn gar nicht gäbe.
    Die Erwachsenen schweigen eher darauf, wenn sie es überhaupt zu hören bekommen. Aber der Himmel (in Gestalt der Autorin) schweigt nicht. So gibt es z.B. eine kleine Szene während der Beerdigung, die durchaus als Eingreifen aus dem Jenseits gedeutet werden kann.


    Jakobs Rolle ist unschwer als die Rolle des rettenden Engels zu erkennen. Der Junge ist ein überzeugend lustiges und lebhaftes Kind, zugleich aber voll tiefer und nicht ganz altersgemäßer Weisheit. Er rückt denn auch Gott für Maria wieder zurecht.
    Das Handeln liegt aber bei Maria, sie wird dann auch zur ‚Heilsgestalt’ in der eigenen Familie. Der Schluß ist so glatt, daß er selbst im Gefühlsüberschwang, der beim Lesen unweigerlich entsteht, ein Stirnrunzeln auslöst.


    Die Vorstellung von 'Gott', die in diesem Buch herrscht, ist allerdings die einer sehr liberalisierten und verwaschenen Gestalt. Irgendwie ist er da. Er ist eindeutig ‚christlich’, aber seine eigentlich Funktion bleibt im Nebelhaften. Handeln müssen die Menschen selbst, dann wird auch alles gut.
    Daher werden mit dem Buch vor allem Erwachsene glücklich, die, sei es aus Gewohnheit, sei es aus Bequemlichkeit, an einem wachsweichen Gottesbegriff festhalten, weil sie sich im Grund vor den Konsequenzen einer Entscheidung, gleich ob pro oder für contra, fürchten. Hier herrscht de facto weniger Gott, als der weißlackierte Zeitgeist.
    Die Selbstverständlichkeit, mit der im Buch die Existenz angeblich allgemein herrschender christlicher Vorstellungen suggeriert werden, ist allerdings deutlich diskussionsbedürftig. Das sollte man vor der Weitergabe des Buchs gerade an Kinder beachten.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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