'Die eiserne Welt' - Seiten 209 - 309

  • Halbzeit in diesem Abschnitt. Ich muss hier was fragen. Anschar erfährt, dass das Volk von Temenon in die Wüste abwandert. So weit so gut. Aber warum sieht er sich selber als halb zum Wüstenvolk zugehörig? Seine Mutter ist doch nicht mit abgewandert und damit doch ganz klar Temenonierin. Dieser Wutausbruch, der ja nun auch in einer gewalttätigen Handlung Grazias gegenüber mündet, entzieht sich meinem Verständnis. Sabine, ich glaube hier brauche ich Deine Hilfe, um durchzublicken :-)


    Anschar trägt in diesem Buch deutlich härtere Züge als im gläsernen Tor. Es erschreckt mich, wie er sich verändert.


    Ich finds übrigens klasse, dass Du hier nicht nur eine eigene Welt geschaffen, sondern diese auch mit eigenen Geschichten, Sagen und Legenden versehen hast. Die Geschichte über den Sand und das Meer auf Seite 222 fand ich besonders schön :-)

  • Er ist überfordert und kann nur mit dem reagieren, was er als Sklave sein Leben lang gelernt hat. So auch die Sicht auf die Wüstenmenschen - auch wenn Sarid sagt, es wäre ein neues Volk draus geworden, ist es ja trotzdem dasselbe, es hat lediglich einen neuen Lebensraum erobert. Dass sich nur ein Teil von Temenon abgespalten hat, kann man als vernünftiger, vorurteilsfreier Mensch so sehen. Aber das ist er ja nicht. Da denkt er zu arisch, ähm, argadisch. Da muss man nur mal an diverse Auswüchse von Völkerfeindschaft denken - die kleinsten Berührungspunkte, und zack, ist man Todfeind.


    Aber keine Sorge, er kommt von dem Trip schon noch runter. ;)

  • Ja, nach dem zweiten Abschnitt kann ich seine Denkweise zumindest in Ansätzen verstehen. Das Gespräch mit seiner Großmutter war in dieser Hinsicht auch sehr aufschlussreich. so lange er mit sich selber nicht im Reinen ist, kann er auch keine Völker vereinigen. Und sie sagt ihm ja auf den Kopf zu, dass er das er die Temenonier verachtet.


    Anschar ist hier in diesem Abschnitt wirklich ein Vollpfosten. Als er in der Szene mit Jania sagte, dass er Grazias nicht würdig sei, dachte ich, er bekommt die Kurve. Das hätte Grazia möglicherweise ja noch hingenommen. Aber das anschließende Herziehen über Sexualität, das hat dem ganzen echt die Krone aufgesetzt. Da hilft auch nicht drüber hinweg, dass er im Vollsuff war.
    Bin gespannt, wie er das wieder gerade biegt.


    Kann Grazia eigentlich auch zu einem früheren Zeitpunkt wieder durch das Tor zurück kommen? Ich frage mich gerade wie es wäre, wenn sie jetzt wieder zurück durch das Tor geht, aus welchen Gründen auch immer noch mal nach Berlin zurück kommt und dann zu einem Zeitpunkt ankommt, an dem ihre Mutter noch lebt. Was macht man in so einem Fall mit dem Wissen, dass man den Todeszeitpunkt einer Person kennt?


    Das die Mutter gestorben ist, war beim Lesen ein kleiner Schock, aber es hatte auf mich eine ähnlich distanzierte Wirkung wie auf Grazia.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Kann Grazia eigentlich auch zu einem früheren Zeitpunkt wieder durch das Tor zurück kommen?


    Nein. Aber das wissen sie so ganz genau natürlich nicht, sie können ja nur auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Grazia hatte darüber ja schonmal spekuliert, als sie Anschar tot glaubte.

  • Anschars Verhalten beschäftigt mich schon sehr und ich würde gerne von Euch, meinen Mitlesern, wissen, wie ihr das empfindet. Sind das ganz neue Seiten, die er hier zeigt - wandelt sich also seine Persönlichkeit - oder waren diese Facetten seiner Persönlichkeit schon immer da, haben sich nur vertieft und brechen nun unter dem Druck, unter dem er steht einfach hervor?

  • Anke, ich denke das ist auf den Druck zurück zuführen unter dem er steht.
    Der Marsch durch die Wüste, die Erlebnisse in der Schlucht.. den Tod so kurz vor Augen. Ich würde das jetzt nicht überbewerten. Ich denke auch nicht, dass das seine wahre Persönlichkeit ist.


    Grazias Handlung kann ich verstehen. Das sie zurück wollte in ihre eigene Welt, ist unter diesen Vorzeichen nicht verwunderlich.
    Das ihre Mutter tot ist, berührt mich nicht weiter. Zu wenig Platz hat sie bisher in der Handlung eingenommen. Des Vaters Tot hätte mich mehr getroffen.


    Ich hoffe ja darauf, dass Grazia mit Vater und Bruder durch das Tor zurück zu Anschar geht.

  • Ich war über Anschars Verhalten gegenüber den Temenoniern auch erstaunt. Immerhin soll er ja in freundschaftlicher Absicht kommen und er verhält sich gleich von Anfang an sehr dreist ihnen gegenüber. Ein Glück kann Grazia so gut schlichten.
    Sein Verhalten, als er erfährt, das er von den "Wüstenmenschen" abstammt kann ich schon ein bisschen nachvollziehen.Immerhin wurde sein Hass gegen sie ja schon von klein auf an geschürt.
    Aber nicht das Nachfolgende. Das er Grazia so behandelt und sie auch mit Jenia betrügt und das über den Sex sagt. Das ja wohl der Hammer! :schlaeger
    An Grazias Stelle wäre ich auch erst mal weg gelaufen, hätte ihn dann aber wohl eher zur Rede gestellt und verprügeln wollen :grin
    Sie rennt nun in den Wald, hat ne nette Begegnung mit dem Schamindar und kann sich auch noch das Tor herbei wünschen.
    (Das der Schamindar ihr nichts tut wegen der Verbundenheit mit dem Wassergott hab ich mir gedacht)
    Der Tot ihrer Mutter hat mich auch nicht wirklich berührt. Ich empfand sie eher als kühle Person.
    Mich stört an Grazia, das sie zwischendurch wie ne Berliner Hinterhofgöre redet. Eigentlich so gewählt und dann zwischendurch dieses extreme berlinern. Passt meiner Meinung nach nicht zu ihr.

  • Anschar führt sich ja auf wie der letzte Depp. Auch wenn er unter großem Druck steht, wie kann er sein geliebtes Feuerköpfchen so verletzen? Selbst wenn er nicht davon ausgeht, dass sie es erfährt. Er braucht eine Bestätigung seiner Männlichkeit - typisch.
    Dass Grazia hier davonläuft kann ich verstehen, auch wenn sie eigentlich ihn zum Teufel jagen sollte.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Die Begegnung mit dem Schamindar fand ich sehr schön! Wenigstens einer, der sie einfach in Ruhe lässt!


    Interessant ist, dass Grazia wohl doch das Tor rufen kann!! Kann sie dann vll auch steuern, wo sie in Anschars Welt landet?


    Ja, typisch Mann! Im Vollsuff fremdgehen, sehr typisch! Wie er das wohl wieder hinbiegt? Ich will nicht, dass sie ihm einfach so verzeiht -.-
    Was mich irgendwie nervt ist, dass es sich selbst als ihrer nicht würdig ansieht, er ein stolzer Krieger der Zehn! Wen soll sie denn sonst haben wollen?
    Egal ob halb Wüstenmensch, oder nicht!


    Dass er die Wüstenmenschen verachtet, auch wenn er nun weiß, dass er selbst zur Hälfte einer ist, ist logisch. So ist er aufgewachsen, die Temenonier werden nur als Sklaven und nicht als Menschen gesehen. Ich denke kaum, dass er dieses Weltbild auf einmal über den Haufen schmeißen kann, auch wenn es das ist, was nötig ist um mit Temenon Frieden zu schließen. Nur hätten dann die Agadier auf einmal keine Sklaven mehr, gibt vll Probleme! Naja, das ist das, was ich noch nie an Argad mochte! Diese Verachtung der WüstenMENSCHEN! Aber sonst wäre das Buch ja viel langweiliger, nicht wahr!
    Ich bin gespannt, ob Anschar das alles irgendwann erkennt... :gruebel


    Ich bin gespannt, wie Anschar in Grazia Welt gelangt, also ob das Tor auch einfach da ist!


    Ich geh dann mal schnell weiter :lesend

  • Also, Anschar hätte ich ja mit Begeisterung verkloppen können in diesem Teil! :fetch Ich meine, das ist genau das Verhalten, was einen nervt und an emotionaler Entwicklungsfähigkeit zweifeln lässt. Wenn man ein Problem hat, einfach mal alles schön zerdeppern! :bonk
    Ich war auch ziemlich entsetzt über die Ausmaße seines Benehmens - erstmal, dass er sich die Dienerin vorknöpft, seine abwertenden Reden gegenüber sich selbst und dann auch noch die Lästerei über Sexualität (obwohl das wohl tatsächlich unvermeidlich wäre, wenn Grazia auf Dauer ihre Einstellung dazu nicht überdenkt).
    Aber gerade in dieser Situation ... ich hätte Anschar bis zum Hals in Sand eingraben können!!! :hau


    Ob Grazia sich nach ihrer Rückkehr nach Berlin in die strenge Sittsamkeit einfügen kann - darauf bin ich gespannt ... entwickelt hat sie sich ja doch schon in eine etwas offenere Richtung. Immerhin stellt sie immer wieder fest, wie angenehm es ist, nicht durch ein Korsett behindert zu werden, oder wenn beim Tanzen die Brüste hüpfen. :lache


    Ach ja, die nochmalige Erwähnung, dass sie ja nicht schwanger werden kann, solange sie nicht mit Anschar verheiratet ist, hat mich aufhorchen lassen ... ob da wohl was unterwegs ist, was weitere Turbelenzen verursachen könnte? :uebel

    Meine neuen Histo-Romane Der Gesang des Satyrn sowie Hatschepsut. Die schwarze Löwin gibt es bei Amazon oder Beam-Ebooks - außerdem meinen Mystery Thriller Fonthill Abbey

  • Endlich angekommen ... und alles ist anders, als Anschar es sich vorgestellt hat.


    Schon bescheuert, wie er sich aufführt als er erfährt, dass er selbst von dem von ihm so verachteten "Wüstenvolk" abstammt. Irgendwie typisch Mann, eine Frau würde so eine Entdeckung in der Regel sehr viel pragmatsicher hinnehmen - wie es bei Grazia auch der Fall ist :-). Als ob das jetzt so schlimm wäre, lächerlicher männlicher Stolz :fetch.


    Dass Grazia von dem Schamindar nicht angegriffen wird, wundert mich eigentlich nicht. Als quasi Adoptivtochter des Wassergottes, der in enger Beziehung zum Schamindar steht finde ich es durchaus logisch, wie sich diese Begegnung gestaltet.


    Zitat

    Original von BirgitF
    Ach ja, die nochmalige Erwähnung, dass sie ja nicht schwanger werden kann, solange sie nicht mit Anschar verheiratet ist, hat mich aufhorchen lassen ... ob da wohl was unterwegs ist, was weitere Turbelenzen verursachen könnte? uebel


    Das sehe ich auch so ;-)!

  • Zitat

    Original von BirgitF


    Aber gerade in dieser Situation ... ich hätte Anschar bis zum Hals in Sand eingraben können!!! :haul


    Aber mit dem Kopf zuerst


    Zitat

    Original von BirgitF
    Ach ja, die nochmalige Erwähnung, dass sie ja nicht schwanger werden kann, solange sie nicht mit Anschar verheiratet ist, hat mich aufhorchen lassen ... ob da wohl was unterwegs ist, was weitere Turbelenzen verursachen könnte? :uebel


    Ich denke ja immer noch, dass sie schwanger ist :dafuer

  • Da Anschar zur Hälfte ein Wüstenmensch ist, macht die Sache für ihn ja noch schlimmer. Der steht einfach unter Schock und hat sein Weltbild verloren.
    Und der Selbsthaß den er hat, ist so schlimm, dass er mir mit dem Fremdgehen schon fast leid tut! Denn eigenlich ist er ein sensibler Mensch und sein Verhalten ist eine Aggression gegen ihn selbst.
    Ich würde nicht wegrennen wie Grazia, oder doch?
    Vermutlich, sie ist ja selbt sehr verletzt!


    Zuerst war ich ja so doof und dachte, ach die Oma, alles wird gut, aber das Sarid nicht auf eine Versöhnung eingeht ist absolut richtig!


    Und Grazia hat ihr Hirn ja auch nicht eingeschaltet als sie aus lauter Zorn weggelaufen ist und vor dem Schamindar stand! :yikes
    Ich brauche auch eine zweite Begegnung mit diesem Tier, das fand ich sehr spannend wie es das Wasser aus ihrer Hand leckte.

  • Gestern konnte ich ja doch nicht umhin, noch schnell diesen Abschnitt zu lesen. Viel zu gespannt war ich auf Temenon und darauf, was dort so anders sein würde als erwartet (siehe Klappentext). Dabei hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, die Leute von Temenon würden sich vielleicht als nicht ganz so friedfertig herausstellen wie sie anfangs daherkommen. Stattdessen benimmt sich Anschar plötzlich wie der Elefant im Porzellanladen.


    Ehrlich gesagt konnte und kann ich sein Benehmen nicht recht nachvollziehen. Gut, er hat sein Lebtag gelernt, die Wüstenmenschen zu verachten. Aber mir steht halt der umgekehrte Schluss näher, den man aus der Abstammung von Temenon ziehen kann. Nämlich, dass die Wüstenmenschen nun einmal von Temenon abstammen und sogar von einer Königstochter, die den Argaden den Leichnam ihres gefallenen Königs zuführte. Als Anschar so ausrastete, hätte ich das Buch am liebsten in die Ecke gepfeffert. :schlaeger Ich begreife halt nur sehr schlecht bzw. eher überhaupt nicht, wie man ein Volk so sehr verachten kann, wo doch die angeblich so tollen Argaden (und Herscheden) Sklaven halten und ihm von Mallayur wohl wesentlich übler mitgespielt wurde als jemals von einem "Wüstenhund". Nach Madyur ist er nun schon der zweite, der vergisst, den Kopf einzuschalten. :rolleyes


    Mit dem Tod von Grazias Mutter habe ich übrigens gerechnet. Es hätte mich gewundert, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, denn für den Fortgang der Geschichte erscheint sie mir nicht wichtig. Grazia ist jetzt immer offener und freizügiger geworden. Es wäre zwar nett gewesen zu beobachten, wie sie sich an den Vorstellungen ihrer Mutter nach ihrer Heimkehr reibt, aber ich sehe das verbliebene Dreiergespann (der für jene Zeit unkonventionelle Vater, der abenteuerlustige Bruder und eben Grazia, wie sie jetzt ist) als logische Fortführung.


    Die erdachten Sagen und Legenden finde ich durchgehend sehr gelungen. Wie machst Du das bloß, Sabine? :-)


    Über eine Formulierung ganz am Anfang dieses Abschnitts bin ich übrigens bös' gestolpert: "Zu ihr wollte er, seiner Erleichterung freien Lauf lassen, indem er sie an sich riss, doch was er sah, lähmte ihn." (S. 214) Dabei dachte ich wohl an den Ausdruck "lähmendes Entsetzen" und erwartete einen schlimmen Schock für Anschar. Und dann kam da keiner. Er war nur überrascht über ihre Erscheinung. Den Absatz habe ich bestimmt 3x gelesen, nur wegen eines zu starken Wortes.


    Ich bin gespannt, wie es in Berlin bzw. mit dem Schamindar weitergeht, aber so wie es zur Stunde aussieht, muss ich die LR nun wirklich dringend für ein paar Tage unterbrechen.

  • Nee, mit Vernunft kommt man ihm da nicht bei. Das ist ja bei ihm eher noch schlimmer ausgeprägt als bei seinen Landsleuten. Vom Stand und von der Stellung (Sklave, höchster Krieger gleichzeitig) ist er ein Irrläufer ohne festen Platz. Im ersten Band klingt an, dass er die Möglichkeit, von einer Wüstenfrau abzustammen, ja im Hinterkopf hatte - und es verdrängt und sich das "Argade sein dürfen" mit aller Macht in den Kopf gehämmert hat.


    Zitat

    Original von Fandorina
    Die erdachten Sagen und Legenden finde ich durchgehend sehr gelungen. Wie machst Du das bloß, Sabine? :-)


    Keine Ahnung. Die Sache mit Sand und Meer hat mir aber ziemlich Kopfzerbrechen bereitet. Bzw. das Covermotiv. Ich versuch das ja einzuarbeiten, was beim ersten Band ja auch wunderbar einfach war, und dann kriege ich so ein schönes zweites Cover, aber mit zwei Drachen drauf, die sich stilistisch total vom anderen Motiv unterscheiden. Das war eine ganz schön harte Nuss.