Die Sehnsucht der Atome - Linus Reichlin

  • 359 Seiten
    Eichborn Verlag, 2008


    1. Fall von Inspektor Hannes Jensen


    Kurzbeschreibung
    Die mysteriöse Unerklärlichkeit des Seins


    Seit seiner Schulzeit steht es Inspektor Hannes Jensen als warnendes Beispiel vor Augen: das Heliumatom! Das Heliumatom, so hatte damals sein Physiklehrer erklärt, ist nicht getrieben von der Sehnsucht, sich zu binden, und geht mit keinem anderen Atom eine Symbiose ein. Es ist in sich vollkommen, aber auch vollkommen alleine!
    Nach Jensens Ansicht ist dieser Fall von Bindungsangst seinem eigenen Schicksal nicht ganz unähnlich. Und so müsste er eigentlich erfreut sein, dass eine bizarre Laune des Universums eine ausnehmend schöne Frau an seine Seite beamt. Die allerdings ist blind, ziemlich herrisch und scheint sich auch nicht sehr für ihn zu interessieren — umso mehr aber für den höchst rätselhaften Fall, der Jensen gerade beschäftigt: Ein amerikanischer Tourist hatte im Kommissariat um Hilfe gebeten, weil er sich bedroht fühlte. Am nächsten Tag fand man ihn tot auf der Straße. Seine Obduktion deutet auf einen Mord, der menschliche Fähigkeiten übersteigt. Was haben seine beiden elfjährigen Söhne damit zu tun, die ihren Vater gehasst haben und spurlos verschwunden sind? Oder deren mysteriöse Kinderfrau, der seherische Kräfte nachgesagt werden? Und nicht zuletzt: Wie soll der Hobby-Quantenphysiker Jensen das in Ruhe herausfinden, wenn ihm die schöne Blinde immer dazwischenfunkt?
    Die Spur führt Jensen nicht nur nach Arizona und Mexiko, sondern auch an die Grenzen der erklärbaren Welt.


    Über den Autor (Der offiziellen Homepage des Autors entnommen.)
    Linus Reichlin, geboren 1957, schrieb zunächst Kolumnen und Reportagen, für die er den "Ben Witter-Preis" der ZEIT erhielt. Heute arbeitet Reichlin, der in Berlin und Zürich lebt, als freier Schriftsteller.
    Sein erster Roman "Die Sehnsucht der Atome" stand monatelang auf der KrimiWelt-Bestenliste und wurde mit dem Deutschen Krimi Preis 2009 (1.Platz) ausgezeichnet, sowie für den Friedrich-Glauser-Preis als bester Debütroman nominiert.


    Meine Meinung
    Dieser Roman ist weniger Krimi als eine ganz nette Geschichte, die einen gut unterhalten kann, solange man nicht zu viel erwartet. Das Hauptaugenmerk liegt mehr auf der Darstellung der Personen (wobei die Hauptperson Jensen deutlicher dargestellt wird als die Nebenfiguren) als in der Krimihandlung.
    Zwar geschieht ein Mord, den der Kommissar Jensen aufklären soll, aber wir begleiten die Figuren nach Amerika, wo sich gut die Hälfte der Geschichte spielt und sich einiges entwickelt.
    Immer wieder sind die Gedanken Jensens eingeschoben, der sich privat viel mit Physik, speziell der Quantenmechanik beschäftigt und darüber regelrecht philosophiert.


    Am Ende bleibt leider einiges unerklärliches wirklich unerklärlich, als hätte der Autor selbst keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte oder keine Erklärung.
    Sowohl der Titel als auch das Cover passen zum Roman, allerdings hat er mich nicht ganz überzeugt. Allerdings bereue ich die Lektüre nicht und werde den Autor weiter beobachten.


    Wer keinen klassischen Krimi erwartet, bei dem es um die Aufklärung eines Mordes geht, sich etwas für Physik interessiert und sich auch von der etwas umständlichen Sprache nicht abschrecken lässt könnte an diesem Buch gefallen finden.

  • Im September 2009 ist der zweite Teil der Serie erschienen, wieder ermittelt Kommissar Jensen.


    Es gibt kein Schicksal.
    Aber du kannst ihm nicht entrinnen. In seinem zweiten Buch sprengt der Krimipreisträger 2009 erneut die Genre-Grenzen! Hannes Jensen, ehemaliger Inspecteur der Polizei von Brügge, hat einen fatalen Fehler gemacht: Während eines Seminars in Island schläft er mit einer Frau, die er kaum kennt. Als er nach Brügge zurückkehrt, zu Annick, die er liebt, trägt er am Hals noch die Spuren jener Nacht in Island: Die Frau hat ihn gebissen, und dieser Liebesbiss entzündet sich. Jensen versucht, ihn mit einem Kaschmirschal zu verdecken. Annick den Fehltritt zu gestehen, hält er für schädlich: Es würde nur ihre Beziehung gefährden, die ohnehin auf wackligen Füßen steht. Außerdem hat Annick im Augenblick andere Probleme, in die sie Jensen nach seiner Rückkehr einweiht: Ihrer besten Freundin geht es nicht gut. Ein Féticheur, ein afrikanischer Wahrsager, hat ihr prophezeit, dass ihre einzige Tochter von einem Mann getötet werden wird, der ein Mal am Hals trägt. Jensen, als leidenschaftlicher Hobby-Physiker, glaubt nicht ans Schicksal. Seiner Meinung nach ist das Leben eine Abfolge von Zufällen, nichts ist vorbestimmt. Aber die Ereignisse der nächsten Tage lassen ihn an seinem Weltbild zweifeln. Es scheint, als bekomme der Féticheur mit seiner Prophezeiung recht. Je mehr sich Jensen gegen die schicksalhaften Verstrickungen wehrt, in die er gerät, desto weniger kann er ihnen entfliehen.
    Ein Roman über Schicksal und Zufall, über Liebe und Betrug spannend bis zum Schluss.

  • Zitat

    Original von Wiggli
    Wer keinen klassischen Krimi erwartet, bei dem es um die Aufklärung eines Mordes geht, sich etwas für Physik interessiert und sich auch von der etwas umständlichen Sprache nicht abschrecken lässt könnte an diesem Buch gefallen finden.


    Im Prinzip trifft das auf mich zu. Ich habe mir das Buch aus der Bibliothek besorgt und 20 Seiten angelesen. Gefällt mir ganz gut bisher - vom Stil zumindest. Ich bin mal gespannt...

  • Hannes Jensen ist 50 Jahre alt und Inspektor in Brügge. Seine große Leidenschaft ist jedoch die Physik, was immer wieder in das Buch einfließt, wenn er ins Schwärmen oder Erklären kommt. Ich hatte Bedenken, ob ich das verstehe, aber der Autor hat das so anschaulich beschrieben, dass auch ich Physiklaie alles verstanden habe. Da geht es z.B. um die Sehnsucht der Atome nach Vollständigkeit. Besonders schön fand ich Jensens Gedanken zum Heliumatom: „Seit Bollingers Vortrag stand dieses Atom Jensen als warnendes Beispiel vor Augen, für die Unlust, sich zu binden. Das Heliumatom besaß in seiner einzigen, inneren Schale zwei Elektronen, und es fühlte sich damit vollendet und ging auf der Erde mit keinem anderen Atom je eine Symbiose ein. Es wechselwirkte mit nichts, es war vollkommen, aber auch vollkommen allein.“


    Fünf Tage vor Jensen Frühpensionierung erscheint ein Amerikaner auf dem Polizeirevier und behauptet, dass sein Leben bedroht wird. Jensen begleitet ihn daraufhin in sein Hotel, wo er voller Ensetzen die eingeschüchterten und verängstigten Kinder des Amerikaners vorfindet. Diese Situation ruft schlimme Kindheitserinnerungen in Jensen wach, doch er kann nichts für die Kinder tun. Auch eine Bedrohung für den Amerikaner kann er nicht feststellen und er geht schweren Herzens wieder.


    Doch am nächsten Tag ist der Amerikaner tot und die Kinder sind verschwunden. Das wirft natürlich kein gutes Licht auf Jensen, den dieser Fall einfach nicht loslässt und so macht er sich auf nach Amerika, um der Spur der Kinder zu folgen und das Rätsel um den Tod des Vaters zu lösen.


    Begleitet wird er von der blinden Witwe Annick, die er eigentlich gar nicht dabei haben will, deren sturen und kompromisslosen Art er sich jedoch nicht verweigern kann. Die beiden geben ein merkwürdiges Gespann ab, denn ihr Verhältnis zueinander ist angespannt und gereizt.


    Ihre Reise bis ins Hochland von Mexiko kam mir mehr wie ein Roadmovie mit surrealen Momenten vor, als wie ein Krimi. Unterwegs begegnen sie merkwürdigen Personen, deren menschliche Schwächen und körperliche Mängel gnadenlos und stellenweise fast schon abstoßend dargestellt werden. Dann wieder erfahren sie Unterstützung und Nächstenliebe, wo sie es nicht erwartet hätten.


    In diesem Buch geht es nicht nur um einen Mord, sondern auch um Trauer, Schuld, Einsamkeit , die Macht von Gebeten und die Kraft des Glaubens, was ich besonders faszinierend fand.


    Die ruhig erzählte Geschichte zog mich in ihren Bann und der Schreibstil des Autors hat mir gut gefallen. Auch wenn das Buch sich anders entwickelte als ich erwartet hatte, hat es mir gut gefallen, vielleicht gerade weil es so aus dem Rahmen fällt.


    Der Tod des Amerikaners wird nicht explizit aufgeklärt, aber aufgrund einiger Aussagen, habe ich meine ganz eigene Theorie entwickelt, mit der ich gut leben kann.


    Fazit: Ein ungewöhnlicher Krimi, der sicher nicht jedermanns Geschmack ist, mir aber gut gefallen hat.