Es war einmal eine Familie - Lizzie Doron

  • Deutsche Ausgabe erschienen 2009
    Verlag: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag
    143 Seiten


    Über die Autorin:


    Lizzie Doron, geboren 1953, lebt in Tel Aviv. "Es gibt nur sehr wenige Bücher, die von der zweiten Generation geschrieben wurden, den Söhnen und Töchtern der Shoah-Überlebenden. Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen? ist das beste von allen", rühmte die israelische Tageszeitung Ma'ariv ihr erstes Buch. Ihr Roman Ruhige Zeiten wurde mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman-Preis ausgezeichnet, ihr Gesamtwerk mit dem Jeanette -Schocken-Preis 2007.


    Kurzbeschreibung


    Nach dem Tochter ihrer Mutter Helena ist Elisabeth nach vielen Jahren wieder in dem Tel Aviver Viertel, in dem sie aufgewachsen ist. Hier versuchten Überlebende der Shoah nach dem Krieg für sich und ihre Kinder von neuem ein Leben zu begründen. Die sieben Trauertrage bringen Elisabeth noch einmal die Welt und die Menschen ihrer Kindheit zurück. "Nur sieben Tage lang war es noch einmal da, das unbekannte Land. Das Land, das mir Heimat und Familie war. Und das ist seine Geschichte."


    Meine Meinung


    In der Zeit der Trauertage, der Schiwa, kommen die heutigen und früheren Nachbarn zu Besuch um Helena die letzte Ehre zu erweisen. Durch den Besuch der Trauergäste sowie das Sortieren des Hausstands erinnert sich Elisabeth an ihre Kindheit in den 50er und 60er Jahren. In den Nächten, in denen man die Angstschreie der Überlebenden der Shoah hörte oder ihre Mutter alle Mülltonnen umwarf, damit die Katzen auch etwas zu essen bekommen, denn niemand sollte hungern.
    Solche Begebenheiten sowie viele andere, die in diesem Buch genannt werden berührten mich sehr. Die zweite Generation, wie sie genannt wird, ist mit der Sprachlosigkeit, der Ängste der Eltern konfrontiert und leidet darunter. Es geht aber auch um die Kämpfe auf den Golanhöhen, bei denen viele Kinder der Shoah-Überlebenden ums Leben kommen und diese wieder großes Leid ertragen müssen.


    Mir fehlen einfach die Worte, um all meine Empfindungen und Gedanken, die dieses Buch in mir hervorgerufen hat, zu beschreiben.


    Ich möchte hier Helena, Elisabeths Mutter kurz zitieren:
    "Die Deutschen haben wir hier besiegt, nicht mit Kanonen, nicht mit Panzern und nicht mit Flugzeugen. Wir haben sie besiegt, indem wir Familien gegründet und Kinder auf die Welt gebracht haben. Und jetzt, da man uns unsere Kinder tötet, verlieren wir auch den Krieg von damals."


    Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen!


    Edit: Rechtschreibfehler

  • Zitat

    Original von vorleser


    Mir fehlen einfach die Worte, um all meine Empfindungen und Gedanken, die dieses Buch in mir hervorgerufen hat, zu beschreiben.


    Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen!


    Genauso ging es mir mit den beiden ersten Büchern die ich von ihr gelesen habe; ganz genau so....


    Vielen Dank, vorleser für deine Rezension - dieses Buch steht nicht auf der Wunschliste, sondern direkt auf der "Kaufen-Liste"

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Habe es nun ach sofort in einem Rutsch gelesen, wie ja auch schon: "Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?" Ich dachte schon dieses Buch ist toll, aber "Es war einmal eine Familie" hat meine Erwartung NOCHMAL übertroffen.


    So natürlich, so direkt, ich kann es nur jedem empfehlen.


    Ausserdem war ich einfach bei beiden Bücher bisher überrascht, dass sie Pflichtlektüre in den Schulen in Israel sind.
    Folgt man nur den Reportagen im TV, oder dem Stern, so hat man den Eindruck, dass die Religion doch auch sehr im öffentlichen Leben steht, bzw. die Religion überall ihre Regeln verbreitet hat. Es ist einfach überraschend, wie laizistisch Israel doch ist. Nicht nur Tel Aviv!



    Unbedingt lesen. Ich fand es sehr praktisch, dass ich "Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?" davor gelesen hatte, denn dann hatte man erst das Leben der Mutter und nun eben den Abschied, den Tod.



    Heute Abend kommt übrigens "The Bubble" auf SF2 (ja, die Nähe zur Schweiz ist sehr angenehm, denn die neuen Greys Anatomie Folgen starten heute auch!) - noch nicht gesehen, soll aber sehr gut sein, wenn man an dieser Problematik (ich meine den Israel-Palästina Konflikt) interessiert ist.

  • Zur Autorin


    Als Lizzie Dorons Tochter ihre Mutter eines Tages fragte, woher sie komme, nahm die israelische Schriftstellerin diese Frage zum Anlass, Bücher über ihre Heimat und die darin lebenden Menschen zu schreiben. Sie wuchs in einem Stadtteil von Tel Aviv auf und eben jenes Viertel ist der Schauplatz ihrer Romane.


    Ihr erstes Buch „Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?“ ist eine Sammlung von Erinnerungen an Lizzies Mutter Helena. Sie überlebte die Shoa und wanderte nach dem Krieg nach Israel aus, wo sie ihre Tochter alleine großzog. Helena ist eine äußerst starke Frau, aber auch traumatisiert und geprägt von der Judenverfolgung, was für Lizzie als Tochter nicht immer leicht war. Erst viel später konnte sie Verständnis für das eigensinnige Verhalten ihrer Mutter aufbringen und schrieb in Form des Buches eine Hommage an sie.


    Zum Inhalt


    In dem vorliegenden Roman „Es war einmal eine Familie“ kehrt Lizzie nach Helenas Tod in ihr Heimatviertel zurück, um die Schiwa, die jüdische Trauerwoche, abzuhalten. Dabei begegnet sie verschiedenen Menschen aus ihrer Vergangenheit, die zahlreiche Erinnerungen in ihr wach rufen. So trifft sie z.B. Malkale, die damals den jungen Zvika heiraten wollte. Jahrelang haben die beiden Verliebten mit ihrer Vermählung gewartet und als der Termin endlich feststeht, stirbt Zvika nur wenige Tage vor der Hochzeit im Jom-Kippur-Krieg.
    Des Weiteren begegnet Lizzie Chajale, die in der Schulzeit sehr unbeliebt und schweigsam war, nun aber endlich über ihre Eltern redet: Das Ehepaar war durch die Shoa vollkommen traumatisiert, wodurch ein normales Familienleben undenkbar wurde.
    Zahlreiche Schicksale kommen in dem Buch zur Sprache und letztlich wird Lizzie klar, dass dieses Viertel mit all den jungen und alten Menschen darin einmal ihre Familie war…


    Zum Buch


    Genau wie bei den vorherigen Werken bin ich auch dieses Mal begeistert!
    Die Autorin schafft es trotz ihrer klaren Sprache eine sehr besondere Atmosphäre zu erzeugen. Es kostet keinerlei Anstrengung die Worte zu lesen und doch steckt soviel Gefühl darin, dass man von jeder Erinnerung im Herzen berührt wird.
    Man fühlt die Trauer der Überlebenden um ihre Angehörigen und spürt die Verzweiflung hinter ihrer scheinbaren Verrücktheit. Zugleich muss man über Helenas resolute Art und ihre Eigenwilligkeit schmunzeln, auch wenn man merkt, wie schrecklich das manchmal für ihre Tochter war. Und die kleinen Geschichten über Lizzies damalige Freunde und die schönen Momente, die sie miteinander erlebten, vermögen einen zu wärmen.


    Mit diesem Buch ist es so, als würde Lizzie ein Stück Geschichte fernab der Geschichtsbücher erzählen. Sie entführt den Leser in ein fremdes Land, bringt ihm wie nebenbei dessen Kultur näher und beschreibt wie es ist, zur „zweiten Generation“ zu gehören.
    Die Menschen des Viertels wachsen einem ans Herz und trotz der ernsten Thematik und unsagbaren Trauer muss man bei vielen Erinnerungen einfach lächeln.


    „Es war einmal eine Familie“ ist ein Kleinod der Literatur, das ich uneingeschränkt jedem begeisterten Leser empfehle. Mehr davon!

  • Es war einmal eine Familie - Lizzie Doron


    Mein Eindruck:
    Lizzie Dorons im Original 2002 erschienener Roman „Es war einmal eine Familie“ halte ich für außerordentlich gut gelungen, da die Autorin ein wichtiges Thema angemessen umsetzt. Es geht um das Schweigen der Überlebenden in Israel gegenüber der zweiten Generation. Lizzie Dorons Protagonistin kämpft gegen dieses Schweigen an, aber erst nachdem ihre Mutter, eine Überlebende der Shoah, gestorben ist und sie die 7 Trauertage Shiwa in Tel Aviv verbringt. Dabei trifft sie auf alte Freundinnen ihrer Mutter, die ihr Geschichten der Vergangenheit erzählen. Sie kramt auch in Erinnerungen aus den Zeiten ihrer Kindheit und ihren Erlebnissen mit der unter. Obwohl der kurz ist, entstehen so viele kleine Geschichten. Nach und nach entsteht so ein gutes Bild der Mutter und auch anderer wichtiger Figuren. Lizzie Doron kann wirklich erzählen, daher gibt es viele berührende Passagen. Und sie schafft sympathische Figuren, Frauen die gegen den Tod ankämpfen. Und das ist in Israel ein allgegenwärtiger Kampf.


    Man kann nach diesem Buch ganz gut verstehen, warum die Überlebenden über die schrecklichen Erlebnisse geschwiegen haben, warum sie diese und die vielen Toten aber auch nie vergessen haben. Daran lag das Dilemma der nächsten Generation. Es wird auch klar, warum es so wichtig ist, noch immer über dieses Thema zu schreiben.