Schreibwettbewerb Juni 2009 - Thema: "Tierisch"

  • Thema Juni 2009:


    "Tierisch"


    Vom 01. bis 20. Juni 2009 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juni 2009 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von Voltaire



    Es war Sonnabend am frühen Abend. Der liebe Gott saß vor seinem Hochleistungsrechner und rieb sich die müden Augen. Die Woche war lang und anstrengend gewesen und es wurde Zeit für eine Ruhepause. Vielleicht sollte er am morgigen Tag einfach mal ausruhen. Eigentlich doch ein gutes Verhältnis: sechs Tage Arbeit, einen Tag Ruhe. Das konnte man durchaus so stehen lassen. Der liebe Gott drückte die Speichertaste


    Aber heute gab es noch einiges zu erledigen.


    Der liebe Gott schaute auf seinen Terminplan. Es lag noch eine Menge Arbeit vor ihm. Als nächstes galt es den Vögeln ihre Stimmen zu geben. Wie gut das er auf seinem Rechner ein entsprechendes Programm installiert hatte – das alles von Hand zu machen wäre dann doch zu beschwerlich gewesen. Er brauchte nur den Button mit dem jeweiligen Vogelbild anzuklicken und dann die Nummer auf der Stimmentabelle eintragen – und schon konnte der Vogel in den großen Chor der Tierstimmen einfallen.


    Wie gut das ich erst diesen Hochleistungsrechner geschaffen habe und nicht Himmel und Erde, dachte der liebe Gott und klopfte sich symbolisch auf die Schuler; es war ja niemand da der ihn schulterklopfend loben konnte. Er musste halt alles selbst machen.


    Nur noch wenige Vögel warteten auf ihre Stimme. Der Computer spulte sein Programm ohne Störungen ab. Der liebe Gott legte sich ein wenig zurück um einen kurzen Augenblick durchzuschnaufen. Das hatte er sich wirklich verdient. Ein Piepton zeigte ihm an, dass das Programm beendet war. Das wäre geschafft.


    Aber was war das? Etwas irritiert schaute der liebe Gott auf einen traurig dreinblickenden schwarzen Vogel der einsam und verlassen auf seinem Platz verharrte. Es war eine Krähe.


    „Hast du keine Stimme abbekommen?“ fragte der liebe Gott die Krähe.


    Traurig nickte die Krähe.


    „Schauen wir mal was man da machen kann. Ein Moment bitte.“


    Der liebe Gott klickte mal hier und mal da und schien dann etwas gefunden zu haben.


    „Das wäre vielleicht etwas. „Piepmatz-Kakophonie“. Wollen wir es mal damit versuchen ?“ Die Krähe nickte, immerhin besser als gar nichts.


    Zwei Mausklicks weiter und nun hatte auch die Krähe eine Stimme. Aber welch ein schlimmes Gekrächze kam aus ihrem Schnabel.


    „Schön ist es gerade nicht“, meinte die Krähe, „und mit singen wird es wohl auch nichts.“ Niedergeschlagen wendete sie sich ab.


    Der liebe Gott hatte Mitleid mit dem Vogel.


    „Komm her, ich verrat dir ein kleines Geheimnis. Rutsch mal ein bisschen näher, muss ja nicht gleich jeder mithören.“


    Die Krähe bewegte sich langsam auf ihren obersten Chef zu.


    „Deine Stimme ist wirklich nicht schön, du hast Recht. Aber etwas Besseres habe ich leider nicht. Aber ich verspreche dir, dass du mit dieser Stimme in der Zukunft einen Wettbewerb gewinnen wirst, den die Menschen DSDS nennen werden.“


    Der liebe Gott lächelte.


    „Apropos Menschen – ich wusste doch, dass ich heute noch einiges erschaffen muss. Dabei bin ich hundemüde.“


    Und so merkte man den Menschen an, dass der liebe Gott bei ihrer Erschaffung übermüdet gewesen war; sein Versprechen aber, welches er der Krähe gegeben hatte, löst er jährlich ein.

  • von Loewin



    Außenseiterin Großer Fuß gewinnt 184. Mondbucht-Derby


    SILBERTAL Vor ausverkauften Rängen fand gestern das traditionsreiche Hindernisrennen in der Mondbucht statt. 480.000 Wolfer fieberten mit, als Außenseiterin „Großer Fuß“ nach nur 24 Minuten und 58 Sekunden als Erste die Ziellinie überquerte. „Großer Fuß ist sehr ehrgeizig und temperamentvoll. Wir haben hart trainiert und ich hatte es im Gefühl, dass wir es dieses Jahr schaffen könnten“, freut sich der stolze Besitzer und Trainer Poldus Grao. Die junge Menschin war dieses Jahr zum 2. Mal am Start des seit 2639 durchgeführten Rennens. Sie war in einigen kleineren Wettkämpfen der letzten Saison unter den Top-Ten zu finden, der ganz große Coup war ihr jedoch bis gestern noch nicht gelungen. „Ich habe 10 Lupos auf Großer Fuß gesetzt“, sagt ein aufgeregter Zuschauer, „Und jetzt habe ich 430 Lupos gewonnen!“


    Vor dem Stadion hatten sich 30.000 Anhänger von Menschenschutzverbänden versammelt um gegen die Durchführung von Hindernisrennen zu demonstrieren. „Allein in den letzten vier Jahren sind 112 Menschen bei den Hindernisrennen schwer verletzt worden. Zwei sind sogar gestorben,“ klagt ein Sprecher der Organisation Ein Herz für Menschen. „Schauen Sie sich doch mal die viel zu langen und dünnen Beine der Rennmenschen an. Sie werden so gezüchtet um schneller zu sein, aber durch die Instabilität der Knochen kommt es auch schneller mal zu Brüchen.“ Er spielt dabei auf eine Tragödie bei dem Rennen letztes Jahr an, als „Black Royal“, der Favorit und Sieger des 183. Derbys hinter der Ziellinie mit komplizierten Schienbeinbrüchen zusammenbrach und noch auf dem Feld eingeschläfert werden musste.


    Roald Harr, der Ausrichter des Mondbucht-Derbys, sagt dazu: „Nach dem Vorfall im letzten Jahr arbeiten wir an einer Richtlinie, die einen Mindestdurchmesser der Schienbeine vorschreibt. Die Sicherheit der Rennmenschen ist uns sehr wichtig. Wir lieben unsere Menschen und tun alles dafür, dass sie gesund und fit bleiben. Schließlich wollen wir sie noch lange rennen, klettern, kriechen und springen sehen.“

  • von churchill



    Es sprach der Löwe: „Diese ganzen
    Sorgen um die Tierfinanzen
    würde ich echt locker klären,
    wenn nur nicht die Bären wären,
    die da auf den Kohlen hocken.“
    Mehr ließ er sich nicht entlocken.
    Warum er sich in Schweigen hüllt?
    Er sieht doof aus, wenn er nur brüllt.


    Der Bär aus Bayern bleibt gelassen.
    Der Löwe darf ihn gerne hassen,
    denn er, der Bär, ist eben schlauer.
    Da wird der Löwe richtig sauer,
    er ist zum Retter auserkoren
    und hat schon vor dem Start verloren:
    Blau-gelber Pfau und schwarzer Bär,
    die machen ihm das Leben schwer.


    Es nähern sich zum Glück ganz viele
    große grüne Krokodile,
    die wollen mit dem Löwen tanzen
    und schließlich auch die Tierfinanzen
    gemeinsam fein konsolidieren:
    „Ein dreifach Hoch den kleinen Tieren,
    wir retten sie aus ihrer Not!“
    Da kommt der Krebs, ganz dunkelrot.


    Man merkt ihm an, dass er schon kochte …
    Er, den der Löwe nicht mehr mochte,
    sieht seine Stunde nun gekommen,
    der Löwe sieht’s und merkt beklommen:
    Nur mit dem Krebs und Krokodilen
    kann ich die Mehrheit hier erzielen.
    Das wissen aber ganz genau
    auch schwarzer Bär und Pfau gelb-blau.


    Ob Bären, Pfaue, ob die Löwen,
    ob Krokodile, Krebse, Möwen,
    ob Tauben, Tiger, Geier, Affen,
    ob Elefanten, ob Giraffen,
    sie alle sehnen sich, zu spüren:
    „Da ist ein Tier, das kann uns führen!“
    Nun spricht der Bär: „Das gibt’s ja schon:
    Uns führt doch das Chamäleon


    und sei es nur (es ist nicht dumm)
    an unserm Nasenring herum.
    Es wechselt seine Farben ständig,
    ist stets flexibel und sehr wendig,
    man kriegt’s so gut wie nie zu fassen,
    ihm fällt’s ganz leicht, sich anzupassen
    in kniffligster Situation.
    Es lebe das Chamäleon!“


    Man kann es zwar nie richtig sehen,
    nur selten ist es zu verstehen,
    am wohlsten fühlt es sich im Dunkeln,
    man hört so manche Tiere munkeln,
    es sei ganz schrecklich anzuschauen,
    ja, wirklich niemand würd’ sich trauen,
    zu rebellieren. Wer’s riskiert,
    wird kaltgemacht und abserviert.


    So was soll’s echt im Dschungel geben.
    Dort kann man lange schon erleben,
    wie Löwen laut und schleimend lachen,
    wie Bären brav ihr Männchen machen,
    wie Krokodile Tränen heucheln,
    wie Krebse alte Freunde meucheln.
    Und auch der Pfau schlägt feig sein Rad,
    weil er Angst vorm Chamäleon hat.


    Und die Moral von der Geschicht:
    Vergesst nur das Chamäleon nicht!
    Denn solltet ihr es unterschätzen,
    wird es euch hinterrücks verletzen
    mit Tücke und besond’rer List,
    wenn das Chamäleon weiblich ist...

  • von Syddy



    Ich lag neben meiner besten Freundin im Gras und ließ mich von der Sonne bescheinen. Mein Körper glühte förmlich. Ich zupfte meinen Bikini zurecht und drehte mich auf den Bauch damit mein Gesicht der Sonne nicht schonungslos ausgesetzt war.
    Ein Schatten legte sich über meinen Rücken und ich wusste das meine Freundin aufgestanden war. „Ich geh mir mal was zu essen holen. Willst du auch was?“
    Ich überlegte kurz. Bei der Hitze, fiel die Wahl jedoch nicht schwer. „Ein Eis!“, bat ich.
    Ihre Schritte entfernten sich langsam und kurz darauf kam sie wieder zurück. Ich setzte mich auf und nahm dankbar das Eis das sie mir entgegen hielt. Die Sonne erlahmte mein Denken, deshalb brauchte ich ein paar Sekunden um zu verstehen was meine Freundin mir mitteilte.
    „Wann soll ich heute zu dir kommen?“
    Ich sagte etwas verwirrt „Hm, so um 18:00 Uhr?“
    Sie lachte und erwiderte „Gut, und denk daran, für mich das Fleisch weg zu lassen!“
    „Hm. Natürlich!“
    Meine Freundin war Vegetariarin, schon seit sie ein Kind war aß sie kein Fleisch. Ich hatte kein Problem damit und sie nicht damit, das ich keine Vegetariarin war.


    Ich stand vor dem Herd und bereitete das Abendessen zu, zu dem ich meine Freundin eingeladen hatte. Da ich das Essen getrennt machte, stellte ich zwei Pfannen auf den Herd. Doch, als ich das Fleisch in die eine Pfanne gab, packte mich plötzlich der Eckel. Ich sah auf der Packung, das ich Kaninchenfleisch gekauft hatte, kein Schweinefleisch.
    Das musste der Auslöser gewesen sein, denn ich hatte selbst ein Kaninchen. Bis dahin, hatte ich nie wirklich realisiert was ich da esse. Ich hatte es einfach getan. Im Grunde gesehen, liebte ich Tiere über alles und hatte durch meine Arbeit im Zoo auch viel mit ihnen zu tun, vielleicht hatte ich dadurch einfach verdängt das ich sie esse. Ich hatte es mir nicht vorstellen können, doch jetzt traf es mich mit ganzer Wucht.
    Ich verspürte nur noch Ekel und mein Magen zog sich unangenehm zusammen. Ich nahm das Fleisch und kippte es in die Mülltonne. Nun fühlte ich mich befreiter.


    Als meine Freundin kam und wir zu Abend aßen, sagte sie überrascht „Was, du ist kein Fleisch!?“
    Ich schmunzelte. „Sagen wir, ich hatte eine Erkenntnis!“

  • von arter



    Das Mobiltelefon, das Krüger liegen gelassen hatte, lag noch auf dem Nachtschrank. Zum dritten Male war es ihm in letzter Zeit passiert, dass er etwas vergessen hatte. Obwohl er normalerweise ein außergewöhnlich gewissenhafter Mensch war, spielte ihm das Unterbewusstsein neuerdings immer häufiger eigenartige Streiche.


    Heute brauchte er das Handy dringend, da er einen wichtigen Anruf erwartete. Deshalb war er auf dem Weg zum Termin umgekehrt, um das Handy zu holen. Er stürmte in die Wohnung, geradewegs ins Schlafzimmer und nachdem er das vergessene Utensil geholt hatte, bewegte er sich ohne weiteren Aufenthalt wieder hinaus zur Ausgangtür. Bevor er aber die Wohnungstür hinter sich schloss, erreichte sein Bewusstsein eine Wahrnehmung, die durch etwas Eigenartiges ausgelöst wurde, das sich hinter der halb geöffneten Wohnzimmertür in der Peripherie seines Gesichtsfeldes befand.


    Halt mal, was war das da eigentlich im Wohnzimmer? Er kehrte auf dem Absatz um, um sich zu überzeugen dass es sich nur um einen dieser merkwürdigen Irritationen seines Unterbewusstseins handelte. Nachdem er festgestellt hatte, dass dies mitnichten der Fall war, torkelte er, nach Halt suchend, einige Schritte rückwärts. Er wählte hektisch eine Nummer auf seinem Handy.


    „Jane!“, schrie er, „was weißt Du über ein Nashorn in unserer Wohnstube?“


    Eine kurze Pause folgte, die sich wie unterdrücktes Kichern anhörte.


    „Breitmaul oder Spitzmaul?“


    „Häh?“


    „Bei Breitmaul würde ich sagen, du hast wieder Mal am frühen morgen gesoffen. Bei Spitzmaul: Jetzt bist du völlig durchgedreht.“


    „Du denkst ich spinne, oder was?“


    „Hör zu, noch einmal zum mitschreiben: Es ist aus zwischen uns. Ich hab dich vor einem Jahr verlassen. Es ist nicht mehr UNSERE Wohnstube, von der du sprichst. Und welche Haustiere Du hältst ist mir völlig schnuppe.“


    Aufgelegt, Tuten im Hörer. Krüger feuerte das Handy in die Ecke. Die wird schon wieder angekrochen kommen, dachte er trotzig. Dann wagte er einen Blick in die Wohnstube. Vielleicht war es nur eine Attrappe aus Pappmaschee, so ein blöder Scherz seiner Kumpels? Nein, das Tier ließ gerade einen warmen, dampfenden Beweis seiner Lebendigkeit auf den Perserteppich fallen.


    Wie war das Vieh hier hineingekommen? Es passte doch niemals durch die Tür, geschweige denn durch das Fenster? Verstehen Sie Spaß – die versteckte Kamera? Oder hatte Jane etwa Recht mit ihrer Vermutung und er war jetzt völlig plemplem?


    Als Krüger sich diese Fragen stellte, schlug ein Windstoß das Fenster auf, sodass die Gardine hinausflatterte. Ein großer, bunter Vogel kam kreischend ins Zimmer geflogen. Krüger stürzte ans Fenster. Unten galoppierte ein Herde Zebras um den Kreisverkehr. An der roten Ampel warteten einige Elefanten. Als er aus der Ferne das hektische Gekreisch einer Gruppe Schimpansen vernahm, wusste er was er zu tun hatte.


    „Jane ich rette dich,“ rief er, schnappte sich die flatternde Liane und schwang sich mit einem Urschrei in den Dschungel der Großstadt.

  • von Luc



    Die Uzi drückte gegen den Rippenbogen, als Luciano das Motorrad bestieg.
    „Nimm“, forderte Giovanni ihn auf, reichte ihm den Sturzhelm und öffnete sein Garagentor. Vor Luciano lagen die Gassen Neapels, das Wohnviertel der Riseris, vielleicht der Tod oder ein Leben an Christinas Seite.
    „Don Fausto will keine Überlebenden“, befahl ihm Giovanni, bevor Luciano den Sturzhelm aufsetzte und in den ewigen Schatten der Altstadt raste. Selbst die Sonne traute sich selten ins Revier der Riseris. Ab der Kirche San Marco galten Sturzhelme als Kriegserklärung. Luciano spürte einen Schauer der Angst über seinen Rücken jagen. Sie wich der Vorfreude über das abendliche Wiedersehen mit seiner Freundin. Er trug einen Verlobungsring für Christina in seiner Hosentasche. Die Anfahrt verlief ohne Störungen. Er stoppte auf dem Bürgersteig direkt vor der Eisdiele, zog die Uzi aus der Jacke und feuerte rücksichtslos in das Lokal. Bruno Riseri brach am Verkaufstresen zusammen, sein Leibwächter kippte auf der Sitzbank zur Seite. Luciano stellte das Schießen ein. Entsetzen machte sich in ihm breit. Er blickte in Christinas leblose Augen. Sie hatte dem Leibwächter gegenüber gesessen, aus ihrem Hals quoll Blut.


    Zur verabredeten Zeit traf Luciano in Giovannis Pizzeria ein. Er stellte seine Sporttasche auf dem Resopaltisch ab und setzte sich Giovanni gegenüber, den die übrigen Mafiamitglieder, den Messerstecher nannten.
    „Es war eine Bekannte von mir in der Bar“, sagte Luciano eisig und spürte Giovannis stechenden Blick. Luciano lehnte sich betont lässig zurück und schnitt eine Grimasse, was Giovanni sichtlich erleichterte.
    „Wir wussten, dass Christina in der Eisdiele anwesend sein würde, sie war eine Verräterin. Don Fausto war überzeugt, dass du seinen Anweisungen Folge leisten würdest. Er hat ein Auge für Mörder“, erklärte Giovanni, lächelte und deutete auf eine Kellnerin.
    „Du kannst Carla haben“, bot er ihm eine attraktive Alternative an, die keinen Reiz auf Luciano verströmte. Er fühlte sich wie tot.


    Giovannis Handy klingelte. Er hielt das Nokia-Gerät an sein Ohr. Luciano hörte eine aufgeregte Stimme auf Giovanni einplappern, der starrte ihn verwirrt an und knipste den Anrufer weg.
    „Don Faustos Leichnam ist gefunden worden, kopflos“, sagte Giovanni erschüttert. Luciano vermutete, dass er an die Riseris denken würde. Zeit Klarheit zu schaffen. Er zog eine Pistole hervor, deren Lauf auf die Sporttasche zielte. Giovanni sah ihn ängstlich an.
    „Dein Helm“, sagte Luciano und hob die Augenbrauen. Zögerlich griff Giovanni die Tasche und riss entschlossen den Reißverschluss auf. Ungeschickt zog er den blutverschmierten Sturzhelm hervor, der ihm fast aus der Hand glitt. Giovanni starrte in Don Faustos Gesicht, die Augenhöhlen waren leer. Aus der Jackentasche kramte Luciano das Kästchen hervor, in dem er ursprünglich den Verlobungsring aufbewahrt hatte und öffnete es. Zum Vorschein kam ein Paar Augen.
    „Das ist bestialisch“, flüsterte Giovanni entgeistert.
    „Ich kam mir absolut menschlich vor, als ich ihm die Augen herausgeschabt habe“, antwortete Luciano irr vor Trauer und richtete die Waffe auf Giovanni.
    „Was hast du mit mir vor?“, fragte er.
    „Es war deine Zunge, die mir seine Botschaft überbracht hat. Schneide sie dir selbst heraus, dann lasse ich dir dein Leben“, antwortete Luciano.

  • von Sinela



    Das Licht der Polizeifahrzeuge färbte die Fassade des einzeln stehenden Hauses blau, sodass man die graue Farbe erst nach zweimaligem Hinsehen entdeckte. Die hölzernen Fensterläden hatten ihre leuchtend grüne Farbe schon lange verloren, Sonne und Regen hatten sie ausgebleicht. Im Garten vor dem Haus waren die ehemaligen Blumenbeete vom Unkraut überwuchert. Der Mülleimer war umgefallen und hatte seinen Inhalt auf den Weg entleert, der in das Haus führte. Ratten und anderes Getier hatten sich daran gütlich getan, was Kotspuren bewiesen.


    Sich immer wieder umschauend gingen die zwei Frauen auf die Eingangstür zu. Ein Polizist versperrte ihnen den Weg.
    „Bitte verlassen sie das Gelände.“
    „Wir sind vom Tierschutzverein. Sie hatten uns angerufen.“
    „Bitte entschuldigen sie. Gehen sie nur hinein. Ich hoffe, sie haben keinen empfindlichen Magen.“ Fragend schauten die Zwei den Mann an.
    „Es stinkt bestialisch da drinnen, am besten, sie halten sich ein Tuch oder sowas vor Mund und Nase.“
    „Machen sie sich mal keine Sorgen, wir sind so einiges gewohnt.“
    „Wenn sie meinen“, antwortete der Polizist achselzuckend und trat zur Seite. Entschlossenen Schrittes betraten die Frauen das Haus, gingen über den Flur und betraten das Wohnzimmer.
    „Oh mein Gott! Wie kann jemand nur so leben?“
    Berge von Müll türmten sich auf, überall im Raum verteilt. Tisch, Stühle, Sessel, Schränke, der gesamte Boden – alles war übersät mit Abfall, Kleidung, Papier, einfach allem möglichem. Und zwischendrin einige Katzen, genauso verwahrlost wie der Rest der Wohnung selbst.
    „Ruf im Tierheim an, wir brauchen Hilfe.“


    „Und? Wie sieht es aus?“
    Die Tierärztin des Tierheimes sah von der Katze, die sie gerade behandelte, auf.
    „Frag lieber nicht. Alle 24 Katzen haben Ohrmilben und Flöhe, einige sind dehydriert, andere total abgemagert. Ob die 5 Welpen überleben, wage ich zu bezweifeln.“
    „Dieses Animal Hording nimmt immer mehr zu, erstreckt sich auf jede Tierart. Warum bloß?“ „Animal Horder sind mehrheitlich Einzelpersonen, hauptsächlich Frauen über 50, viele mit Bindungsängsten. Sie nehmen die Tiere auf, weil sie glauben, dass sie es bei ihnen besser haben als da, wo sie bisher lebten. Die Tiere vermehren sich unkontrolliert und die Leute verlieren den Überblick, auch über ihr eigenes Leben. Deshalb lassen sie ihre Wohnung so vermüllen. Sie sehen auch nicht, dass ihre Tiere leiden. Das ist eine Krankheit, die behandelt werden muss. Leider sind die wenigsten Leute aufmerksam was ihre Mitmenschen angeht. Entweder sie sehen nichts oder sie wollen nichts sehen. Wenn es aus der Nachbarwohnung stinkt, dann macht man halt das Treppenhausfenster auf. Sollen sich doch andere um das Problem kümmern. Und diese Gleichgültigkeit unterstützt das Krankheitsbild Animal Hording auf fatale Art und Weise.“
    „Danke für die Aufklärung, aber verstehen werde ich das wohl trotzdem nie. Ich gehe dann mal und richte die Käfige für die Neuankömmlinge her.“
    Und während im Tierheim wieder die Routine einkehrte, begann ein neuer Animal Horder mit seiner „Sammlung“......

  • von Quetzalcoatlus



    Diesmal hatte er einen guten Einfall gehabt, da war Gimson sich sicher. Es handelte sich um eine geradezu glorreiche Idee.


    Man musste der Öffentlichkeit geben, was sie verlangte. Sein gesamtes Leben lang hatte er versucht, seine Mitmenschen zufrieden zu stellen, was erheblich durch die Tatsache erschwert wurde, dass er über keine gesellschaftstauglichen Talente verfügte.
    Aber kürzlich hatte er eine brillante Eingebung gehabt. Nun wusste er, was er der Welt liefern konnte.
    Eine Sensation.
    Selbst wenn es eine gefälschte Sensation war. Wen interessierte das schon. Die Menschheit lechzte geradezu danach, dass man ihr Abwechslung servierte, die sie aus ihrem lethargischen Alltag zu reißen vermochte. Mythen, Monster, Mutationen – in diesem Bereich würde das Angebot niemals die Nachfrage übersteigen. Dort lag der Erfolg begraben. Und das Geld.
    Wenn die Leute nicht für Qualität oder Nützlichkeit, sondern stattdessen für ihre eigene Leichtgläubigkeit bezahlen wollten – warum sollte er diesen Umstand nicht nutzen?


    Nun, andere hatten es vor ihm versucht, dachte Gimson. Aber sie hatten nicht alle Eventualitäten bedacht. Er hatte ihre Fehler studiert. So konnte er die Grundregeln eines erfolgreichen Betrugs beachten. Dieses eine Mal würde er Erfolg haben.
    Den Hauptpart musste er natürlich selbst übernehmen. Verlasse dich niemals auf andere, rief er sich wie ein Mantra in Erinnerung, während er schwerfällig über den Waldboden stapfte. Dieser Fehler war ihm in der Vergangenheit viel zu häufig unterlaufen. Heute würde er nichts dem Zufall überlassen.
    Für seinen großen Coup hatte er nur Pattlin hinzugezogen. Pattlin konnte eine Kamera halten. Und noch wichtiger: Er konnte sonst nicht viel. Das garantierte seine Verschwiegenheit, wenn er nicht riskieren wollte, seine einzige Chance auf ein wenig Reichtum zu verspielen.


    Aber das Wichtigste war der Zeuge. Der unabhängige Zeuge, der seine Geschichte bestätigen würde. Nur auf diese Weise würde ihm das Video ein Vermögen einbringen.


    Er hatte das Gefühl, dass sich seine Konzentration anspannte wie ein Muskel, als er den Rand des Farmgeländes erreichte. Nun durfte ihm kein Patzer unterlaufen.
    Bedächtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Er musste seine Rolle glaubhaft spielen. Und dies würde ihm auch gelingen, sagte er sich mit grimmiger Entschlossenheit.


    Dort, nun trat eine Gestalt aus dem Haupthaus! Sie erstarrte für einen Moment, rief dann etwas über ihre Schulter ins Gebäude und wies aufgeregt auf den Eindringling.
    Gimson grinste innerlich. Eine kleine Show konnte nicht schaden, solange er es nicht übertrieb.
    Ungelenk hob er seine Arme, ließ ein heiseres Grunzen ertönen, drehte sich dann ruckartig um und rannte mit ausladenden Sprüngen auf den Waldrand zu.


    Für den Bruchteil einer Sekunde hörte er die Gewehrkugel tatsächlich durch die Luft pfeifen, bevor sie sich in seinen Rücken bohrte. Gimson brach zusammen. Sein Körper stürzte auf den schlammigen Erdboden.


    Seine letzte Sinneswahrnehmung war Pattlins entsetzter Schrei, der vom Waldrand herüberschallte. Sein letzter Gedanke war, dass es womöglich doch keine so glorreiche Idee gewesen war.
    Dann schlossen sich seine Augen für immer. Die schmalen Sehschlitze des lebensechten Bigfoot-Kostüms starrten leer in den grauen Himmel.