Zum Inhalt:
Die Ärztin Selma Seiler zieht in eine neue Wohnung samt Praxis und wird von ihrem Nachbarn Harrlich zunehmend belästigt, belagert, verfolgt und terrorisiert. Harrlich glaubt, Selma zu lieben und für sie bestimmt zu sein, und sein Wahn treibt auch sein Opfer beinahe in den Wahnsinn. Das Stalking muss aufhören, und so beschließt Selma, ihn zu töten ...
Der vom Verlag als Psychothriller bezeichnete Roman "Selmas Zeichen" präsentiert ein durchaus spannendes, brisantes und aktuelles Thema: Stalking. Eine Frau wird von ihrem Nachbarn zunächst beschenkt, dann belagert, belauert, bedroht und zuletzt terrorisiert. Dieser Nachbar leidet unter einem Liebeswahn und glaubt wider jede Vernunft und alle äußeren Gegebenheiten, für die Frau bestimmt und geschaffen zu sein. Und umgekehrt.
Die Autorin gibt in dem Roman sowohl der Frau wie auch dem Mann eine eigene Perspektive, zwei Ich-Erzähler wechseln sich ab und geben mitunter dieselben Szenen aus unterschiedlicher Sicht wieder. Dabei ist die Frau diejenige, die die Realität abbildet, während der Mann seinen Wahn und Irrsinn präsentiert. Durch die Ärztin Selma erfährt der Leser, was geschieht und wie sie es interpretiert bzw. gefühlsmäßig einordnet, und die verquaste Ich-Erzählung des Nachbarn Harrlich verdeutlicht, dass dieser eine ganz eigene "Wahrheit" erlebt und empfindet. Die Wahrheit des Wahns, die für den Leser kaum nachzuvollziehen ist. Irre eben.
Obwohl ich sowohl das Thema wie auch die Erzählweise interessant und spannend finde, hat mich Roman, den ich nicht als Thriller, sondern als Psychodrama bezeichnen würde, nicht durchweg überzeugt. Auf mich hat er wie eine Kurzgeschichte gewirkt, die auf 191 Seiten aufgeblasen wurde, aber inhaltlich und gerade in Bezug auf den Plot die Romanlänge nicht füllen kann. Ein Großteil des Romans besteht aus sich wiederholenden Gedanken und inneren Monologen, es passiert relativ wenig und wenig Unterschiedliches, aber dies wird von den Erzählern immer wieder in inneren Monologen durchdacht, kommentiert, interpretiert und ausgewalzt. Die gesamte Situation ist sehr statisch, sie verändert sich kaum, spitzt sich nur unwesentlich zu (sieht man einmal vom Finale ab). Und so dreht sich auch der Text oftmals im Kreis, weil sich die Figuren im Kreis drehen. Das Ganze ist sehr quälend, nicht nur für die Protagonistin, die kein Mittel gegen Harrlich findet, sondern auch für den Leser, der sich durch langatmige Passagen kämpfen muss, in denen nichts passiert und nur Gedanken wiedergegeben werden, die so oder sehr ähnlich schon wiederholt erzählt wurden. Zumindest mich hat die Geschichte nach einiger Zeit gelangweilt, nicht weil der Konflikt der Heldin mir nicht einleuchtete oder nahe ging, sondern weil die allzu ausufernde und langatmige Erzählweise die Wirkung der Geschichte zerstört. Die Autorin will eindringlich erzählen, aber in der ständigen Wiederholung und dem ständigen Breittreten wird sie aufdringlich und penetrant.