Schreibwettbewerb Oktober - Thema "Mißverständnis"

  • Vom 01. Oktober bis zum 21. Oktober könnt Ihr in diesem Thread Eure Beiträge zum "Schreibwettbewerb für registrierte Mitglieder" reinsetzen. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen: Bitte seid so gut und gebt Euren Beiträgen Titel, damit man sie später besser benennen kann.



    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Es gibt keine Toleranz mehr. Ab 501 Wörtern nehmen wir die Beiträge aus dem Wettbewerb.


    Ihr dürft nicht mehr nachträglich editieren, egal ob es sich um Rechtschreibfehler oder um zu viele Wörter handelt.



    ==> Schreibt eure Beiträge in Word und nutzt die Rechtschreibhilfe. Im Programm Word findet Ihr unter „Extras“ die Möglichkeit „Wörter zählen“. Nutzt diese Möglichkeit, wir überprüfen so auch Eure Beiträge.


    ==> Wenn Ihr Euren Beitrag ins Forum setzt, könnt Ihr auf Vorschau gehen und so noch einmal einen Blick auf den Beitrag werfen, bevor Ihr den Beitrag endgültig abschickt.



    Das von Tom vorgeschlagene Thema lautet: "Mißverständnis"



    Wir wünschen Euch dabei wieder viel Spaß und Erfolg!



    Diesen Thread bitten wir nur und ausschließlich zum Schreiben Eurer Beiträge zum Wettbewerb zu nutzen und die Beiträge hier NICHT zu kommentieren!

  • „Mutti, ich geh dann jetzt.“
    „Hast du die Brote eingepackt?“
    „Nein, Mutti, du weißt doch, daß ich kein Fleisch esse.“
    „Aber Kind ...“ Sie streicht mir über die Wange, lächelt ihr nachsichtiges Lächeln. „Das ist doch nur Wurst. Nun komm schon.“
    „Mutti, bitte.“
    Sie wendet sich ab und nimmt ihr leises Zungenschnalzen mit sich, diesen Knacklaut nachsichtiger Mißbilligung, den ich hasse. „Wann fährt dein Zug?“
    „15:38. Ich muß los, der Bus wartet nicht.“
    „Du wirst ihn noch verpassen ... Ich könnte dich fahren.“
    „Das ist nicht nötig, ich komme schon zurecht.“ Ich schultere meinen Rucksack, greife mir die Laptoptasche.
    „Hast du auch alles?“ Skeptisch mustert sie mein Gepäck. „Sonst muß ich dir wieder etwas nachschicken.“
    „Mutti, du hast mir noch nie etwas nachschicken müssen.“
    „Ich könnte dich trotzdem fahren – nur absetzen.“
    „Es geht schon, Mutti. Der Bus ist ja gleich da. Ich mach mich lieber auf den Weg.“
    „Warte!“ Sie wirft sich den Mantel über, greift nach dem Schlüssel. „Ich fahre dich.“
    „Bitte, Mutti, das haben wir doch eben schon besprochen: Ich nehme den Bus zum Bahnhof. Du hast vorhin erst deine Tabletten genommen, du darfst jetzt nicht fahren.“
    „Ich bitte dich! Ich merke überhaupt nichts davon, und es muß doch nicht sein, daß du –“
    „Mutti, der Arzt hat dir verboten –“
    „Der Arzt!“ Sie winkt heftig ab. „Was versteht denn der davon, wie ich meine Tabletten vertrage.“ Sie drängt zur Haustür, ich kriege sie einfach nicht zu fassen.
    „Komm, Schätzchen, ich hole den Wagen aus der Garage.“
    „Warte!“ rufe ich, doch sie ist schon aus der Tür. Ihre Schritte sind schnell, aber unsicher. „Bleib stehen! Bitte! Ich fahre mit dem Bus!“
    Sie stutzt einen Augenblick, dann eilt sie auf mich zu, ihre Augen sprühen Funken. „Muß das sein?“ zischt sie, „Vor den Nachbarn! Wo wir doch diesen Riesenkrach wegen dem Kirschbaum haben! Na, die werden sich freuen!“
    „Was hat das jetzt miteinander zu tun?“
    „Daß du mich jedesmal so bloßstellen mußt! Wo es mir so schlecht geht mit dem Bluthochdruck!“
    Ihre Augen glänzen, ihre Nase rötet sich, und sie zieht die Brauen zusammen. Wir spielen das Spiel. Es heißt „Wer fühlt den tieferen Schmerz?“, und sie gewinnt jedesmal. Ein Blick zur Bushaltestelle – es sind schließlich nur ein paar Schritte – beruhigt mich mit einer Frau mit Kinderwagen. „Sieh mal, wenn ich jetzt zur Haltestelle gehe, dann kriege ich den Bus, bin rechtzeitig am Bahnhof, und du kannst dich hinlegen und ausruhen. Das ist wirklich das Beste.“
    Sie schnieft leise. Schaut mich aus Hundeaugen an. Ich kann nicht weg. Kann nicht einfach losrennen. Nicht einmal, als der Bus um die Ecke kommt. Ich bringe nichts hervor als ein klägliches „Mutti ...“ und lasse die Arme hängen, während ihre Miene sich triumphierend aufhellt.
    „Ich habe dir doch gesagt, du wirst ihn verpassen!“ ruft sie und stöckelt zur Garage.


    (467 Wörter lt. MS-Word)

  • Mann und Frau


    Er saß an der Bar ihr gegenüber. Sie hatte lange Beine und ihr dunkelroter, hochgeschlitzter Rock ließ diese Beine nur noch länger und faszinierender erscheinen. Sie hielt ein Glas Sekt in der Hand und nippte immer wieder graziös mit ihren dunkelrot bemalten Lippen daran. Er merkte, daß er sie anstarrte, aber er mußte sie ansehen. Sie war bezaubernd, groß und eindrucksvoll ohne plump zu sein. Er leckte sich über die Lippen zu schüchtern. Sie bewegte ihren Fuß und ihre aus zarten roten Seidenbändern bestehenden Schuhe wippten im Takt der Musik. Sie sah zu ihm. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie ihr Glas abstellte und mit wiegenden Hüften an ihm vorbei zur Tanzfläche ging. Er sah ihr nach.


    Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, als er sie nicht sofort im Gewühl auf der Tanzfläche ausmachen konnte. Da war sie, wiegte sich im Takt. Ihre vollen Brüste malten sich unter dem roten Top ab. Er stöhnte als er feststellte, daß sie offenbar nicht echt waren. Er hatte immer schon eine Schwäche für Silikonbrüste gehabt. Er fand sie fühlten sich einfach fester und schöner an als echte. Sein Blick traf den ihren und sie hielt mitten im Tanz inne und sah ihn an. Er spürte wie er rot wurde und trat von einem Fuß auf den anderen. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht und sie bahnte sich den Weg zu ihm. Ihre langen Schwarzen Haare fielen ihr ein wenig ins Gesicht und ließen nur Stücke der wunderbaren blausilbernen Augen aufblitzen. Sie strich sie zur Seite und sah ihn an. Er sah verlegen zu Boden.


    Sie hauchte etwas in sein Ohr und er nickte eifrig, zog seine Brieftasche hervor und steckte ihr einen 50er zu. Daß sie nicht billig sein würde wußte er schon, als er sie an der Bar sitzen sah. Er folgte ihr die Treppen hoch, den Kopf gesenkt, damit er die Blicke der anderen nicht sehen mußte. Oft kam er hier her und immer wieder war es ihm peinlich auf eines der Zimmer zu gehen. Doch diesmal hatte er die Schönste an seiner Seit. Er richtet sich auf straffte seine Schulter und folgte ihr hoch erhobenen Hauptes. Wofür sich schämen, wenn man die nächsten Stunden mit einer Schönheit verbringen darf? Im Zimmer zog sie ihn an sich und sie küßten sich, er fühlte das das hier anders war als sonst, intensiver, schöner, einfach besser. Er fuhr ihr über das Haar über den Rücken. Riß ihr den Rock herunter und erstarrte. Er stammelte, wurde kreideweiß. Konnte seinen Blick nicht von dem wenden was er da enthüllt hatte. Dann raffte er seine Sachen zusammen und stürmte aus dem Zimmer verfolgt von ihrem Lachen.

    Als er weg war trat Max einen Schritt vor, so daß er vor dem Spiegel stand. Er zog seinen Rock wieder an, rückte die Perücke gerade und malte seinen Lippenstift nach, bevor er die Treppe herunter zurück an die Bar ging.



    (485 Wörter laut Star Office 7.0)

  • „Und es besteht wirklich keinerlei Hoffnung mehr?“
    Sie spürte, wie es ihr den Hals langsam zuschnürte.
    „Wie lange hat er noch? ... aha ... aber ... genauer können Sie es nicht sagen?!“
    Ihre Knie wurden schwach, langsam sackte sie vor dem Telefon zusammen und setzte sich auf den Fußboden.
    „Danke Herr Doktor, auf Wiederhören!“
    Langsam und nachdenklich legte sie den Hörer aus der Hand. Wie sollte sie ihm das nur beibringen? Sie griff nach dem Zigarettenetui auf dem Couchtisch und zündete sich mit zitternder Hand eine Zigarette an, sog den Rauch tief in ihre Lunge und schloss dabei die Augen...
    <KLACK!>
    Sie riss die Augen auf und blickte sich entsetzt um. Ganz deutlich hatte sie das Geräusch einer zufallenden Tür vernommen. Ob er das Telefonat mitbekommen hatte? Nein, sicher nicht...oder?!
    „Vera, ganz ruhig jetzt! Du musst wieder einen klaren Kopf bekommen! Vollkommen ruhig und gelassen...!“ Sie erinnerte sich an ihren letzten Autosuggestionskurs und es funktionierte – langsam lies der Druck nach, das Gedankenwirrwarr in ihrem Kopf ergab nach und nach wieder einen Sinn. Sie musste es ihm so schnell wie möglich mitteilen, aber wie nur? Wie würde er reagieren, ob er es verkraften würde?
    Es ging nicht anders, sie musste es tun und zwar jetzt. Schweren Herzens begab sie sich auf den Weg in Richtung Terrasse. Draußen war wunderschönes Wetter, Max saß auf seiner Schaukel und arbeitete wie wild an seinem ultimativen Ziel – dem Überschlag.
    „Maaaaamaaaaaaa, guck doch mal – gleich hab ich´s!“ Als sie in seine leuchtenden Augen blickte schossen ihr die Tränen in die Augen, sie konnte es nicht verhindern. Würde der Glanz aus seinen Augen verschwinden, wenn er es wüsste?
    „Mäxchen, komm mal her zu Mama, ich muss dir was sehr trauriges sagen!“ schluchzte Vera.
    Max bremste die Schaukel behutsam und setzte sich dann vor seine Mutter und blickte sie mit großen Augen ganz erwartungsvoll an.
    “Du musst jetzt ein ganz tapferer kleiner Mann sein, Mäxchen! Die Tierklinik hat eben angerufen, unser Hasso ist sehr krank. Er wird bald sterben und die Ärzte können nichts mehr für ihn tun.“
    Vera weinte nun jämmerlich und drückte ihren Sohn dabei ganz fest an sich. „Hasso kommt dann doch in den Hundehimmel, oder Mama? Das ist dann nicht so schlimm, die Engel werden sich dort bestimmt ganz gut um unseren Hasso kümmern!“
    „Ja mein Schatz, das werden sie. Es wird ihm an nichts fehlen!“
    „Dann müssen wir ja auch nicht traurig sein, Mama! Weiß Papa denn schon bescheid?“
    „Nein Mäxchen, ich muss es ihm noch sagen. Wo ist er eigentlich, hast Du ihn gesehen?“
    Vera schaute sich im Garten um. Seltsam, Manfred wollte doch eigentlich den Rasen mähen. Wo er nur schon wieder steckte?!
    “Der Papa ist eben ins Haus gerannt als das Telefon geklingelt hat, dann hat er ganz komisch geguckt als er wieder rauskam. Er hat mich furchtbar fest gedrückt und mir gesagt, wenn ich groß bin sollte ich nie zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen, und dann ist er mit einem ganz langen Seil in die Garage gegangen...“


    (497 Wörter lt. MS-Word, 500 mit Überschrift)

  • Ich schreibe Dir eine Geschichte.
    Du wirst sie verstehen?


    Er wusste, wie er sie zu nehmen hatte.
    Sie mochte es hart, schnell, intensiv.
    Es war die grandiose Verschmelzung zweier Menschen, die ihren Weg zur Lust gefunden hatten.
    Ihr Flüstern, ich möchte mehr..., war kaum zu hören.
    Wir lieben uns, Baby, wir lieben uns wie nie zuvor, wir genießen es, stöhnte er, sie unterbrechend.
    Sie stöhnten im Takt der Ekstase.


    Ich will mehr...!
    Du bekommst es, sein Versprechen klang beschwörend und trotzdem kurzatmig.
    Er spürte ihr Aufbäumen, ihr Begehren, aber auch die Kräfteverzehrung der Liebe.
    Sie krallte ihre Fingernägel in seine Schulterblätter
    Es war anders als sonst, merkte er mit Verwunderung
    Ihr Gleichklang kam aus dem Schritt.
    Wir sind nicht perfekt, stammelte er mit rasselnder Stimme
    Sie waren beide geschafft


    Ich will, ich wollte, schon immer mehr Zärtlichkeit, flüsterte sie.
    Du aber denkst immer nur an rammelnden Sex.
    Er war wie benommen.
    Sie wand sich unter ihm hervor.
    Es haute ihn um.
    Ihr Gleichklang war für immer gestört.
    Wir haben uns verloren, dachte er.
    Sie waren wieder allein.


    Wir werden uns sicher mal sehen, flüsterte sie.
    Ihr gemeinsamer Weggang endete im Verklingen der Schritte des anderen.
    Sie hatten beide verloren.
    Es gab so viele Gründe, der Verdreher der Grammatik, die Unterdrückung von Worten, das Ego.
    Sie weinte und war doch erleichtert.
    Er fasste sich an die Stirn und blickte sich nicht einmal um


    Du hast die Geschichte gelesen und den Sinn verstanden?
    Ich glaube nicht.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Eine neue Chance


    Die Bahnfahrt dauerte heute wieder ewig.
    Müde lehnte Vanessa ihren Kopf zurück und schloß die Augen als ihr Handy in der Tasche klingelte. Das konnte nur ER sein .
    „Ja ?“ Ein Versuch, uninteressiert zu klingen !
    „Bitte – ich muss dich heute sehen, wir müssen das unbedingt klären ! Ich gebe nicht eher Ruhe, also sag schon ja !“
    Seine Stimme klang verzerrt, schlechter Empfang dachte sie noch.
    „Ehrlich, es kommt nicht wieder vor. Aber die Gelegenheit war einfach zu ....!“
    Der Rest war nicht zu verstehen und sie hielt das Handy ein wenig vom Ohr weg, um dem penetranten Geräusch des Rauschens zu entgehen.
    „Also gut, hol mich um 19 Uhr auf dem Hauptbahnhof ab !“
    „Aber was tust du denn ... ???“
    Ungeduldig drückte Vanessa den AUS Knopf und steckte ihr Handy in die Tasche zurück.
    Seine Entscheidung, ob er nun da sein würde oder nicht.


    Ihre Gedanken wanderten zum vergangenen Wochenende :
    Sie war wie jeden Freitag am Hauptbahnhof München eingetroffen und Lukas war mal wieder nicht da.


    Sie nahm sich dann ein Taxi und vor der gemeinsamen Wohnung entdeckte sie seinen Wagen und in der Wohnung brannte Licht. Sie lächelte, freute sich, das er zu Hause war. Sie kramte den Schlüssel raus und trat in eine stille Wohnung – still, bis auf eindeutige Geräusche und Stimmen aus dem Schlafzimmer.
    Sie ließ den Koffer sinken und drückte die Tür langsam auf. Bei dem Anblick der sich ihr bot, wurde ihr übel : Lukas mit einer Frau in ihrem Bett ! Die andere schrie auf und bedeckte mit dem Laken ihre Blöße !
    „Vanessa, ich kann das erklären ... ! Warte ... !“ Sie war bereits auf dem Weg zur Tür.
    „Ich brauche keine Erklärung, ich habe Augen im Kopf !“


    Und weg war sie.
    Das Wochenende hatte sie bei einer Freundin gewohnt. Er hatte sich nicht gemeldet.


    Die Ankunft auf dem Bahnhof riss sie aus ihren Gedanken. Sie nahm ihren Koffer und lud sie auf einen Wagen. Kein Lukas zu sehen.


    Sie zuckte mit den Schultern und steuerte in Richtung Ausgang.


    Als ihr Handy wieder bimmelte, knurrte sie nur ein entnervtes : „WAS ???“


    „Sarah, ich warte am Ausgang auf dich !“


    „SARAH ??? Lukas , du bist ja wohl das letzte !“


    Mit der freien Hand steuerte sie den Wagen zum Ausgang und fuhr einen Typen über den Haufen, der in sein Handy quatschte.


    „LUKAS ? „ sagte er gerade entgeistert !


    „Hier ist Jörg , dein Bruderherz, Sarah, hast du was getrunken ?“


    Sie hörte die Stimme in ihrem Ohr und sie kam gleichzeitig von dem Typen vor ihr, der halb über ihrem Koffer hing und der mit wunderschönen blauen Augen und einem verwirrten Lächeln zu ihr hochschaute als sie sagte :


    „Nein, nichts getrunken, ich heiße Vanessa und es freut mich deine Bekanntschaft zu machen !“


    Das Lächeln wurde noch strahlender als Jörg endlich kapierte, das die falsche Handynummer ihn zu dieser Traumfrau geführt hatte ...


    ***************************************************************


    Laut Word - Zähldingsbums 494 Wörter !!! Hoffe es hat sich nicht verzählt :cry

  • Missverständnis zu verkaufen


    Finster war die Gasse dort
    und dunkel waren unsere Herzen
    nirgendwo ein sicherer Hort
    so brennen nun die Kerzen


    Konnten wir es wirklich wagen
    zu morden und zu stehlen
    das Todeslied ihm vorzutragen
    den Zorn nicht zu verhehlen


    Heute Nacht sollte er sterben
    der Schinder dieser Stadt
    das Messer hat schon viele Kerben
    und schimmerte nur matt


    Wir eilten rasch im Dunst voran
    und lächelten dabei eiskalt
    der Fährmann wartete im Kahn
    das Blutgeld war bereits bezahlt


    Als wir ihn dann packten
    an seinem feinen seid'nen Kragen
    und ihm weg die Füsse sackten
    fing er an zu klagen


    Bot uns an sein ganzes Gold
    schrie, wir hätten uns geirrt
    so war das Glück ihm schneller hold
    er war noch ganz und gar verwirrt


    Dann liessen wir ihn laufen
    so schnell kann es tatsächlich gehen
    Missverständnis zu verkaufen
    man muß nur seine Chancen sehen


    Nur knapp dem Tod entronnen
    die Sense war schon nahe dran
    da hat er sich besonnen
    und morgen ist's ein anderer Mann

  • Elke erzählt


    ich wollte an diesem abend nicht alleine sein
    ich wollte aber auch niemanden bei mir haben
    keiner der mir irgendeinen mist erzählte
    wie gut mein haar roch und wie gerne
    er gerade jetzt meine haut streicheln würde
    ich wollte meine ruhe und ich wollte lärm
    alles sollte gleichzeitig geschehen
    ich sah aus dem fenster und es beruhigte mich
    dass die busse noch fuhren und die menschen
    mit ihren spazierstöcken über das schwere leben
    redeten
    der mond war nicht zu sehen
    aber ich war mir sicher
    irgendwo würde er stecken und das beruhigte mich
    beruhigt war ich also nun zu genüge
    nun müsste endlich etwas anderes geschehen
    zum beispiel könnte der neue nachbar bei mir klingeln
    und fragen ob ich etwas mehl für ihn hätte
    und tatsächlich
    es klingelte jemand
    aber als ich öffnete war ich enttäuscht
    es war tatsächlich mein nachbar und er wollte wirklich mehl
    und der dumme mann erklärte auch noch warum
    er hatte versprochen für seine liebste einen rosinenkuchen zu backen
    an die rosinen hatte er gedacht
    aber an das mehl...
    ich gebe ihm salz
    es sollte ein scherz sein
    aber er
    er nahm das salz und bedankte sich
    ging aus der türe
    bedankte sich noch mal
    ich schwieg
    warum sollte ich etwas sagen
    ich musste den kuchen doch nicht essen

  • „Frederic.“


    Er kannte Frederic ganz genau. Frederic gehörte zu den Menschen, die jede Gelegenheit nutzten, ihre Mitmenschen zu schikanieren, sich auf ihre Kosten zu amüsieren oder sie gar so lange in die Enge zu treiben, bis ihr Blick dem eines verängstigten Kaninchens glich, das sich der todbringenden Schlange gegenüber sieht. Randgruppen quälte Frederic besonders gern, denn „sie bieten so herrliche Angriffsflächen“, wie er immer wieder betonte. Da war dieser behinderte Junge, dessen eines Bein steif war. Frederic nannte ihn Hinkebein und ab und zu bekam er eine Tracht Prügel – einfach nur so, weil er hinkte. Oder das dunkelhäutige Mädchen aus der Nachbarschaft, die Frederic gleich bei seinem ersten Zusammentreffen mit ihr nur als seine „schokobraune Sklavenbraut“ bezeichnete und viele weitere rassistische Bemerkungen fallen ließ.


    Er kannte Frederic ganz genau. Frederic ließ sich von niemandem etwas sagen. In der Schule hatten die Lehrer inzwischen längst aufgegeben, so etwas wie Anstand oder Vernunft in Frederics Kinderstube zu suchen. Jeder konnte sich sicher sein, dass er immer genau das tat, was man ihm verboten hatte. Zudem war ein Meister darin, den anderen das Wort im Mund umzudrehen. Als Tina Weber, die Biologielehrerin, ihn einmal beim Rauchen erwischte („Frederic, du darfst auf dem Schulgelände keine Zigaretten rauchen.“), kam er am nächsten Tag mit einer Zigarre wieder und verkündete stolz, dass das ja keine Zigarette sei und er somit wohl nichts Unrechtes tue.


    Er kannte Frederic ganz genau. Frederic war ganz alleine. Seine Mutter war vor einigen Jahren gestorben – Krebs – sein Vater hatte sich seitdem in den Alkohol gestürzt und wer den Vater kannte, der konnte das schon fast wörtlich nehmen. Morgens Bier – mittags Schnaps – abends war er dann meist so betrunken, dass man ihn davor bewahren musste, zum Spiritus zu greifen. Die übrige Verwandtschaft hatte sich von Frederic und seinem Vater distanziert und war außerdem in alle Winde zerstreut. Freunde hatte Frederic keine, wie auch – schließlich war er nicht gerade die Person, die man als gute Gesellschaft oder als liebenswerten, besten Kumpel bezeichnete.


    Er kannte Frederic ganz genau. Frederic war die Person, die ihn jeden Morgen im Spiegel begrüßte, das Ebenbild, das alle hassten. Es gab nicht wenige Tage, an denen Frederic sich selbst hasste. Er war ein Drecksack und er wusste es. Was niemand außer ihm wusste: Er wollte keiner sein. Aber die netten Worte gingen viel schwerer über die Lippen als ein zackiges „Hau ab.“ Schläge waren soviel leichter auszuteilen als Argumente. Frederic fühlte sich missverstanden, aber morgen würde er es auf die freundliche Art probieren. Morgen würde er anfangen, ein neues Leben zu führen. Schon bald würde er Freunde finden.


    Am nächsten Morgen wachte Frederic früher auf als sonst. Er ging nach unten, wo sein immer noch oder schon wieder besoffener Vater lag, schaute im Kühlschrank nach etwas Essbarem (Fehlanzeige) und machte sich auf den Weg zur Schule. Als ihn dort ein jüngerer Schüler etwas komisch anschaute, schlug er zu. Wie gestern, vorgestern… und wahrscheinlich morgen.


    (MS-Word 485 Wörter)

  • Mein lieber Schatz,
    noch immer belebt ein Kribbeln jeden Atemzug von mir. Ich liege gerade auf meinem Bett und denke an dich. Und an letzte Nacht. Das zufriedene Lächeln ist nicht mehr aus meinem Gesicht zu vertreiben. Ich kann mich kaum noch konzentrieren, bin wie benommen vor Glück.
    Der Abend war sooooo schön. Das Essen, die Blumen und natürlich du! Ich weiß gar nicht, wie ich es bis jetzt geschafft habe, ohne dich und all die Liebe zu leben.
    Du hast mir das schönste Geschenk gemacht und dafür bin ich dir sehr dankbar. Ich hoffe, ich habe mich nicht zu ungeschickt angestellt. Deine sanften Hände und unbeschreiblichen Augen bringen mein Herz noch immer aus dem Takt. Wenn ich an diese Nacht zurückdenke, bekomme ich Gänsehaut, die sich aus meinem Bauch heraus entwickelt und sich ganz langsam über meinen Körper legt.
    Du hast mich zur Frau gemacht, hast mich in das Spiel der Liebe eingewiesen. Deine süßlichen Küsse schmecke ich noch immer auf meinen Lippen, sie scheinen mich mit einer zarten Hülle zu umgeben. Ich bin froh, den Schatz der Jungfräulichkeit für den Richtigen aufbewahrt zu haben.
    Schade, dass du so schnell weg musstest. Ich hätte gerne noch mit dir gefrühstückt.
    Ich hoffe, dich sehr bald wieder zu sehen, all das Glück in mir scheint schon beinahe weh zu tun.


    In Liebe, Sarah



    Sarah,
    ich hab ja schon gehört, dass ihr Frauen aus dem ersten Sex immer so n riesiges Ding macht. Ich will’s mal so ausdrücken: Ich denke, es wäre besser, wenn wir wieder getrennte Wege gehen. Das mit der Liebe – du hast da wohl etwas falsch verstanden.
    Ach ja, und komm bitte nicht flennend zu mir oder grüße mich vor meinen Freunden.


    Tom

  • Der Haarreifen


    Anne kaute auf ihrem Bleistift herum. Schon wieder Mathe! Ihre Gedanken schweiften ab. Ob Stefan heute an die Glitzerbildchen gedacht hatte? Gleich in der Pause würde sie ihn fragen. Anne schob ihren Haarreifen zurecht. Er drückte furchtbar hinterm Ohr. Sie stieß Kathrin in die Seite: “Wie lange noch?“ „5 Minuten.“ Unendliche fünf Minuten. Anne verzog das Gesicht. Gelangweilt schrieb sie die Zahlenreihen an der Tafel- wofür auch immer die stehen mochten- ab und sah zu der neuen Mitschülerin Samira am Nebentisch hinüber. Wie komsich sie immer angezogen war. Ob sie überhaupt jemals Freunde finden würde? Anne kratzte sich am Kopf und setzte den störenden Haareifen auf ihrem Tisch ab. Da! Endlich ertönte der rettende Gong. Alle stürmten hinaus in die Pause.
    Auf dem Schulhof wurden Glitzerbildchen aus Stickerheften heraus und in andere hineingeklebt. Sticker tauschen war gerade sehr in und nahm die ganze Pause in Anspruch. Viel zu schnell mussten sich die Schüler der Klasse 4 b wieder auf ihren Plätzen im Klassenraum einfinden. Deutsch hieß diesmal das Fach, Frau Seifert die Lehrerin. Diese verkündete vergnügt, dass heute viel abgeschrieben werden müsse. Anne beugte sich schon über ihr Schulheft um zu schreiben. Doch etwas störte: die Haare fielen ihr andauernd ins Gesicht! Wo war der Haarreifen? Sie blickte auf ihren Tisch. Hatte er da nicht eben noch gelegen? „Hast du meinen Haareifen gesehen Kathrin?“ Die verneinte und schrieb weiter von der Tafel ab.
    Zu komisch.
    Sie sah sich weiter um.
    Da war er: auf Samiras Kopf! Dort drückte er bestimmt auch hinter den Ohren, aber immerhin an den flaschen. „Gib mir meinen Haareif wieder!“, rief sie Samira zu.
    Die schüttelte nur den Kopf: „Das ist meiner!“
    Anne wurde sauer. „Du spinnst wohl, den hatte ich eben noch auf! Bist du blind? Gib ihn her!“
    Frau Seifert mischte sich ein, konnte den Streit jedoch auch nicht schlichten. Also wurde das vermeindliche Corpus Delicti von ihr konfisziert und eine Mitteilunng an die Eltern geschrieben.
    Am nächsten Tag stand Anne mit stolz geschwellter Brust vor der Lehrerin Seifert und zeigte dieser das Schreibsel ihrer Mutter, welches bewies, dass Anne ihren Haareifen vermisste. Samira sagte nichts mehr. Anne warf ihr verächtliche Blicke über die Tische zu. Wäre sie nicht zu alt dafür gewesen, hätte sie ihr die Zunge rausgestreckt. Was der überhaupt einfiel?!
    Nach dem Unterricht kam Samira auf Anne zu. Jetzt würde Anne ihr aber gehörig die Meinung sagen!
    Statt dessen fing jedoch Samira an zu reden:„Es tut mir leid. Ich dachte, es wäre meiner. Ich habe auch so einen zu Hause.“
    Anne sagte nichts. Samira hielt ihren Blick gesenkt. Gerade als sie sich zum Gehen wenden wollte zog Anne sie am Ärmel zurück. „He, warte mal.“ „Ja?“ „Ist schon ok. Davon geht die Welt nicht unter.“ Wieder schwiegen sie.
    Stefan lief an ihnen vorüber und winkte mit kleinen glitzernden Bildchen. „Sag mal, magst du außer Haarreifen auch noch Sticker?“ Samira lächelte verlegen. „Ja, davon habe ich eine ganze Menge.“ Anne lächelte zurück. „Na, dann komm einfach mal mit.“




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