Gespensterlied - Wieland Freund (ab 10 J.)

  • Malte lebt in einem kleinen Dorf, seine Eltern führen dort das Wirtshaus. Vom Fenster seines Zimmers aus kann Malte Feldeisens Friedhof sehen, ein seltsames Grundstück, ein Privatfriedhof. Aber er kann sich nicht erinnern, dort je eine Beerdigung miterlebt zu haben. Eines Tages ändert sich das, Autos fahren vor, schwarzgekleidete Fremde stiegen aus. Ein Sarg wird gebracht. Malte kann seiner Neugier nicht widerstehen und beobachtet die Beerdigung von seinem Fenster aus. Das Ereignis ist ziemlich merkwürdig. Feldeisen, den alle für den Friedhofswärter halten, benimmt sich nicht wie einer. Auch die Trauergäste, allesamt Angehörige der Familie von Quast, sind ein wenig eigenartig.


    Kurz darauf lernt Malte den fast gleichaltrigen Gottfried von Quast kennen. Was Gottfried zu erzählen hat, verschlägt Malte erst einmal die Sprache. Um einen Familienfluch geht es und um diesen Feldeisen. Als Gottfried sich noch in der gleichen Nacht heimlich zum Friedhof aufmacht, um der seltsamen Sache nachzugehen, schließt Malte sich an. Glücklich ist er nicht darüber und bald erweist sich, daß er mit seinen dunklen Vorahnungen recht hatte. Auf dem Friedhof geschieht Gruseliges. Malte begegnet einem leibhaftigen, ja, was? Das Wesen stellt sich als Baldanders vor und gibt den beiden Jungen ein Rätsel auf. Noch seltsamer wird es, als Baldanders Gottfried und Malte eine Stuhl bringen läßt. [I]Die Zeit vergeht in Sitzen/I] erklärt er, grünlich schillernd, und ist verschwunden.
    Die beiden machen sich auf, das Rätsel zu lösen. Das aber will jemand verhindern, Feldeisen nämlich. Mit Feldeisen hart auf den Fersen, durcheilen Malte und Gottfried tatsächlich Zeit und Raum, um den Fluch von der Familie Quast zu lösen.


    Ein Prolog in der klassischen ‚Hätte ich nur geahnt ...’-Tradition und voller dunkler Andeutungen stimmt auf die nachfolgenden Ereignisse ein. Sie werden vom Ich-Erzähler Malte berichtet, denn er ist, wie er behauptet, der einzige, der von der Geschichte überhaupt noch weiß, auch das ein klassischer Einstieg in gespenstische Geschichten. Dem Anspruch echter Fantastik aber kann dieser Kinderroman nicht genügen, zu gezwungen kommen die Ereignisse der ersten gut fünfzig Seiten daher. Gearbeitet wird recht grob, die Figuren sind holzschnittartig, die Begriffe ‚Fluch’, ‚Dämonen’, ‚Zeitmaschine’ werden holterdipolter aufgetischt. Da gibt es nichts zu erschließen, da werden Weichen gestellt und los geht die Fahrt auf der handelsüblichen Geisterbahn.


    Gut und Böse sind klar verteilt und durchgängig recht klar erkennbar, Spannung ergibt sich vor allem aus der Frage, wann die beiden Antagonisten, Baldanders und Feldeisen aufeinaderprallen werden und wer dann de Colt schneller zieht. Das aber reicht durchaus, um die junge Leserschaft bei der Stange zu halten. Ein paar Wissensbrocken über Weimar, Goethe und den Dreißigjährigen Krieg in Magdeburg werden eingestreut, nicht die schlechteste Methode, um den Wissensvorrat Zehnjähriger schmerzfrei zu erweitern. Die Geschichte heben sie damit allerdings nicht über das normale Unterhaltungsniveau hinaus.


    Abgesehen von der erwartungsgemäß ablaufenden großen Dämonenschlacht, der man selbstverständlich ab Seite einundfünfzig entgegenfiebert, gibt es am Ende noch einen kleinen denkerischen Kniff, den der Autor allerdings gleich wieder auflöst. Diese Weigerung, den jugendlichen Lesern eben die dem Genre eigenen Zweifel zu lassen, ob das, was der Erzähler zu berichten hatte, nun wirklich geschehen ist oder nicht, hat dann wirklich etwas Gespenstisches. Sie zeigt die alte Kunst, eine klassische fantastische Geschichte zu erzählen, hier nur als Schatten einer Toten.


    Was bleibt, ist eine weitgehend nach den Normen der zeitgenössischen Unterhaltung ausgerichtete Dämonengeschichte, geradlinig erzählt, streckenweise durchaus fesselnd, mit ein wenig Witz und ein wenig Wissen garniert. Solides Futter für kleine Vielleser, an dem offenbar Mangel herrscht, denn das Buch erschien bereits 2004 in einer anderen Ausgabe.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus