'Der Turm' - Seiten 513 - 593

  • Wiederaufnahme der Leserunde ab 3.Januar 2013


    Ich bin noch nicht ganz fertig, aber der Abschnitt ist lang.


    Christians Briefe haben mich sehr verwundert, bzw. das, was er da schrieb. Die Post wurde doch kontrolliert bei der "Fahne", das muss ihm klar gewesen sein, wo doch alles andere kontrolliert wurde. An einer Stelle in einem Brief mutmaßt er selber, dass es sein könnte, aber es sei ihm egal. Das sit unrealistisch, bei dem was er schon erlebt hat.



    Sehr seltsam ist der Besuch beim Schriftsteller Eschschloraque, irgendwie surreal, der Schlagabtausch zwischen ihm und seinem Sohn erst recht.


    Ich kämpfe mit dem Weiterlesen :-( , denn das Buch ist für mich stellenweise schon recht heftig. So vieles geht mir durch den Kopf.

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Die Ausreise von Regine ging so schnell, so plötzlich...Ob das wirklich so gelaufen ist, kann ich nicht sagen. Ich kenne niemand, der ausgereist ist. Dieses Kapitel finde ich sehr stark, den Wechsel zwischen den letzten Augenblicken auf dem Bahnhof, wo man sich nicht mal mehr richtig verabschieden konnte, und der Wiedereröffnung der Semperoper mit Politprominenz aus Ost und West mit Richard mittendrin. Diese Verlogenheit, dieses Zur-Schau-Stellen...
    Wirklich sehr gut geschrieben und außergewöhnlich!



    Zitat

    Original von thusnelda
    Die Beschreibung der Wohnungssituation finde ich schon stark übertrieben. SO war es in der Provinz definitiv nicht und auch meine Sippe in Dresden hat das so nicht beschrieben, aber gemeinsame Klos auf halber Treppe und Wasser nur auf dem Flur noch in den 80er Jahren im Altbau.


    Meine erste eigene Wohnung hatte Klo halbe Treppe, mit noch einer Frau zusammen, mit der ich mit auch den Flur geteilt habe. Teilwohnung nannte man das - gemeinsame Wohnungstür, gemeinsamer Flur, von dem ab die Türen zu den eigenen Zimmern auf der entsprechenden Seite des Flures abgingen Die Miniküche ohne Fenster hatte zwar Gas, aber keinen Wasseranschluss. Das gab es nur auf dem Flur. Mit dem Ofen im Wohnzimmer musste ich die ganze Wohnung beheizen.Und ich war froh, dass ich diese Wohnung bekommen hatte.
    Viele Wohnungen waren nicht so schlimm wie die beschriebenen Zustände, sehr viele aber auch nicht. Ich finde es nicht übertrieben.

  • Wieder ein sehr guter Abschnitt - mit Ausnahme dieser seltsamen Szene bei dem unausprechlichen Autor.


    Die Briefe fand ich auch sehr gut und richtig lustig, kann mir aber auch nicht vorstellen, dass jemand a) sich das traute und b9 dazu nach den Strapazen noch die Lust hatte. Etwas davon habe ich zwar auch bei der Bundeswehr erlebt. Vor allem im psychologischen Bereich, der körperliche Anteil war aber nicht halb so anstrengend wie von Christian geschildert.
    Mich wundern auch die permanent verwendeten englischen Begriffe. "Never ever" und ähnliches. Das war doch bestimmt nicht Alltagssprache, oder?


    Schlimm, dass Meno und Anne den russischen Soldaten Essen bringen wollen und sofort vom Kellner an die Vopos verpetzt werden. Man konnte halt niemanden trauen bzw. viele wollten sich durch Denunziation selbst Vorteile verschaffen. In dem Zusammenhang fällt mir noch ein schöner und sehr wichtiger Satz aus einem der ersten Abschnitte ein "Sie fürchten die Liebe, denn dagegen sind sie machtlos." Mißtrauen und Mißgunst ist aber genau der Boden, auf dem das Stasi-System gedeihen konnte.


    Zur Wohnungssituation weiß ich nur beizutragen, dass ich 1996 ein Praktikum bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen gemacht habe. Ein Auftrag führte uns nach Mäc Pomm und da durfte ich nebenbei mal Wohnungsakten aus den 70ern und den 80ern lesen. Sehr interessant war das. Die Wohnungen waren in den sogenannten Neubauten oder Wohnscheiben, was eher als Plattenbau bekannt ist. Sinngemäß hieß es: "Fließend Wasser haben wir aktuell nur an den Wänden, aber nicht im Waschbecken. Der Fahrstuhl ist schon seit Wochen defekt. Der Balkon schon ewig nicht zu hören. Alle Geräusche unserer Nachbarn können wir durch unsere Wände hören ..." usw. Es ist aber zu bedenken, dass in solchen Akten ja nur die Kritik steht und nie das Lob. Es gab sicher auch viele gute Neubauwohnungen, denn es war ja in der DDR fast ein Hauptgewinn, eine Wohnung im Plattenbau überhaupt zugewiesen zu bekommen. Die Substanz in den Altbauten war oft noch viel schlimmer. Toiletten im Treppenhaus gab es in den 70ern aber auch noch oft in West-Berlin.


    Zum Thema NVA fällt mir noch ein Buch von Leander Haußmann ein. Dies ist auch verfilmt, versucht aber eher, dass ganze ein wenig humorvoll und als Komödie darzustellen und reicht meiner Meinung nicht an den Fassonschnitt von Jürgen Fuchs heran.

  • Zitat

    Original von xexos
    ...
    Mich wundern auch die permanent verwendeten englischen Begriffe. "Never ever" und ähnliches. Das war doch bestimmt nicht Alltagssprache, oder?


    Ich kann da nur von den späten 80er Jahren sprechen. "Never ever" haben wir nun gerade nicht verwendet, aber in der Zeit schlichen sich unter uns Jugendlichen immer mehr englische Wörter in die Unterhaltungen, und auch die Lehrer akzeptierten sie, will heißen, dass wir auch so reden durften.



    Zitat

    Zur Wohnungssituation weiß ich nur beizutragen, dass ich 1996 ein Praktikum bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen gemacht habe. Ein Auftrag führte uns nach Mäc Pomm und da durfte ich nebenbei mal Wohnungsakten aus den 70ern und den 80ern lesen. Sehr interessant war das. Die Wohnungen waren in den sogenannten Neubauten oder Wohnscheiben, was eher als Plattenbau bekannt ist. Sinngemäß hieß es: "Fließend Wasser haben wir aktuell nur an den Wänden, aber nicht im Waschbecken. Der Fahrstuhl ist schon seit Wochen defekt. Der Balkon schon ewig nicht zu hören. Alle Geräusche unserer Nachbarn können wir durch unsere Wände hören ..." usw. Es ist aber zu bedenken, dass in solchen Akten ja nur die Kritik steht und nie das Lob. Es gab sicher auch viele gute Neubauwohnungen, denn es war ja in der DDR fast ein Hauptgewinn, eine Wohnung im Plattenbau überhaupt zugewiesen zu bekommen. Die Substanz in den Altbauten war oft noch viel schlimmer. Toiletten im Treppenhaus gab es in den 70ern aber auch noch oft in West-Berlin.


    Wer in einer Neubauwohnung im Plattenbau wohnte, der hatte schon Glück (oder wohl eher nicht, aus meiner Sicht, aber jeden, wie er mag). Das Problem in den schönen Altbauwohnungen war, dass dort absolut nichts gemacht wurde, baulich. Ein Plattenbau hatte den Vorteil, dass er wesentlich schneller zusammengebaut war, dass die Wohnungen Heizung hatten und eigenes WC für jede Wohnung etc., zumindest die Platten aus dem letzten Jahrzehnt der DDR.



    Zum Thema NVA fällt mir noch ein Buch von Leander Haußmann ein. Dies ist auch verfilmt, versucht aber eher, dass ganze ein wenig humorvoll und als Komödie darzustellen und reicht meiner Meinung nicht an den Fassonschnitt von Jürgen Fuchs heran.[/quote]

  • Zu Kapitel 37: Was wurde da jetzt eigentlich gespielt? Eine Komödie? Ping-Pong mit vor Häme und zerstörerischem Witz triefenden Bällen? Wie der Vater, so der Sohn? Ach nein, das hieß: Wenn der Vater mit dem Sohne … Ich habe mich gefragt, ob sie die Treffer eigentlich noch bemerken, ob sie sehen, wie die Wunden bluten. Dass Dichter Eschschloraque Parolen nachplappert … nun gut, auch das hatten wir, haben wir und werden wir weiterhin haben. Der Vater hat sich ja noch recht gut positioniert, aber Sohn Albin scheint mir etwas selbstzerstörerisches an sich zu haben. Leise schlich sich mir in die Gedanken: Was wird aus dem Spiel, wenn einer der Teilnehmer nicht mehr mittun kann?


    Zu Kapitel 38: Christians Angst zu „verblöden“ (Seite 528) kann ich ziemlich gut nachvollziehen, aber wie soll das vonstatten gehen, wenn er die Bücher zurückschicken muss, wenn das Lesen als negativ angesehen wird (sh. Kapitel 39, Seite 553), wenn er sich, will er überleben, irgendwie anpassen muss?
    Der Vergleich Seite 532 („... Duft nach altem Brieftaschenleder, der aus den Lamellen von Pilzen stieg...“) hat mich ziemlich verdutzt und ratlos gemacht: Hat jemand schon mal solches gerochen? Nicht, dass es sonderlich wichtig wäre für Verständnis oder Fortgang des Romans, es ist mal wieder eines dieser kleinen Details, bei denen ich hängen bleibe, über die ich mich freue, die sich so leicht nicht wieder aus meinen Gedanken verscheuchen lassen.


    Die Briefe von Christian in Kapitel 39 – auch wenn sie in der Realität nicht hätten geschrieben, abgeschickt oder empfangen werden können – finde ich eine sehr gute Lösung, die sicherlich vorhandene Verstörung des Jungen (den ja schon der Lärm in der Diskothek zu schaffen machte) darzustellen und seine bemerkenswerten Versuche, das auf ihn Einstürmende zu verarbeiten. Der Witz reizt zum Lachen, selbiges bleibt aber allzu oft im Halse stecken. Armer Kerl! Und armer Burre!
    Edit fragt sich, ob Christian die Briefe so, wie sie sind, auch schreibt, um seinen Verstand "geschmeidig" zu halten.


    Herzlich lachen – und dazu noch ohne jedes Herzklopfen oder schlechtes Gewissen – musste ich aber über die Beschreibung in Kapitel 40 Seite 560 unten, 561 oben. Zur Nachahmung … empfohlen? Interessant aber, wie wichtig Altberg gewesen sein muss - nicht nur zwei Telefone, sondern gar zwei Anschlüsse.


    Seite 572 in Kapitel 41 bringt eine Ahnung, dass etwas im Schwange ist, es scheint etwas vorzugehen („im Land“), womit sicherlich nicht die Einweisung des Ehepaares Honich ins Tausendaugenhaus gemeint ist. Seite 579 die nächste Andeutung, diesmal betrifft es Moskau. Es begann zu sieden; wie es weiterging, wissen wir.
    Regine wird ausgewiesen/ausgebürgert. Das, worauf sie gehofft hat, ist eingetreten. Wie es ihr und den Ihren ergehen wird, werden wir wohl höchstens in Form von Briefen erfahren oder Telefonaten.


    Die Diskrepanz in Kapitel 42: Hier die Pracht, der Stolz auf die Oper, das Moment, der Welt zu zeigen, dass man doch wer war, dort die Kleinlichkeiten und Besorgnisse des Alltags; hier das Prunken und die Vorstellung von Wärme, dort das Grau und das Dunkle des Alltags und das Frieren im Wind.
    Perfide, eine gut gemeinte Geste sofort als zu untersuchenden Tatbestand zu sehen (Seite 593, 594 oben) – auch etwas, was Allgemeingültigkeit hat.

  • So, gestern Abend beendete ich auch diesen Abschnitt, endlich komme ich ein wenig voran, nach einem Jahr :zwinker:


    Die Szene mit dem Fisch fand ich schon ein wenig ekelhaft, und was sollte uns diese Szene sagen? Dieses Buch macht es einem schon manchmal schwierig in den teilweise überfrachteten Beschreibungen, einen genauen Sinn zu erkennen.


    Eschloraque und sein Sohn haben schon eine komische Art sich zu streiten, einerseits wirkte es recht amüsant doch andererseits war es schon etwas merkwürdig, wie hochtrabend sie sich dabei ausdrücken müssen.


    Christians Briefe, die er während seiner NVA-Zeit schreibt, boten ein wenig Abwechslung, nach seiner langen Beschreibung seines Abschieds von Zuhause. Der rauhe Umgang währe ehrlich gesagt auch nichts für mich und Burre bietet für die anderen ein gutes Opfer, obwohl er mir schon sehr leit tat, so wie er behandelt wurde. Aber anscheinend ist es wie überall, die "Schwachen" sind meistens die Opfer, auf denen rumgetrampelt wurd, das war damals schon so und bis heute hat sich daran nichts geändert.


    Die Stelle als Theaterarzt scheint ja sehr heiß begehrt zu sein, ich wusste noch gar nicht, dass so eine Stelle damals überhaupt gab, das war mir neu. Ich hatte gerade mal recherchiert, so eine Stelle scheint es in manchen Theatern immer noch zu geben.


    Regine darf aussreisen, muss dies aber in Windeseile tun. Gehört habe davon schon, dass Leute, denen die Ausreise genehmigt wurde, es oft rasend schnell tun mussten. Wer weiß, vielleicht wollten die Behörden den Ausreisenden Steine in den Weg legen, so dass es ihnen vielleicht doch nicht gelingt, sich davon zu machen und am Ende doch in der DDR weiterleben mussten. Aber dass Anne eines Fluchtversuchs bezichtig wird, da war ich schon sehr erschrocken, sie wollte doch nur etwas Gutes tun und nun hat sie den Salat.


    Zitat

    Original von xexos
    Zusammenhang fällt mir noch ein schöner und sehr wichtiger Satz aus einem der ersten Abschnitte ein "Sie fürchten die Liebe, denn dagegen sind sie machtlos." Mißtrauen und Mißgunst ist aber genau der Boden, auf dem das Stasi-System gedeihen konnte.


    Darauf basieren doch viele Diktaturen, anders können diese Regierungen die Leute nicht lange im Land halten, am Ende ist die DDR doch unter anderem daran gescheitert, abgesehen davon dass sie auch finanziell am Abgrund stand.


    Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es weitergeht.