Kaum erlaubt - Katarina von Bredow (ab ca. 13 J.)

  • OT: Knappt lovligt 1996



    Hannas Mutter will umziehen. Schon wieder einmal. Hanna kennt das schon und hat die Umzüge bislang auch geduldig ertragen. Aber was Veronika nun vorhat ist doch wohl too much. Sie will aufs Land ziehen, in die reine Natur. Geir, Hannas Stiefvater, nimmt es mit der ihm eigenen Gelassenheit hin. Hanna aber ist sauer. Nicht nur, daß sie von nun an morgens und nachmittags eine Stunde Fahrzeit mit dem Schulbus auf sich nehmen muß, nein. Mit dem Bus fährt auch Sara. Sara, das Landei. Nicht auszudenken, was passiert, wenn Sara etwa anfinge, deshalb mit Hanna zu reden. Mit einem Landei kann man sich auf dem Schulweg doch nicht sehen lassen. Nicht wenn man mit Linn befreundet ist. Linn ist Abenteuer pur. Jeder hat Angst vor ihr und will zugleich in ihrer Nähe sein. Linn weiß, was angesagt ist, seien es Kleider, seien es Partys. Richtig befreundet ist sie aber nur mit Hanna, und das soll auch so bleiben. Linn tauscht man doch nicht ein gegen Bäume und Kühe und eine heruntergekommene Holzvilla!


    Veronika hat, wie üblich, kein Ohr für Hanna. Hanna schmollt. Und natürlich fängt Sara an, mit ihr zu reden. Hanna grollt. Aber zum Dorfladen begleitet sie Sara dann doch, das muß ja keiner aus der Schule erfahren.
    Im Dorfladen passiert es dann auch, Hanna wird vom Blitz getroffen. Schuld daran ist Arild, ein eingewanderter Norweger, wie ihr Stiefvater. Ein Traum von einem Mann, allerdings fast doppelt so alt wie Hanna und Schweinezüchter. Auf einmal bekommt das Landleben für Hanna eine völlige andere Bedeutung. Doch die Stadt und Linn lassen sich ebensowenig so einfach abschütteln, wie Arild sich bewegen läßt, seine Distanz zu Hanna aufzugeben. Hanna muß ihre Gefühle für alle beteiligten Personen ganz neu sortieren, ehe sie begreift, was ihr wirklich wichtig ist.


    Die Geschichte der fünfzehnjährigen Hanna enthält auf den ersten Seiten bereits soviele widersprüchliche Elemente, daß man sich fragt, wie die Autorin daraus bloß eine schlüssige Geschichte machen will. Das Wunder gelingt, allerdings mit einigen denkerischen Tricks, die etwas anfechtbar sind.
    Ausgezeichnet getroffen ist zunächst der Teenageralltag, mit seinen angeblich so unverrückbaren Gesetzen für Verhalten, Kleider und Freundschaften. Für Hanna ist es sehr wichtig, jemand zu sein, Bedeutung zu haben, bewundert zu werden. Das liegt nicht nur an ihrem Alter, sondern hat vor allem damit zu tun, daß sie zwar eine liebenswerte und durchaus liebevolle Mutter, die jedoch stark von Stimmungen abhängig ist und als erfolgreiche Schriftstellerin zeitweise nicht ansprechbar. Geir, der geradezu beispielhafte Stiefvater, kann die Lücke nicht ausfüllen.


    Dafür ist Linn da. Im Verlauf der Geschichte stellt sich jedoch heraus, daß der Grund dieser Freundschaft weniger die gegenseitige Zuneigung ist, als vielmehr ein Geheimnis, das die beiden hüten. Wie Hanna ihr Verhältnis zu Linn klären lernt, ist ein weiterer sehr überzeugender Handlungsstrang in diesem Buch.
    Lebensecht wirkt zunächst auch die Beschreibung der neuentstehenden Beziehung zwischen Hanna und Sara. Bald aber wird die Geschichte zu glatt, Sara ist zu geduldig, freundlich, friedfertig für eine Fünfzehnjährige. Daß sie von den anderen ausgeschlossen wird und von Hanna dann mehr als schroff abgewiesen, scheint ihr nicht das Geringste auszumachen. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte auf dem Land ist es dann letztlich auch, die das Ganze bei aller Realitätsnähe (Schweine!) aus einem alltagsnahen Teenagerroman in einen ziemlich rosaroten Liebesroman verwandelt. Die Beziehung zu Arild, in der Hanna dann ihre Liebesgefühle auch umsetzen darf, verlagert die Geschichte tatsächlich in ein romantisches Niemandsland.


    Es ist Bredows Kunst zu verdanken, daß man die Personen trotzdem akzeptiert, ihnen nachfühlt und auch mitfühlt. Linns Geschichte nimmt der Gesamthandlung die immer wieder drohende Süßlichkeit, die Direktheit, mit der erzählt wird, läßt eine Veronikas Exzentrik bis zur Verantwortungslosigkeit hinnehmen und auch Hannas zeitweises Versagen gegenüber Linn. Selbst die blasseren Figuren, wie Geir und Sara, scheinen auf den ersten Blick einfach bodenständig zu sein, nicht nur schwach gezeichnet. So wird dann doch ein richtiger Roman daraus.


    Es ist eine spannende Geschichte, von beträchtlichem Tempo, mit Überzeugung erzählt, aber im Kern ein recht romantischer Teenager-Liebesroman, der leider genau dem Problem, das die Liebe zwischen einer Minderjährigen und einem älterem Mann mit sich bringt, ausweicht.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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