Klappentext/Kurzbeschreibung des Buches:
Die Publikation dieses großen deutschen Nachkriegsromans war eine Sensation. In keinem anderen Roman sind die Gründerjahre der DDR so ungeschönt, mit reißend und so literarisch gelungen dargestellt. Dreißig Jahre nach seinem Tod wurde mit Werner Bräunig ein Autor von hohem Rang wiederentdeckt - einer jener Frühverstorbenen, die ein außer ordentliches Werk hinterlassen.
Angaben über den Autor:
Werner Bräunig wurde 1934 in Chemnitz geboren. Nach umtriebigen Jugendjahren arbeitete er in Fabriken und Bergwerken, darunter im Uranbergbau der Wismut AG. 1965 wurde auf dem berüchtigten 11. Plenum der SED ein Vorabdruck aus dem Roman "Rummelplatz" so heftig angegriffen, dass der Roman nicht mehr erscheinen konnte. 1976 starb Werner Bräunig in Halle mit 42 Jahren.
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Eigene Meinung:
Mit „Rummelplatz“ ist mir unerkannt ein Spiegel-Bestseller in die Hände gefallen. Vieles wurde über dieses Buch schon geschrieben, der Autor mit Grass und Walser verglichen. Ich hatte noch nichts davon gehört, als ich zu lesen begann, und wurde deshalb unbelastet von großen Erwartungen in dieses Buch hineingezogen: „… ein müder Wind schlich über die Äcker, schlurfte durch die finsteren Städte des Jahres vier nach Hitler, kroch im Morgengrauen ostwärts über die Elbe, stieg über die Erzgebirgskämme, zupfte an den Transparenten, die schlaff in den Ruinen Magdeburgs hingen …“ – und schon mit dem ersten Satz hatte es mich.
Es sind Erzählstränge und Episoden über die Menschen im Nachkriegsdeutschland – dem im Westen und vor allem dem im Osten, über ihre Sorgen, ihre Erkenntnisse und ihre Entwicklungen, die hier miteinander verknüpft werden und einmal ein Großes Ganzes ergeben sollten. Dazu ist es nicht gekommen, denn der Roman wurde zu DDR-Zeiten nie veröffentlicht und blieb unvollendet. Das Manuskript wurde lange nach dem Tod Werner Bräunigs überarbeitet und der Roman 2007 aufgelegt. Und so ist es vielleicht etwas Großes geworden, aber ein Ganzes ist es nicht. Band 1 endet mit den Ereignissen um den 17. Juni 1953, Band 2 wurde wohl nie geschrieben. Dafür gibt es im Anhang andere Textversionen zu einzelnen Kapiteln; es lässt sich erahnen, wie der Autor mit seinem Stoff und dessen Umsetzung gerungen haben muss. Er schildert das Leben und Arbeiten, die Hoffnungen und die Hoffnungslosigkeit, den Kampf um einen Platz in der Gesellschaft, die Missgeschicke und Glücksmomente seiner Protagonisten so wortgewaltig und mächtig, dass ich das Buch anfangs nur in kleinen Portionen lesen konnte. Die Arbeit unter Tage im Uranbergbau bei der Wismut, das raue Männerleben, das Beherrschen der riesigen Maschinen in der Papierfabrik, die politischen Diskussionen, das Belauschtwerden, der Mangel an Fachwissen und Material, die Mitläufer, Schleimer, Parteisekretäre, die echten Kommunisten, alten Hasen, Saboteure, Nutznießer, Schläger und der Rummelplatz – Ort der bunten Lichter und der Katastrophen - werden so lebendig, dass es kaum auszuhalten ist.
Die inneren Monologe der Protagonisten reflektieren zwar ausführlich das Zeitgeschehen, die Gedanken und Gefühle, hätten aber für meinen Geschmack kürzer und weniger zahlreich ausfallen können. Viele Szenen bleiben Fragmente, Skizzen. Die Entwicklung der Figuren und des Romans ist unfertig, und vielleicht spiegelt gerade dies das Unfertige, nicht zu Ende Gedachte der jungen Deutschen Demokratischen Republik wider. Bräunig beleuchtet seine Umwelt aus den verschiedensten Blickwinkeln, stellt unbequeme Fragen und bleibt oft die Antwort schuldig. Vermutlich gibt es auch keine endgültigen Antworten. Es bleibt dem Leser überlassen, noch lange darüber nachzudenken – das werde ich ganz sicher tun. Und das Buch irgendwann noch einmal lesen.