ALLES von Tanith Lee

  • „Ihr habt vielleicht schon Geschichten von Männern gehört, die gegen Drachen gekämpft und sie getötet haben. Alles Lügen. Es gibt keinen lebenden Schwertkämpfer, der einen Drachen besiegt hat, dafür ein paar tote, die es versucht haben.“


    Tanith Lee bei wikipedia.


    Homepage


    Gute Bibliographie in Englisch


    Ich habe Tanith Lee als Teenager entdeckt, in den 80ern wurde sie ja recht gerne verlegt. Kürzlich wollte ich mir anschauen, was aktuell so läuft und musst feststellen, dass gegenwärtig kein Buch von ihr verlagsseitig erhältlich ist, die letzte Übersetzung stammt von 2002. Fast alle damals erschienen Bücher gibt es antiquarisch fast zum Nulltarif.
    Kurze Nachforschung ergab, dass sie noch lebt und sogar nicht wenig schreibt, aber nichts ins deutsche übersetzt wird. Dafür viel ins französische. Ich kann kein Französisch.


    TL schreibt vorwiegend phantastische Literatur – Horror, Fantasy, Science Fiction. Was auffällt, ist, dass sie sehr unkonventionell mit den Elementen dieser Gattungen umgeht und damit ihren eigenen Stil kreiert. Diese Eigenständigkeit macht ihre Geschichten interessant, aber auch unberechenbar.


    „… Daher brachte dieses Dorf wie viele andere ein Opfer hinaus, ein Mädchen, das man an einen Pfosten fesselte und dort zurückließ, und der Drache holte es sich. Warum auch nicht? Sie war hilflos, besinnungslos vor Angst und jung und zart dazu. Perfekt. Man würde die Leute nie davon überzeugen können, daß sie durch diese Opfer den Drachen nicht besänftigten, sondern im Gegenteil zum Bleiben verlockten.“


    Nachdem ich vorgestern ein ihrer älteren Kurzgeschichten gelesen habe – Draco, Draco – schien es mir jetzt angebracht, etwas Werbung zu machen und gleichzeitig alles, was hier von ihr herumliegt, nochmal zu lesen und darüber zu berichten. In der erwähnten Kurzgeschichte geht es um einen Schwertkämpfer, irgendwann zu spätrömischer Zeit im Norden des Reiches, der zufällig Gelegenheit erhält, gegen einen Drachen zu kämpfen (damals gab es ja noch welche). Erzählt wird die Geschichte von einem fahrenden Baader, der den zufällig pferdlos gewordenen Helden quasi per Anhalter mitnimmt, den Drachenkampf miterlebt und auch ein wenig eingreift.
    Sehr unterhaltsam, weise und urkomisch.


    Die 25-seitige Geschichte ist in einem Sammelband, der antiquarisch für 2.- Euro zu finden sein sollte (und soviel ist allein schon die Story von Tanith Lee wert).


    Weitere Buchempfehlungen zu Tanith Lee folgen innerhalb dieses Threads.

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • TL ist bekannt für ihre Variationen alter Mythen, Märchen und Sagen. Ob „Volkhavaar der Magier" eine alte Geschichte zu Grunde liegt, ist mir nicht bekannt, könnte aber sein. denn der Stoff ist durchaus klassisch. Geschildert wird der Aufstieg des Schwarzmagiers Volkhavaar und sein Sturz durch ein Sklavenmädchen, das sich in einen durch ihn verfluchten Schauspieler verliebt und mit Hilfe einer vampirischen Hexe ebenfalls magische Kräfte erlangt.


    Der Plot hat schon einen Bart, aber die Qualität des Büchleins liegt im Detail.
    So spielt die Geschichte offensichtlich im mittelalterlichen Osteuropa, Vampirismus gilt als Plage und wird durch Priester exorziert. Im Verlauf der Geschichte erlangt das Sklavenmädchen die Fähigkeit, ihre Seele vom Körper zu trennen und als Geist loszufliegen. Zwangsweise nistet sie sich als Gast in einer Katze ein und muss sich mit dieser bei den alltäglichen Verrichtungen arrangieren.


    Zu sagen ist noch, dass die Geschichte gnadenlos romantisch niedergeschrieben ist, nicht ohne Humor einerseits und düsterste Gruselstimmung andererseits daherkommt und auch durch das melancholische Ende überrascht.
    Mir persönlich waren die düsteren Budenzauber des Magiers manchmal zu ausführlich beschrieben. Besonders gelungen fand ich die zeitlich sehr verdichtet verfassten Passagen über Volkhavaars Kindheit und Jugend und seine Verwandlung vom Looser zum mächtigen Bösewicht.
    Feines Büchlein, 219 Seiten, schnell gelesene Bettlektüre.

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • Das wohl im deutschsprachigen Raum zu den meistungelesenen Büchern Lees gehörende Cyrion ist eine Sammlung von sieben Erzählungen und einem Kurzroman über den gleichnamigen Helden. Angesiedelt sind die mit Zauberern, Hexen, Dämonen, Geistern und anderem übernatürlichen Volk bis zum bersten angereicherten Erzählungen in einem Setting, das am ehesten den Erzählungen aus 1001 Nacht ähnelt, irgendwo im mittelalterlichen Nordafrika und Nahem Osten.
    Der unbezwingbare Held Cyrion zeigt sich als Mischung aus Sherlock Holmes, James Bond und Fantomas. Mit arroganter Lässigkeit behebt und beseitigt er die verzwicktesten Probleme.
    Die sieben Erzählungen - haarsträubende Detektiv- und Abenteuergeschichten - werden von einer Rahmenhandlung zusammengehalten, die dann in den abschliessenden Roman mündet.


    1. Cyrion in Wachs
    Cyrion lässt sich in einen Zweikampf mit einem mächtigen Zauberer verwickeln, der den Helden mit einer Wachs-Voodoo-Puppe bedroht. Sowas geht natürlich schief.
    2. Ein Held vor den Toren
    Eine Wüstenstadt wird von einem schrecklichen Ungeheuer terrorisiert, das in den Katakomben lebt. Bei den Terroristen handelt es sich aber um ganz andere Leute, was Cyrion - nicht der Leser - gleich durchschaut und entsprechend handelt (für den Leser punktuell überraschend, Erklärung folgt).
    3. Für eine Nacht
    Vier Geister bitten Cyrion, unter ihnen einen Mörder zu überführen. Die Geschichte erinert stark an Kurosawas Film-Klassiker Rashomon.
    4. Cyrion in Bronze
    Bizarre Geschichte über den Kampf gegen sich selbst.
    5. Der Assassine
    Eine Verkleidungstechniktrick-Geschichte über einen Attentäter, der gegen Cyrions Hilfe unerkannt in eine Stadt eindringen will. Für meinen Geschmack die schwächste Erzählung.
    6. Gefangen im Bernstein
    Hier versucht jemand, mit Hilfe eines Zauberrings seine Frau zu beseitigen, um an ihr Vermögen zu kommen. Cyrion soll dabei Zeuge seiner Unschuld sein, aber Cyrion Holmes durchschaut natürlich den Trick. Die Charakterisierung der lispelnden, querschnittgelähmten Ehefrau des Bösewichts gehört zu den Highlights des Buches.
    7. Ein Luchs unter Löwen
    Die Beste und modernste Erzählung über einen Vatermord, aber eigentlich geht es um Traditionen und Werte im Umbruch. Das Leben im traditionellen Wüsten-Nomaden-Stamm gegen städtische Zivilisation.
    8. der Kurzroman Cyrion in Stein
    Hier geht es um eine Hexe, die ihren wohlhabenden Cousin zur Ehe zwingen und anschliessend zwecks Erbschaft seines Vermögens umbringen will. Dummerweise sind ihre Absichten von Anfang an bekannt und der genötigte Gatte bittet Cyrion um Beistand.


    Die Geschichten lassen sich alle locker lesen, sind nicht ohne Tiefgang und damit - wie ein Rezensent auf der US-Amazon-Seite bemerkte - beste Pulp Fiction.
    Schade, dass niemand das Buch kennt, das Cover finde ich auch nicht so reizend.
    Nach zwei Geschichten fand ich den Zufall etwas arg bemüht, nach der dritten Geschichte wird jedoch klar, dass das Teil des Konzepts ist. Nachdem zunehmend klar wird, dass Cyrion unkaputtbar ist, wird Spannung nicht mehr daraus bezogen, ob alles gut ausgeht, sondern es entsteht lustvolle Spannung auf die Höllenfahrt der Bösen.


    Wie bei Tanith Lee üblich top aussergewöhnlich.

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von aadam ()

  • Ich fand das Buch "Die Macht des Einhorns" von Tanith Lee als ich jünger war, unglaublich beeindruckend.
    Ein wunderschöner, zauberhafter Schreibstil. Man bekam einfach nicht genug von der Geschichte. Habe das Buch immer noch und werde es demnächst mit Sicherheit wieder lesen. :-]


    Hier die Kurzbeschreibung von amazon.de:


    ie 16-jährige Tanaquil bewohnt mit ihrer Mutter, der Zauberin Jaive, eine Burg inmitten einer endlosen Wüste. Anders als Jaive besitzt Tanaquil keine magischen Fähigkeiten, dafür jedoch die Gabe, Dinge zu reparieren und Instand zu halten. Von ihrem Vater weiß sie nichts, denn ihre Mutter hat sich vor langer Zeit von ihm losgesagt. Das Mädchen fühlt sich auf der einsamen Burg völlig fehl am Platz und sehnt sich nach Freiheit und Abenteuer. Eines Tages entdeckt sie im Wüstensand das verwitterte Skelett eines Einhorns, das dort einst aus Einsamkeit gestorben ist.


    Sie setzt die Knochen zusammen, und ihre chaotische Mutter erweckt das mächtige Wesen versehentlich zum Leben. Mit einem Schlag ändert sich Tanaquils Leben. Einer plötzlichen Eingebung folgend geht sie mit dem Einhorn in die Wüste, und begleitet von einem sprechenden Grummel -- einem pelzigen Wüstentier -- begibt sie sich auf eine gefährliche Reise, um die Heimat des Einhorns, eine vollkommene Welt zu finden.