Solange du lebst – Louise Erdrich

  • Verlag: Insel, 2009
    Gebundene Ausgabe: 396 Seiten


    Originaltitel: The Plague of Doves
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Chris Hirte


    Kurzbeschreibung:
    Pluto, North Dakota, eine Stadt am Rande des Chippewa-Reservats. Indianer oder Einwanderer, alle sind hier miteinander verbunden, durch Arbeit, Liebe, Freundschaft, Blutsbande - und durch die schwere Hypothek einer gemeinsamen Geschichte. Wie ein dunkler Schatten liegt die Erinnerung an eine Bluttat, begangen 1911 an einer weißen Siedlerfamilie, und deren brutale Vergeltung, verübt an vier unschuldigen Indianern, auf den Menschen. Wie gehen die Buckendorfs und Wildstrands, Nachkommen der weißen Täter, mit der Schuld ihrer Väter um? Findet Sister Mary Anita Buckendorf Erlösung im Kloster? Warum erschrickt der Indianer Mooshum zu Tode, als seine Enkelin Evelina die Schuhe von "Holy Track" von einem Besuch bei Sister Mary Anita mit nach Hause bringt? Atemlos lauscht Evelina den Berichten ihres Großvaters Mooshum, des großen Geschichtenerzählers und Legendenbewahrers.
    Louise Erdrich erzählt die Geschichte einer Stadt: von einem dunklen Geheimnis, das seit fast einhundert Jahren auf den Menschen lastet. Sie spielt mit vielen Genres - Liebesroman, Abenteuerroman, Episodenroman - und verknüpft sie zu einem Porträt der Generationen, einem kraftvollen, farbigen, bewegenden Panorama von Leidenschaft, Schuld und Sühne."


    Über den Übersetzer
    Chris Hirte übersetzte unter anderen schon Andrew Kaufmann, Kevin Brockmeier, Faye Kellermann, William Boyd, Ken Saro-Wiwa, Alberto Manguel, Michelle Paver und Jonathan Franzen. Er ist ein Garant für gelungene Übersetzungsarbeit.


    Über die Autorin:
    Louise Erdrich ist eine der bekanntesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Einige ihrer Romane wie "Liebeszauber", "Die Rübenkönigin" oder "Die Antilopenfrau" wurden auch in Deutschland zu Bestsellern. Louise Erdrich lebt mit ihren vier Töchtern in Minnesota.


    Meine Meinung:
    Der Roman besteht aus vielen, lose miteinander verbunden Episoden, die teilweise auch schon vorher in Magazinen wie Atlantic Monthly und The New Yorker erschienen sind.
    Diese Art zu schreiben hat Louise Erdrich schon mehrfach angewendet und ob einen das zusagt, ist Geschmackssache. Ich mag es – bedingt!
    Es geht um Familien in einer kleinen Stadt nahe einem Reservat in North Dakota. Wichtige Hauptfiguren sind Indianer, Weiße oder gemischt.
    Mit dem Wechsel der Erzählperspektiven ändert sich auch jeweils die Stimmung. Ist in dem langen anfänglichen Part, der viele Kapitel beinhaltet, das junge, selbstbewusste Mädchen Evelina Harp die erzählende Hauptfigur und die Atmosphäre dadurch lebhaft und positiv, sind die Abschnitte mit Richter Antoine Coutts ganz anders gefärbt. Bei dem Teil Marn Wolde geht es noch verhaltener und pessimistischer zu.
    Die Perspektiven wechseln noch mehrmals, hinzu kommen Erzählungen aus der Vergangenheit, die Evelina zum Beispiel von Mooshum, ihrem indianischen Großvater berichtet werden.


    Mit diesen verschiedenen Blickwinkeln gelingt es der Autorin ein großes Spektrum an Eindrücken und Lebenserfahrungen abzudecken, dafür wird es aber auch so breit angelegt, dass der Leser Mühe hat, die Fäden sinnvoll miteinander zu verbinden.
    Eine Rolle spielen die verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen verschiedener Protagonisten in den einzelnen Teilen.
    So ist zum Beispiel der sympathische Junge, in den sich Evelina im ersten Teil verliebt, der Neffe des Mannes von Marn Wolde, der auch noch ein etwas obskurer Sektenführer ist, um nur mal ein Beispiel der komplexen Zusammenhänge zu nennen.


    Doch am Ende gibt es tatsächlich eine schlüssige Auflösung, die das Buch zu einem großen Ganzen werden lassen!


    Dieser Roman besitzt eine spürbare Authentizität, die sich wohl dadurch ergibt, dass die Autorin selbst in einer solchen kleinen Stadt nahe eines Reservats aufwuchs und ebenfalls einen indianischen Großvater hatte, Sie weiss also, worüber sie schreibt und hat lange an diesem Buch gearbeitet.


    Es gibt eine Reihe von angerissenen Themen, die dem Hauptthema, der Bewältigung vergangener Schuld in der Gesellschaft über Generationen hinweg, beitragen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Der Roman besteht aus vielen, lose miteinander verbunden Episoden, die teilweise auch schon vorher in Magazinen wie Atlantic Monthly und The New Yorker erschienen sind.
    Diese Art zu schreiben hat Louise Erdrich schon mehrfach angewendet und ob einen das zusagt, ist Geschmackssache. Ich mag es – bedingt!


    Danke füe die Rezi. Das Buch würde von der Thematik her schon in mein Beuteschema passen, doch ob den genannten Schreibstils bin ich mir nicht sicher, ob dieses Buch etwas für mich wäre. Liest sich das "durchgehend" oder wie eine Ansammlung lose verbundener "Kurzgeschichten" (oder habe ich etwas falsch verstanden)?


    Wie dem auch sei, das werde ich mir in der Buchhandlung erst mal ansehen (und reinlesen) müssen, bevor es (irgendwann) in meinen Bestand wandern wird.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier, es gibt einige Geschichten, die auch alleine funktionieren, aber es ist kein Kurzgeschichtenband; grundsätzlich sind sie alle miteinander durch die Haupthandlung verbunden.


    Diese Haupthandlung besteht aus den Folgen für die folgenden Generationen einer Stadt, nachdem 1911 eine Siedlerfamilie ermordet wird und daraufhin Lynchjustiz an Indianern verübt wurde, die fälschlicherweise für die Täter gehalten wurden. Das Geheimnis, wer dafür verantwortlich ist, und wie wer miteinander zuammenhängt, durchzieht den Roman.


    Vor den einzelnen Teilen des Romans wird immer die erzählende Hauptfigur genannt. So weiß man immer, wer gerade spricht. Es gibt 3-4 Hauptfiguren, die fast alle auch mehrmals auftauchen.

  • @ Herr Palomar


    Danke für die Erläuterungen. Das hört sich auf jeden Fall so an, als daß dieses Buch auf meine Wunschliste muß. Und wenn ich wieder mal einen "Indianerleseblock" habe, ist es dann vermutlich mit "dran".

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hier meine Rezi:


    „Solange du lebst“ von Louise Erdrich verwebt vier Erzählperspektiven zu einem spannenden und beeindruckenden Roman Alle vier Figuren erzählen aus ihrer Perspektive ihre ganz eigene Geschichte, die immer etwas mit dem schrecklichen Lynchmord zu tun hat und zugleich in die allgemeine Entwicklung des Ortes eingeflochten ist. Raffiniert verwebt sie das Leben ihrer Figuren über Generationen
    miteinander, so dass am Ende ein umfassender Stammbaum der Ortsbewohner entsteht. Besonders geht Louise Erdrich dabei auf die „Native Americans“ ein, deren Situation sie mit viel Sympathie beschreibt. Dabei vergisst sie aber nicht, ihre Figuren mit Schwächen und Stärken auszustatten. „Solange du lebst“, im Original „The Plague of Doves“ (Die Plage der Tauben), ist mit seiner Intensität und Leidenschaft ein ganz besonderer Roman, der mit einigen autobiografischen Zügen ein ganzes Jahrhundert umspannt.


    LG Sisch