Inhalt:
Liraz „Erez“ Liberti (von seinem ersten Kommandanten umbenannt, da Liraz nach Mädchen klingt) ist Offizier in der israelischen Armee, stationiert auf einem Beobachtungsposten im Libanon bei der alten Kreuzritterfestung „Beaufort“. Obwohl er nicht der disziplinierteste ist, erhält er schließlich den Befehl über eine Truppe blutjunger Soldaten – er selbst ist auch nur etwas älter – und erlebt gemeinsam mit ihnen die letzten Monate auf diesem Posten, ehe dieser von der Armee geräumt wird.
Autor:
Laut dem Nachwort hat Ron Leshem, geboren 1976 in der Nähe von Tel Aviv, diesen Roman, seinen ersten, basierend auf den Erzählungen von Soldaten geschrieben, die erlebt haben, was Erez und seine Männer erleben, mehr oder weniger. Das Buch ist in Hebräisch geschrieben, wurde übersetzt von Evan Fallenberg und hat einige Preise gewonnen. Zu Recht, wie mir scheinen will.
Meinung:
Das Buch beginnt sehr eigenartig. Erez, aus dessen Perspektive es geschrieben ist, erzählt, was ein gewisser Yonatan alles nicht mehr tun kann. Wir erfahren schließlich, dass dies ein etwas morbides Ritual ist, das die Soldaten praktizieren, um ihre Trauer zu bewältigen: sie zählen auf, was der tote Kamerad nun nicht mehr tun kann und übertreffen sich dabei in Absurditäten. Das gemeine an diesem Anfang ist, dass man annimmt, dass Yonatan irgendjemand ist.
Da Erez seine Soldaten stets nur mit dem Nachnamen nennt, erfahren wir gegen Ende des Buches, wer Yonatan ist. War. Zu diesem Zeitpunkt kennen und lieben wir ihn schon fast so sehr, wie Erez es tut. Auch dies ist ein Prozess. Anfangs erzählt er noch, dass er seine Jungs so gerne lieben würde, wie es von einem guten Truppenführer erwartet wird, doch es fällt ihm zunächst schwer. Und umgekehrt, denn Erez ist ein soldier’s soldier, der Prototyp schlechthin. Wenn er nebenbei jedoch von seiner Freundin erzählt und davon, wie sein Hund als Welpe auf seiner Brust eingeschlafen ist, erkennen wir wieder, dass er vielleicht doch kein ganz so harter Kerl ist. Auch er ist mir ans Herz gewachsen, wie nicht viele Romanfiguren davor.
Noch selten ist es einem Buch besser gelungen, diese enge Bindung zu transportieren, die zwischen Männern (Menschen? Oder ist das ein Männerding?) entsteht, die gemeinsam dienen, teilweise unter Todesgefahr.
Besonders absurd wird es, als der Abzug bereits angekündigt ist, doch der Posten bis dahin besetzt bleiben muss. Da begreift man, dass es tatsächlich so etwas wie einen noch sinnloseren Tod geben kann.
Dies ist kein politisch korrektes Buch. Der Feind, vor allem die Hisbollah, ist nichts als das, ein gesichtsloses Ungeheuer. Ursachen werden hier keine hinterfragt, was für mich in diesem Buch aber auch nicht das Thema ist. Ganz im Gegenteil, eine moralische Behandlung der Frage wäre hier wohl fehl am Platz und würde aufgesetzt wirken. Es interessiert Erez an diesem Punkt seines Lebens nicht, einzig und allein das Überleben seiner Jungs und sein eigenes interessieren ihn.
Interessant ist auch der Einblick in die israelische Gesellschaft, den wir hier bekommen, speziell der Gegensatz zwischen den weltlich und den religiös lebenden Juden und wie der Militärdienst zunächst zweitere zu ersteren werden lässt, dann aber wieder zum Glauben zurückführen kann, vielleicht um Trost zu finden. Letzten Endes aber sind diese jungen Männer einfach Burschen, die in erster Linie nur eines im Kopf haben: Mädchen und Sex. Das Buch ist daher weder in dieser noch in militärischer Hinsicht etwas für Schöngeister.
Es ist auf jeden Fall ein sehr gutes Buch und hat eine fixe Nominierung für die Highlights dieses Jahres. Ich würde Leshem gerne auch als Neuentdeckung des Jahres nominieren, konnte bisher aber kein anderes Buch von ihm in übersetzter Form finden. Mir ist übrigens nie eingefallen, dass es eigenartig ist, dass ich ein hebräisch geschriebenes Buch auf Englisch lese. Ich hätte schwören können, dass es auch in dieser Sprache geschrieben wurde. Die Übersetzung ins Englische scheint mir daher gelungen zu sein. Wie es mit der deutschen aussieht, kann ich nicht sagen.