Inhalt:
Bei einem Verkehrsunfall wird die stark verweste Leiche einer alten Frau entdeckt. Sie kann als Violet Chambers identifiziert werden - und sie wurde vermutlich vergiftet. Doch als Detective Chief Inspector Lapslie mit den Ermittlungen beginnt, steht er vor einem Rätsel: Die alte Mrs. Chambers erfreut sich offenbar lebhaft ihres Daseins, zahlt Steuern, bezieht Mieteinkünfte und schreibt reizende Postkarten. Was geht hier vor?
Über den Autor:
Nigel McCrery, geboren 1953 in London, war selbst neun Jahre bei der Polizei. Der zweite Bildungsweg führte ihn nach Cambridge, wo er am Trinity College studierte. Danach arbeitete er bei der BBC und erfand die erfolgreiche Figur der Dr. Samantha Ryan, der er vier Romane widmete. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Nottingham.
Meine Meinung:
Ein Thriller, wie es der Klappentext verspricht, ist es leider nicht, denn das Buch fällt eindeutig in die Kategorie Häkelkrimi, Cozy Crime. In gewohnter Manier liegt hier eindeutig der Schwerpunkt auf zwischenmenschlichen Beziehungen, verschrobenen Charakteren und ausführlicher Ermittlungsarbeit, und relativ unblutig ist es auch noch. Die Atmosphäre ist wunderschön wiedergegeben, ich konnte mir die Herrenhäuser und die blühenden Gärten fast bildlich vorstellen.
Zwei Personen sind die Hauptcharaktere, um sie dreht sich die ganze Geschichte. Zum einen haben wir Detective Chief Inspector Mark Lapslie, der aufgrund seiner Synästhesie vorübergehend beurlaubt ist und durch einen zufälligen Leichenfund zu den Ermittlungen hinzugezogen wird, da sein Name vom Computer genannt wird, der bei den Auffälligkeiten der Leiche benachrichtigt werden soll. Zum anderen haben wir Violet Chambers, später Daisy Wilson - oder wer auch immer sich hinter dem Namen verbirgt. Sie ist eindeutig die Schlüsselfigur. Eine ältere Dame, die sich bei einsamen, alten Frauen einschmeichelt und nach deren Tod ihre Identität übernimmt. Wer ist sie wohl wirklich und was hat sie zu ihren Taten getrieben?
Durch akribische Ermittlungsarbeit kommt Mark Lapslie nach und nach hinter das Geheimnis von Violet, die zwar einerseits in der Pathologie liegt, aber andererseits noch Geld abholt und Postkarten an alte Freunde schreibt. Allerdings sind die Ermittlungen eher Nebensache, denn hauptsächlich wird über die vermeintliche Violet erzählt, wie sie lebt, wie ihre Gedanken umeinanderwirbeln und wie sie ihre weiteren Taten plant. Ausführlich berichtet der Autor von ihren Bemühungen und Planungen, geeignete ältere Damen ausfindig zu machen. In Gedankenfetzen bekommt man auch Einblicke in ihr früheres Leben und nach und nach erkennt man, wer sie wirklich sein könnte. Erst zum Schluß erfährt man Genaueres, und ich hatte mich die ganze Zeit geirrt
Genauso ausführlich wird auch über die Synästhesie, unter der Mark Lapslie leidet, berichtet. Synästhesie ist eine neurophysiologische Besonderheit, bei der verschiedene Sinnesqualitäten miteinander verknüpft werden. Bei ihm macht sich das durch Geräusche, die ihm sofort verschiedene Geschmäcker in seinem Mund vorgaukeln, bemerkbar. Sein Handyklingeln schmeckt nach Mokka, das Geschrei spielender Kinder nach Vanille und die Geräusche im Großraumbüro nach rostigem Blut. Deshalb ist Mark auch in seiner Arbeit sehr eingeschränkt, er kann nie vorhersehen, was und in welcher Stärke er bei den Geräuschen schmecken wird, oftmals überflutet es ihn derart, dass ihm schlecht wird. Über Synästhesie ist wenig bekannt, denn den meisten Betroffenen ist es oftmals gar nicht bewusst, dass sich in ihrem Gehirn eine andere Verkoppelung von Reizen abspielt. Sie verbinden eben schon immer Geräusche mit Geschmack. Es war sehr interessant, in die Welt der Synästhesie einzutauchen, ich kannte es vorher gar nicht und finde es auch schwer vorstellbar.
Erst im letzten Viertel gewinnt das Buch an Rasanz, man fühlt sich in den Film Psycho hineinversetzt und ein ungewöhnliches Ereignis jagt das nächste. Die Handlung kommt zum Höhepunkt und Schlag auf Schlag fallen die Puzzleteile ineinander. Das Ende lässt sich nicht erahnen, es ist schockierend, aber auch perfekt.
Das Cover ist wunderschön gestaltet, es vermittelt genau die Gefühle und die Atmosphäre, die man beim Lesen bekommt. Der auf alt getrimmte Umschlag mit der Tasse Tee und dem Fläschchen Gift ist stimmig und absolut passend.
Mir hat das Buch gefallen, es ist ein ruhiger Krimi mit interessanten Haupt- und Nebencharakteren. Wer es nicht zu blutig mag, der kann hier ruhig zugreifen. Natürlich gibt es die ein- oder andere Leiche, ihr Sterben wird aber nicht bis in alle Einzelheiten ausgeschlachtet. Und wer weiß, was man mit dem ganzen Wissen über die verschieden Pflanzen, die in normalen Gärten wachsen, noch so alles anfangen kann :lache.
LG
Patty