Mission London - Alek Popov

  • Kurzbeschreibung
    Bulgarien? Rückständig, korrupt und faul? Als neuer Botschafter in London ist Varadin Dimitrov ausersehen, das Image Bulgariens im Westen zu verbessern. Was er vorfindet, als er eines Morgens an der respektablen Botschaftsadresse in Kensington läutet, macht klar, dass tatsächlich viel Arbeit auf ihn wartet: ein Provinzbürgermeister beim Katerfrühstück, der Koch im Clinch mit seiner Frau, der Staubsauger – kaputt. Die zivilisierte Welt verdankt Bulgarien zwar das WC, aber das hilft dem neuen Botschafter bei seiner Mission ebenso wenig wie die Tatsache, dass sein Vorgänger das Haus nicht räumen will, weil er verzweifelt gegen seine Rückkehr in die Heimat kämpft. Außerdem: In der Kühltruhe im Keller lagern Enten, die von der Russen-Mafia gekidnappt wurden. Mission impossible? Varadin Dimitrov sucht Hilfe bei einer PR-Agentur, die ihm Zugang zur High Society verspricht – Glanz, Glamour und jede Menge Prominente. Eine davon ist seine Putzfrau, die führt ein Doppelleben und ist darüber hinaus längst tot. Da stimmt doch was gröber nicht ...



    Über den Autor
    Alek Popov geboren 1966, Studium der bulgarischen Philologie, lebt und arbeitet in Sofia. Insgesamt sechs Erzählbände und ein Roman. Seine Erzählungen und sein Roman „Mission: London“ wurden in mehrere Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Französisch und Ungarisch.



    kamelin meint
    Der frisch gebackene bulgarische Botschafter, Varadin Dimitrov, trifft zwei Tage zu früh in der Londoner Botschaft ein, wo er eine Balkan-Fassung von Sodom und Gomorrha vorfindet: Sein Koch steckt in irgendwelchen dubiosen Geschäften mit der Russen-Mafia, die junge Botschafts-Putzfrau, angeblich eine Bulgarische Studentin, ist Stripperin, und der Bürgermeister von Provadija steht mit seinem Prachtkörper unter der Dusche, weil man ihn nicht woanders unterbringen konnte. Kein guter Start für den Botschafter, der sich anschickt, den Sauhaufen aufzuräumen.
    Damit hat er sich viel vorgenommen, denn hinter seinem Rücken gehen merkwürdige Dinge im Keller der Botschaft vor sich. So hat der Koch, Kosta Banicarov, 40 Enten in der Tiefkühltruhe der Botschaftsküche liegen, die einer seiner Mafia-Freunde aus dem Hyde-Park entwendet hat. Die sollen nun schleunigst meistbietend an ein Chinarestaurant verscherbelt werden. Leider muss Kosta jedoch feststellen, dass die Parkleitung den armen Dinger einen Sender verpasst hat, was den MI6 auf den Plan ruft, der sich prompt auf die Suche nach den Enten-Kidnappern macht.


    Allein die Missverständnisse, die sich aus dieser Situation ergeben, sind einfach nur zum schreien. Überhaupt musste ich in der ersten Hälfte dieses Buchs ständig lachen.
    Sprachlich ist dieser Roman wie Honig für die literarische Seite meines Gehirns. Wo mache Autoren sich mit dem Krummsäbel durch den Wortdschungel hacken, benutzt der Bulgare Alek Popov, ein Skalpell. An jedem Satz wurde so lange mit Schmirgelpapier und Politur gearbeitet, bis er sitzt. Dabei ist das Ganze mit viel Wortwitz, sehr akkurat, und doch von leichter Hand geschrieben, dass es einfach nur eine Freude ist, dem zynischen Humor des Autors bis zum Ende zu folgen.


    Im letzten Drittel wandelt sich dann allerdings dieser Wortwitz verstärkt in Albernheit und der feine Humor in Klamauk. Mir persönlich waren es am Ende zu viele Doppelgänger, und eine in sich arg verquirlte Story, wie z.B. die von Katja, der Putzfrau, die erst strippt, sich dann als Lady Di Double durchschlägt, und sich zum Schluss als Esmeralda Corazon Revolutionären in der Nähe des Ungaja-Flusses anschließt. Auf den letzten Metern hat mir der Autor ein bisschen zu dick aufgetragen - zu viel von allem - das hat der Geschichte in meinen Augen nicht gut getan.
    Dafür ziehe ich allerdings nur einen Punkt ab, denn in den wunderbaren Formulierungen, die Alek Popov in den ersten beiden Dritteln seines Romans benutzt hat, werde ich noch eine Zeitlang schwelgen.
    Das war Literatur vom Feinsten, die sollte man wirklich gelesen haben.

  • Zitat

    Original von milla
    Na das klingt doch klasse! :grin Kommt direkt auf die Wunschliste, danke für die Rezi! :write


    ... und wurde 8 Jahre später dann auch gelesen... :lache (komisch, irgendwie hab ich das schon öfter geschrieben... :gruebel)



    Meine Meinung:


    Hätte der neue bulgarische Botschafter Varadin Dimitrov geahnt, was ihn in seiner neuen Wirkungsstätte London erwartet, wäre er vielleicht nicht überraschend zwei Tage früher dort angekommen. Doch so trifft er auf mehr als fragwürdige Umstände, einen dubiosen Koch, eine studentische Putzhilfe und einen halbnackten Bürgermeister einer kleinen bulgarischen Stadt, der gerade der Dusche entstiegen ist. Für den Botschafter ist das ein sehr beängstigender, für den Leser ein sehr amüsanter Einstieg in eine Geschichte, die vor skurrilen Ideen und Figuren nur so strotzt. Die Ankunft des neuen Botschafters bringt nämlich so einiges durcheinander, was sich in der Vergangenheit hinter verschlossenen Türen abgespielt hat... Wie sich die Angestellten nun einerseits bemühen, ihre sprichwörtlichen Leichen im Keller zu beseitigen und andererseits versuchen, aus der neuen Situation Profit zu schlagen, ist ebenso urkomisch wie der Versuch des Botschafters, alle an ihn herangetragenen Anliegen und Forderungen so gut wie möglich zu erfüllen - selbst wenn sich diese widersprechen sollten. Popov erzählt all die daraus resultierenden Irrungen und Wirrungen mit einem so trockenen Selbstverständnis und einem ebenso charmanten Augenzwinkern, dass es ein wahres Lesevergnügen ist.



    Hierfür vergebe ich ebenfalls 9 Punkte.